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Harley-Davidson Pan America im Test: Adventure aus Milwaukee

Sich auf Trails mit einer Harley schmutzig machen ...

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Harley-Davidson war im Zweirad-Adventure-Segment bisher ungefähr so relevant wie ein Skateboard bei der Rallye Dakar. Nachdem der Hersteller das ADV-Genre jahrzehntelang vernachlässigt hat, wagt er mit der Pan America 2021 nun endlich einen Vorstoß in dieses Segment.

Die Pan America ist dabei ein speziell entwickeltes Adventure-Bike, das es mit etablierten Modellen wie der BMW R 1250 GS/GS Adventure, der KTM 1290 Super Adventure oder der Triumph Tiger 1200 aufnehmen soll. Unsere US-Kollegen konnten die neue Harley bereits fahren.

Die Pan Am verfügt über vertraute optische Elemente von H-D, die dazu von einer beeindruckenden, zukunftsweisenden Technologie umgeben sind. Diese neue Technologie muss sich aber an einem Feld messen, das über die Jahre zahlreiche Verfeinerungen erlebt hat. Als erstes (und vielleicht wichtigstes) in dieser imagebewussten Kategorie hebt sich die Pan America durch ihr klares Erscheinungsbild von ihren robusten Konkurrenten ab. Harley sagt, dass das Styling mit der Designsprache der Marke übereinstimmt.

Es gibt aber auch ein visuelles Gefühl, das sich vom gewohnten Look abhebt: blockige Formen, bedrohliche Scheinwerfer mit einem sekundären Streifen aus schräglagenempfindlichen, adaptiven Scheinwerfern, die von der Fat Bob inspiriert sind, und Verkleidungsanleihen von der Road Glide, wobei die LEDs des Motorrads oben positioniert sind, und eine imposante Stämmigkeit, die jeden Versuch, hübsch zu sein, außer Acht lässt.

Beim Motor ist der Name Programm

Natürlich ist die wichtigste Komponente nicht das Aussehen, sondern der völlig neue Revolution Max-Motor. Der flüssigkeitsgekühlte, 1.252 ccm große 60-Grad-V-Twin hat die gleiche Bohrung und den gleichen Hub wie die verstorbene V-Rod. Hat aber abgesehen von den Abmessungen so gut wie nichts mit einem aktuellen Harley-Motor gemeinsam.

Ausgestattet mit zwei obenliegenden Nockenwellen, variabler Ventilsteuerung und einem hohen Verdichtungsverhältnis von 13,1:1 benötigt der Motor mit vollem Gewichtsausgleich Premium-Kraftstoff (Tanken in Subsahara-Afrika? Schwierig!), liefert aber satte 152 PS bei 9.000 U/min und 128 Nm bei 6.750 U/min.

Das sind mehr PS, aber weniger Drehmoment als die 136 PS/143 Nm der BMW R 1250 GS, aber deutlich weniger als die 160 PS/140 Nm der KTM mit dem Hot-Rod-Motor. Der Harley-Motor ist mit einem Sechsgang-Getriebe verbunden, das zum Zeitpunkt der Markteinführung noch nicht mit einem Quickshifter erhältlich ist.

Die Standard-Pan America (15.995 Euro) verfügt über eine voll einstellbare Vorder- und Hinterradaufhängung, während die Pan America Special (17.995 Euro) zusätzlich eine semi-aktive Vorder- und Hinterradaufhängung, einen abenteuerfreundlichen Unterfahrschutz, Handprotektoren, adaptive Scheinwerfer, einen Lenkungsdämpfer, Reifendruckkontrollen und einen Mittelständer bietet.

Eine Reihe anderer elektronischer Funktionen wie die Schleppmoment-Schlupfregelung gehören ebenfalls zur Standardausstattung. Unsere zweitägige Fahrt durch die kalifornische Mojave fand ausschließlich mit Specials statt, die mit den optionalen schlauchlosen Speichenrädern (500 Euro) und der adaptiven Fahrhöhe ausgestattet waren.

Letztere ist ein 660 Euro teures Hightech-System, das Geschwindigkeits- und Kreisel-Algorithmen nutzt, um die Federung subtil um 1 bis 2 Zentimeter abzusenken, wenn der Fahrer zum Stoppen ausrollt, um den Boden leichter zu erreichen.

