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VW Touareg V8 TDI (2020) im Test: So gut, so teuer

Acht Zylinder sind so toll, aber man muss sie sich definitiv leisten können

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Was ist das?

Für die Freunde großer Motoren hat die aktuelle Krise auch ihr Gutes: Die aggressive Rettung der Umwelt hat erst einmal Sendepause. Und in Zeiten, in denen öffentliche Verkehrsmittel als das Epizentrum alles Bösen gelten, gewinnt die individuelle Mobilität plötzlich wieder rapide an Beliebtheit. Ob diese massiven Verwerfungen auch dem Image des Touareg V8 TDI auf die Sprünge helfen, vermag ich nicht zu beurteilen. Verdient hätte er es in jedem Fall.

Na gut, dass ausgerechnet Volkswagen vor einem halben Jahr einen 2,3 Tonner mit 422-PS-V8-DIESEL auf den Markt geworfen hat, wirkt schon ein wenig ... naja ... blasphemisch. Aber für ein mächtiges SUV mit dem sehr viele Menschen permanent bis zu 3,5 Tonnen schwere Anhänger durch halb Europa ziehen, ist so ein großvolumiger Selbstzünder halt einfach eine relativ schlaue Wahl. Vor allem, wenn er so hervorragend funktioniert.

Gewaltiger V8 und imageloser Touareg - das passt also zusammen?

Es passt ganz hervorragend. Mit einigen Abwandlungen - wie etwa einem elektrischen Zusatzverdichter - kennt man den Vierliter-Biturbo-TDI ja bereits aus Audis SQ7 und SQ8. Die beiden Ingolstädter geben sich ja betont sportlich, was in Bezug auf den Motor bedeutet: Er wirkt wie ein Grizzlybär, den man in ein Tennisröckchen gesteckt hat - immer noch furchteinflößend kräftig, aber so ganz richtig erscheint es nicht. 

Komplett anders verhält es sich hier: Der Touareg ist insgesamt deutlich gemütlicher abgestimmt (dazu gleich mehr), eher der Typ "sanfter Riese". Und das ist eine Herangehensweise, die diesem Motor deutlich besser zu Gesicht steht. Wie bei recht vielen Erzeugnissen aus dem VW-Konzern herrscht auch hier eine unerklärliche Lethargie beim vom Fleck kommen. Damit meine ich tatsächlich nur den quälend langen Zeitraum zwischen Treten des Gaspedals und in Bewegung setzen des Fahrzeugs, was bei manchen Abbiegevorgängen kurzfristig zu mittelschwerer Todesangst führen kann. Vermutlich ein Problem der ZF-Achtgang-Box, die sonst aber gewohnt schnell und harmonisch zu Werke geht.

Der ganze Rest jedoch ist Diesel at its best. At its very best. Der Schub ist schon früh enorm. Nicht aufdringlich, einfach nur sehr erhaben. Ab 2.200 Touren setzt dann der zweite Lader ein, was den Koloss mit noch spürbar mehr Nachdruck von Dannen ziehen lässt. Die Drehzahlgrenze liegt bei generösen 5.000 Touren. Brauchen tut man das hier natürlich nicht. Wer ab 1.250 Touren schon 900 Nm Drehmoment aufbringt, hetzt nicht, er beherrscht mit gelassener Dominanz. 

Und zwar in allen Belangen. Das umfasst auch die Klangkulisse. Wer es nicht besser weiß, vermutet hier sicher so einiges, aber gewiss keinen Ölbrenner. Selten bis nie wird sich ein Diesel so zu benehmen gewusst haben. Er ist die Ruhe mitten im Sturm. Sehr gedämpft, sehr vornehm, völlig vibrationsfrei - auch, wenn man ihn fordert. Toll.

Und das Fahrverhalten? Noch ein SUV, das so gern ein Sportwagen wäre?

Gott sein Dank nicht! Wie angedeutet will der Touareg V8 TDI trotz seiner immensen Leistung kein viel zu großer, schwerer, hoher Porsche Cayman sein und dieser Umstand ist in heutigen Zeiten so unsagbar erfreulich, dass man es von seinem ultrabequemen Massagesessel aus in die ganze Welt schreien möchte. 

Dieser Touareg mit seinem adaptiven Zweikammer-Luftfahrwerk darf noch richtig sänften, Straßenunebenheiten souverän wegbügeln und zwar nicht direkt in den Steiß des Piloten, sondern einfach weg. Er hat auch keine "sportlich" und superdirekt abgestimmte Lenkung, sondern einfach nur eine sehr angenehm leichtgängige, die in puncto Präzision vollkommen befriedigend ist. Will ich mit einem 4,88-Meter-SUV einen VLN-Lauf gewinnen oder 1.000 Kilometer fahren als wären es 50? Na eben!

