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Test Porsche Cayenne GTS Coupé (2020): Was kann der sportlichste X6-Gegner?

S, GTS oder Turbo? Mehr denn je eine Glaubensfrage!

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Was ist das?

Schlaue Menschen, die nicht so viel Zeitdruck haben, warten bei Porsche in aller Regel auf den GTS. Der kommt baureihenunabhängig immer ein bisschen später, ist mit seinem speziellen Mix aber oft die attraktivste Variante.

"Spezieller Mix" bedeutet übrigens auch beim neuen Cayenne GTS mehr Dynamik, ein bisschen mehr Zucker fürs Auge (Sport Design Paket) und vergleichsweise viel Ausstattung fürs Geld. Vor allem schöne Ausstattung, die jeder mag, wie große Räder, haufenweise Alcantara im Innenraum und so.

Jetzt wird der potenz- und statusaffine Cayenne-Fahrer behaupten: Pah, der letzte GTS hatte einen Sechszylinder, wenn ich Rasenmäher kaufen will, geh ich zum Baumarkt. Glücklicherweise hat man in Zuffenhausen auf die Wünsche der Kunden reagiert (das echte Feedback mag vermutlich etwas seriöser ausgefallen sein) und den neuen GTS "standesgemäß" motorisiert. Bedeutet: Rückkehr zum V8. Selbiger hat vier Liter, zwei Turbos, Zylinderabschaltung und ist im Prinzip identisch mit dem des Cayenne Turbo, wurde aber am Computer auf 460 PS und 620 Nm gedrosselt. 

Schneller als der alte 3,6-Liter-Biturbo-V6 ist er trotzdem. Viel schneller. Trotz nur 20 PS und 20 Nm mehr. Von 0-100 km/h geht es in 4,5 Sekunden (- 0,6 Sekunden), der Topspeed liegt bei 270 km/h. Der Verbrauch wird mit 11,2 Liter angegeben. Nach der eher zügig gefahrenen Testrunde mit hohem Spaßkurven-Anteil zeigte der Bordcomputer etwa 14 Liter an.

Hurra, wer braucht schon Downsizing? 

Nun, man kann das in der Tat seriös diskutieren. Denn hinter vorgehaltener Hand wurde durchaus darüber berichtet, dass der alte V6 im Realbetrieb eigentlich kaum Verbrauchsvorteile gegenüber dem neuen V8 bietet.

Letzterer ist tatsächlich leichter als der Sechszylinder und kann aufgrund seiner kompakten Bauweise tiefer im Fahrzeug montiert werden, was wiederum der Fahrdynamik zugute kommt. Auch sonst ergeben sich mit der Rückkehr zum Achtender eigentlich nur Vorteile.

Er hat nicht nur auf dem Papier, sondern auch gefühlt die deutlich größeren Lungen. Er wirkt in der Kraftentfaltung satter, vollmundiger. Der Unterschied zum Cayenne S (2,9-Liter-Biturbo-V6, 440 PS) ist spürbar. Hier fährt ein anderer Charakter. In der letzten Generation war das nicht der Fall, da konnte man den GTS vom günstigeren S (damals auch mit 3,6-Liter-Biturbo-V6) kaum unterscheiden.

Porsche Cayenne GTS Coupé (2020) im Test

Einer der größten Pluspunkte für Genussfahrer wird aber sicher die Akustik sein. Klanglich war der Vorgänger eher eine graue Maus. Dagegen wirkt der neue GTS wie der König der Löwen. Für die Sportversion des großen SUV hat man in Zuffenhausen extra eine neue Auspuffanlage mit großvolumigerem Endschalldämpfer entwickelt. Außerdem verzichtet man im Heckbereich des Fahrzeugs auf ein wenig Dämmung, damit es auch in der Bude schöner rappelt.

Das Ergebnis ist wirklich beeindruckend, der GTS klingt einfach - sorry - saugeil. Das gilt umso mehr für das von mir getestete Coupé mit dem optionalen Sport-Leichtbau-Paket. Hier kommt eine nochmals aggressivere Auspuffanlage mit zwei mittigen Endrohren zum Einsatz, die röhrt und sägt und trötet und spratzt, dass es eine wahre Freude ist. So natürlich emotional muss man das mit Partikelfiltern erst mal hinbekommen.

Also kann ich mir den viel teureren Cayenne Turbo sparen? 

Das kommt ganz darauf an, was Sie von Ihrem Cayenne erwarten. Der V8 macht im GTS einen hervorragenden und sehr homogenen Eindruck, an den völlig gesichtsdeformierenden Punch des Turbo kommt er aber nicht heran. Dass hier immerhin 90 PS und 150 Nm fehlen, ist definitiv spürbar. 

"Die Balance ist tatsächlich sehr heckbetont. Nicht, dass das besonders wichtig wäre, aber den GTS zum Leistungsübersteuern zu bewegen, erfordert wirklich keinen großen Aufwand."