Sie kommt Ihrer Größe entgegen

Harley ist sich bewusst, dass die Sattelhöhe ein entscheidendes Thema bei Adventure-Bike-KäuferInnen ist und bietet neben dem adaptiven Fahrhöhen-System eine Vielzahl von Lösungen an. Wie hoch ist also die Sitzhöhe auf der Harley Pan America? Nun, das hängt von einigen Faktoren ab: Das Standardmodell, gepaart mit einer optionalen niedrigen Sitzbank, bringt die minimale Sattelhöhe auf 76,5 cm, wobei die Position der Sitzbank um 2,5 cm erhöht werden kann. Die Special kann nur bis 79 cm absinken, oder mit einem optionalen Hochsitz bis zu 84 cm bieten.

Wenn Sie auf die Pan Am aufsteigen, werden Sie von einem 6,8-Zoll-TFT-Touchscreen, einer Reihe von Schaltern und einer verstellbaren Windschutzscheibe begrüßt. Das TFT zeigt einen großen virtuellen Drehzahlmesser mit einer diskreten Drehzahlanzeige, die von anpassbaren Feldern umgeben ist, welche eine überraschend kleine Schrift verwenden.

Halten Sie die Display-Taste gedrückt und der Bildschirm kehrt sein Schwarz-auf-Weiß-Schema um, um ein etwas kontrastreicheres Layout zu präsentieren. Die Bluetooth-Verbindung kann über die Harley-Davidson-App hergestellt werden.

Obwohl die Sitzposition für die meisten bequem ist (ein 1,80 m großer Fahrer in unserer Gruppe brauchte ein wenig, bis er sich wohl fühlte), sind einige der Bedienelemente etwas unbeholfen: Der Startknopf/Abschaltknopf ist merkwürdigerweise oben am rechten Griff positioniert, der Blinkerschalter erfordert ein wenig Reichweite und deaktiviert sich, wenn er ein zweites Mal angetippt wird. Der Ständer kann sich mit der automatisch absenkenden Federung zu niedrig anfühlen, bis das Motorrad komplett auf der Seite liegt.

Gleichmäßig, kultiviert, bassig

Der Revolution Max-Motor springt mit dem typischen Harley-Dröhnen an, dessen Klang durch einen Screamin' Eagle-Titanauspuff akzentuiert wird und der rund drei Kilogramm an Masse einspart. Anstelle des vertrauten Kartoffelklangs ihrer Milwaukee 8 Cousins ist der Sound des Revolution Max etwas gleichmäßiger und kultivierter und bietet eine Bassnote, die präsent, aber nicht aufdringlich laut ist.

Mit einem Gewicht von 245 kg (258 kg in der Spezialausführung) fühlt sich die Pan America schon beim Anheben vom Seitenständer kräftig an. Wenn man das Gas aufdreht, kommt sie gut aus den Startlöchern und der sanft drehende V-Twin ab etwa 2.500 Umdrehungen pro Minute in Schwung.

Der Harley-Motor hat zwar nicht den ruppigen Schub im unteren Drehzahlbereich wie der 1250er-Boxer von BMW, dafür aber einen gesunden Mittelbereich und einen noch stärkeren Durchzug bei Höchstdrehzahl. Der Schub im oberen Drehzahlbereich ist überraschend, vor allem bei einer Marke, die für luftgekühlte Motoren mit niedrigen Drehzahlen bekannt ist.

Der Kupplungshebel ist leichtgängig und die Sechsgang-Schaltung schaltet mit knackiger Präzision durch die Gänge, obwohl der Eifer des Motors uns wünschen lässt, dass eine Schnellschaltoption für eine nahtlosere Beschleunigung verfügbar wäre.

Fünf Fahrmodi für hohe Variabilität

Zu den Fahrmodi gehören "Road", "Sport" und "Rain", sowie "Offroad" und "Offroad+". Die letztgenannte Einstellung ist die am wenigsten einschränkende. Unabhängig anpassbare Modi ermöglichen auch die individuelle Kalibrierung des Gaspedal-Mappings, der Motorbremse, des ABS, der Traktionskontrolle und der Dämpfungseinstellungen der Federung.

Dies bietet eine breite Palette von Variablen, mit denen FahrerInnen das Verhalten des Motorrads an den eigenen Fahrstil anpassen können. Beim Cruisen auf dem Asphalt fühlt sich die Pan Am trittsicher und geschmeidig an und lässt sich schnell und souverän fahren.

Die Gasannahme ist im Sport-Modus weniger sirupartig und die kultivierteren Manieren des Road-Modus machen es einfacher, sanft zu fahren. Unsere Kilometer auf der Autobahn waren zwar relativ ruhig, zeigten aber einen guten Windschutz und minimale Ermüdung durch die üblichen Harley-Patzer wie klapprige Griffe oder ohrenbetäubende Auspuffanlagen.