Schockierenderweise (für alle sogenannten Sport-SUVs) fährt der Touareg deshalb überhaupt nicht undefiniert oder wabbelig oder unpräzise. Konzernbaukastenbedingt kann man nämlich auch ihn (wenn man Volkswagen vorher unendlich viel Geld in den Rachen geworfen hat) mit all den tollen Fahrdynamik-Gimmicks ausstatten, die es bei Porsche Cayenne, Audi Q7, Bentley Bentayga oder Lamborghini Urus gibt. Gemeint sind natürlich die Hinterradlenkung und die aktive Wankstabilisierung, auch wenn der VW im Gegensatz zu seinen Geschwistern nicht über ein 48-Volt-Bordnetz verfügt und die benötigte Spannung einfacher über Kapazitätsspeicher aufbaut.

Völlig egal, es funktioniert. Und zum Glück haben die schlauen Menschen in Wolfsburg auch diese Helferlein so abgestimmt, dass sie der Sicherheit dienen sowie Wendigkeit und Komfort erhöhen, ohne den Touareg zu einem brettharten King Kong-Rennwagen zu machen, der keinen Millimeter wankt oder ständig zu Drifts ausholt. Dieses Auto fährt einfach genauso, wie man sich wünscht, dass so ein Auto fahren sollte. Entsetzlich bequem, umschmeichelnd, aber jederzeit akkurat, sehr kontrolliert und allzeit mit mehr Reserven ausgestattet als die deutsche Bundesbank.

Gibt es denn gar nichts Schlechtes an diesem Auto?

Oh doch, durchaus. Beispielsweise kann man den Spurhalte-Assistenten (mit Lenkeingriff) so oft ausschalten wie man will, bei jedem Neustart des Wagens ist er wieder aktiviert. Damit könnte man eventuell noch leben, wenn selbiger nicht so abstrus agieren würde. Dieses Auto tanzt förmlich zwischen den Fahrspur-Linien, greift permanent in die Lenkung ein, auch wenn man sich komplett in der Mitte seiner Spur befindet. Das übermotivierte Kerlchen lenkte sogar teilweise noch mit, wenn der Blinker aktiviert war. Nicht so knorke irgendwie.

Ansonsten sei noch erwähnt, dass das monumentale 15-Zoll-Infotainmentsystem des Touareg aufgrund des gewaltigen Funktionsumfangs und der hohen Konfigurierbarkeit anfangs etwas verwirrt, nach gewisser Eingewöhnungszeit aber durchaus ein guter Kompagnon ist. Lediglich das Navi nervt oft mit recht kleinen und etwas unklaren Richtungsangaben. Womöglich bin ich auch einfach zu dumm, aber bei anderen Herstellern weiß man besser, wo(ran) man gerade ist.

Naja, und dann wäre da halt noch das Ding mit dem Preis. Der Touareg V8 TDI startet bei 89.825 Euro. Aber dafür kriegen Sie sicher nicht den Touareg V8 TDI, den Sie wollen. Machen wir es kurz: Unser Testwagen in der extrem luxuriösen "One Million"-Sonderausstattung mit so ziemlich allem Schnickschnack, den die Aufpreisliste hergibt, lag bei 128.231 Euro. Und nein, wir reden hier nicht von den Plattformbrüdern Bentayga oder Urus, sondern noch immer vom Volkswagen dieses Konzern-SUV-Quintetts. 

Soll ich ihn kaufen?

Zugegeben, der eben genannte Preis ist schockierend. Andererseits kann man für einen Audi SQ7 mit quasi gleichem Antrieb mühelos 20.000 Euro mehr ausgeben. Der Audi fährt sportlicher, hat innen mehr Platz und auf Wunsch sieben Sitze, aber er ist mit seiner ganzen Erscheinung und seinem seltsamen Fake-V8-Benziner-Sound eben auch mehr Selbstdarsteller. 

Wer all das nicht möchte und nicht unbedingt sieben Plätze benötigt, ist mit dem Touareg V8 TDI vermutlich besser dran. Platz zum Wegwerfen und Unmengen an Kofferraum (810 bis 1.800 Liter) hat der nämlich auch. Er pflegt eben eher den zurückhaltenderen, gediegeneren Auftritt. Auch fahrerisch. Das ist erstens sehr sehr angenehm und zweitens wirklich gut.

 

Fazit: 8/10

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