Dafür ist der GTS im Handling merklich feinsinniger und agiler als der etwas kopflastige Turbo, liegt hier näher am wesentlich leichteren Cayenne S. 

Das liegt zum einen daran, dass er etwas weniger wiegt als der Turbo und zum anderen an der knackigeren Fahrwerkseinstellung. Das serienmäßige Adaptiv-Stahlfahrwerk kommt mit sportlicherer Feder-Dämpfer-Kalibrierung und 20 mm Tieferlegung. Beim optionalen Luftfahrwerk ist es ähnlich.

Dadurch liegt der GTS ein wenig satter, was es den Ingenieuren ermöglicht hat, die Kraftverteilung noch hecklastiger zu gestalten. Das wiederum entlastet die Vorderachse und sorgt dort für mehr Leichtfüßigkeit. Sie werden es beim Fahren merken.

Mehrere Dinge fallen auf: Die Lenkung ist in puncto Gefühl den Systemen in den anderen SUVs dieser Klasse überlegen. Zudem ist die Balance tatsächlich sehr heckbetont. Nicht, dass das besonders wichtig wäre, aber den GTS zum Leistungsübersteuern zu bewegen, erfordert wirklich keinen großen Aufwand. Völlig sinnlos, ich weiß, aber Spaß (gepaart mit leichter Ungläubigkeit) bringt es allemal. 

Die mühelose Selbstverständlichkeit mit der der Cayenne GTS eine Bergstraße hinauf fliegt, ist schwer zu begreifen. Klar, mein Testwagen war mit Hinterradlenkung, Wankstabilisierung und der (in Wirklichkeit dynamischeren) Luftfederung ausgestattet, aber dafür dürfte dieses Trumm sogar einem richtigen Sportwagen auf solchen Strecken eine ziemlich harte Zeit bescheren. 

Eine vergleichbare Natürlichkeit und Involvierung kann er - bei aller Liebe - freilich nicht bieten. Die hohe Sitzposition und eine leichte, bauartbedingte Hölzernheit beim Richtungswechsel kriegt man halt einfach nicht weg, egal, wie viele elektronische Helferlein am Zerstören der Physik beteiligt sind. Nichtsdestotrotz gibt es derzeit kein "normales" SUV, das dem Porsche Cayenne fahrerisch das Wasser reichen kann, auch weil sich Porsche die Dynamik nicht mit übertriebener Härte erkauft. Der GTS bestätigt das einmal mehr.

Irgendwelche Schwächen?

Tatsächlich war mir die aufpreispflichtige Carbon-Keramik-Bremse ein großer Dorn im Auge. Der Pedalweg ist extrem kurz, der Druckpunkt sehr hart und die Dosierbarkeit in der Folge so gut wie nicht gegeben. Das ändert nichts an der brachialen Leistung der Stopper, aber schön zu bedienen ist das Ganze nicht. Vor dem Kauf also besser mal ausprobieren, ob die serienmäßige Stahlbremse nicht vielleicht die bessere Wahl ist. 

Ansonsten gibt es am Cayenne GTS - egal ob als SUV oder SUV-Coupé - wenig zu meckern. Verarbeitungsqualität und Bedienung überzeugen genauso wie Platzangebot und Kofferraumvolumen. 

Soll ich ihn kaufen?

Wie gesagt, für sportliche Fahrer bietet Porsche mit dem Cayenne nach wie vor das beste Produkt im Segment. Die Frage ist dann eher, welcher Cayenne es denn werden soll. Und obwohl ich den neuen GTS in den vergangenen fünf Minuten wirklich nicht zu knapp gelobt habe, ist das gar nicht so leicht zu beantworten. 

Dem schwerfälligeren und deutlich teureren Turbo würde ich ihn vorziehen. Beim Cayenne S ist die Sache schon schwieriger. Er ist sehr viel leichter und wirkt noch ein wenig agiler. Außerdem kostet er in der Basis 20.000 Euro weniger. Klingt wie ein klarer Fall, ist es aber nicht. Denn ausstattungsbereinigt sind S und GTS nahezu gleich teuer. Trotz einer Differenz von zwei Zylindern. 

Es bleibt also dabei: Wenn Sie bei Porsche nicht unbedingt die Basisversion ohne Schnickschnack wählen müssen, sind Sie mit dem GTS am besten dran.

Fazit: 8/10

+ sehr kräftiger, williger V8 mit überraschend emotionaler Akustik

+ für ein Auto dieser Klasse überragend agiles, hochdynamisches Fahrverhalten

+ Interieur, Bedienung und Platzverhältnisse auf sehr hohem Niveau

 

- Carbon-Keramik-Bremse mit schlechter Dosierbarkeit

- andere Hersteller bieten mehr Leistung fürs Geld

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