Unebenheiten werden gut weggesteckt, selbst mit den Speichenrädern, die rund 6,4 kg mehr ungefederte Masse mitbringen als ihre Gegenstücke aus Aluminiumguss. Die gekoppelten, schräglagenabhängigen Bremsen arbeiten mit gutem Hebelgefühl, und die Vierkolbenbremsen vorne haben genug Kraft, um eine ernsthafte Verzögerung zu bewirken. Die Ein-Kolben-Bremse hinten ist stark genug, um bei Bedarf einzeln betätigt zu werden oder um das Heck nach Belieben von der Straße zu schieben.

Die Fahrmodi können während der Fahrt umgeschaltet werden, wobei Offroad+ den Stillstand des Motorrads voraussetzt, da es die meisten elektronischen Helferlein freisetzt und die Pan America sich freier im Gelände bewegen kann. Bei ein paar kurzen Einsätzen im Gelände reagierte meine Pan Am so gut, wie man es von einem 1/4 Tonnen schweren Motorrad nur erwarten kann.

Ausgestattet mit Michelin Scorcher-Reifen während des ersten Tages, an dem ich hauptsächlich auf der Straße unterwegs war, und Michelin Anakee Wilds am zweiten Tag, an dem ich mehr im Gelände unterwegs war, fühlte sich die Harley für beide Fahrweisen gleichermaßen bereit.

Laut H-D wurde das Motorrad im Laufe von einer Million Testkilometern entwickelt, die zu gleichen Teilen auf Asphalt und Trail gefahren wurden. Einige der Entwicklungskilometer des Fahrwerks im Gelände wurden auf den LiveWire-Maultieren gesammelt, die von Ewan McGregor und Charley Boorman in der 2020 gedrehten Dokumentation Long Way Up gefahren wurden. Allerdings habe ich nicht den gesamten zweiten Tag damit verbracht, die Pan America im Gelände zu testen, weil, nun ja, ein ungeplanter Abstieg meine Pläne durchkreuzte.

Der (glimpfliche) Vorfall

Meine Erinnerungen an den Vorfall sind verschwommen - Erschütterungen haben die Angewohnheit, direkte Erinnerungen an den Zeitpunkt des Aufpralls zu verwischen - aber später erfuhr ich, dass unser Fahrtleiter und einige andere Fahrer die Pan Am auch auf einigen der sandigeren Trails ablegten, was mich zugegebenermaßen etwa fünf Prozent weniger schlimm über mein Missgeschick fühlen ließ.

Ich hatte das Glück, mit einer Ausrüstung ausgestattet zu sein, die mir half, weitaus schlimmere Verletzungen zu vermeiden: Ein Arai XD4 Helm, eine gepanzerte Alpinestars Revenant Jacke, eine Dainese D-Air Weste, die einen Airbag auslöste, der mich wahrscheinlich vor einem gebrochenen Brustkorb oder Schlimmerem bewahrte sowie gepanzerte Alpinestars Stiefel.

Am Ende des Tages schlägt sich die Harley-Davidson Pan America bemerkenswert gut in einem Feld von Motorrädern, die sich jahrelanger Evolution und ständiger Verfeinerung erfreuen durften. Sicherlich gibt es hier und da ein paar Kleinigkeiten - der Verstellmechanismus für die Windschutzscheibe kann etwas nervig sein, die Positionierung des Ständers ist nicht ideal, die Bildschirmgrafiken können schwer zu lesen sein und einige der Schalter müssen umständlich erreicht werden - aber die Basis ist solide und eindeutig ausgereift.

Von der Verfeinerung des Antriebsstrangs über die Variabilität der Federung bis hin zur Verfügbarkeit von entsprechendem ADV-fokussiertem Zubehör und von Rev'It entwickelter Fahrausrüstung ist die Pan America sehr gut sortiert.

Fazit

Harleys neue Pan America bietet eine vielversprechende amerikanische Adventure-Bike-Alternative, die sich in keiner Weise wie ein Kompromiss anfühlt. Unverwechselbare Optik, gut ausgeführte Technik und vielleicht am wichtigsten: Gefühlvoll, verweist sie auf die Flat-Track-Wurzeln der Marke, während sie H-D endlich über den Bereich der schwergewichtigen Cruiser hinaus und weit ins 21. Jahrhundert befördert.

Es ist zwar nicht abzusehen, wie lange der Adventure-Bike-Trend noch anhält, aber Harley-Davidsons Entwicklung der Pan America zu einem vielseitigen On- und Offroad-Bike spricht Bände für eine hoffentlich glänzende Zukunft der Marke.

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