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Kia Stinger GT (2021) im Test: Schöner Stachel

V6, 3,3 Liter Hubraum, 366 PS klingen nicht nur gut, sie sind es auch

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Vernunft ist gut. Aber muss sie alles dominieren? Zumindest beschleicht einen das Gefühl mit Blick auf die derzeitige Welle an Elektroautos. Zu 80 Prozent "Weiße Ware", die auch so sexy ist wie eben Kühlschränke und Waschmaschinen. Wo bleiben die Emotionen, der Enthusiasmus an tollem Design und echtem Motorenbau? 

Wie erfrischend ist da doch der Kia Stinger. Kia was? Womit wir beim größten Problem des 4,83 Meter langen Rivalen von Audi A7 und Co. sind: Kaum jemand kennt ihn, obwohl die Fließheck-Limousine schon seit 2017 auf dem Markt ist. Und auch die Verkäufe sind überschaubar, bis Ende 2020 fanden gut 3.000 Stinger ihre Liebhaber in Deutschland.

Was ist das?

Kia macht sein stärkstes Pferd im Stall fit für die Zukunft: Der Stinger präsentiert sich zum Modelljahr 2021 mit zahlreichen neuen Assistenzsystemen und großformatiger Kartennavigation inklusive der Online-Dienste UVO Connect. Darüber hinaus wurde das luxuriöse Interieur durch neue Details und Materialien weiter veredelt und auch im Außendesign gibt es kleine, aber markante Modifikationen.

Die mit Abstand meistgefragte Ausführung war hierzulande das GT-Modell mit 3,3-Liter-V6-Turbobenziner, Allradantrieb und serienmäßiger Vollausstattung. Künftig bietet der Hersteller den Stinger ausschließlich in dieser Topversion an, der kleine Benziner und der Diesel entfallen. Der Kia Stinger 3.3 T-GDI AWD GT leistet 366 PS (269 kW), mobilisiert ein maximales Drehmoment von 510 Nm, ist mit einem Acht-Stufen-Automatikgetriebe ausgestattet und sprintet in 5,4 Sekunden auf Tempo 100. 

Ist das nicht herrlich unvernünftig? Nix Plug-in-Hybrid, einfach ein großer Sechszylinder unter der wohlgeformten Haube. Apropos wohlgeformt: Auch mit Homer-Simpson-BMI sitzt man im Stinger gut, das Platzangebot lässt keine Wünsche offen. Klar, durch die Formgestaltung mit dem nach hinten abfallendem Dach ist die Kopffreiheit im Fond nicht riesig. Aber im Kia herrscht keine Enge. 406 bis 1.114 Liter Kofferraum sind keine Lagerhalle, für den Sommerurlaub sollte es dennoch reichen.

Verarbeitung und Materialien sind innen auf deutschem Niveau, Chromelemente werten das Ambiente ungemein auf. Besonders gut gefielen uns der Verzicht auf übertriebenes Mäusekino und Touchtasten-Terror. Um sich mit der Stinger-Bedienung vertraut zu machen, reichen zwei Minuten, tendenziell sogar weniger. En Pluspunkt verdient sich die gute Spracherkennung.

Eine interessante Neuerung ist der aktive Totwinkelassistent mit Monitoranzeige (Blind Spot View Monitor, BVM), der dem Fahrer direkten Einblick in die toten Winkel hinter dem Fahrzeug gibt. Sobald der Blinker gesetzt wird, erscheinen die Bilder der in die Außenspiegel integrierten Seitenkameras auf dem 17,8 cm (7 Zoll) großen Farbdisplay zwischen den analogen Rundinstrumenten des Cockpits.

Wie fährt er sich?

Mit kraftvollem Bass nimmt der 3,3-Liter-V6 seine Arbeit auf, verzichtbar ist die optionale Sportabgasanlage mit Klappensteuerung für saftige 2.599 Euro. Serienmäßig sind Allrad und eine 8-Gang-Automatik. Sie arbeitet diskret im Hintergrund, lediglich beim massiven Kickdown könnte sie etwas schneller agieren. 

Aber ansonsten: Sportlich, schnell und gemessen an seinen über 1,9 Tonnen Gewicht sogar recht agil zieht der Kia Stinger seine Runden. Dabei bleibt er auf der Autobahn im Comfort-Modus bei 130 km/h angenehm ruhig, die Automatik hält die Drehzahl niedrig, dazu passt der Federungskomfort. Aber wie die bereits 5,4 Sekunden auf Tempo 100 zeigen, kann die Limousine bei Bedarf auch anders. Man spürt die aktive Mitarbeit von Albert Biermann, einst bei BMW M, jetzt unter anderem für die N-Modelle bei Hyundai zuständig. 

Was kostet er?

Zunächst müssen wir ein Wort zum Verbrauch verlieren: Natürlich wollen 3,3 Liter Hubraum und 366 PS gut gefüttert werden. Oder wie es Bud Spencer sinngemäß sagte: Ohne Heu kann das beste Pferd nicht furzen. 11,7 Liter verbrauchte der Stinger während des Aufenthalts bei uns. 10,4 Liter gibt Kia nach dem WLTP-Zyklus an. Das erscheint machbar, aber den Wagen unter 10 zu bringen, dürfte nur mit ganz schlanken Gasfuß zu erreichen sein.

Trost spendet der Blick in die Preisliste: 57.900 Euro werden aufgerufen. Das klingt nicht wenig, aber beim Stinger herrscht annähernd Vollausstattung ab Werk. Die vier verfügbaren Extras (Polsterung in zwei Varianten, Glasdach, Sportabgasanlage) sind keine zwingende Notwendigkeit. 

Zum Vergleich ein Audi A5 Sportback (der A7 ist größer): Hier bringt es der S5 auf 354 PS, ist aber ein Diesel. Also doch A7, der als 55 TFSI mit 340 PS recht gut ins Bild passt. Grundpreis: 69.590 Euro. Also geschmeidige 11.600 (!) Euro teurer als der Kia Stinger. Für die Differenz können Sie beim Kia-Händler mit Geschick einen Basis-Picanto bekommen.  

Fazit: 8,5/10

Der beste BMW, den Kia je gebaut hat. Mit einem immer noch tollen Design und absolut überzeugender Preisgestaltung. Schon jetzt ist der Stinger ein moderner Klassiker, der viel mehr Käufer verdient hätte. Tipp: Gebraucht ist er genauso schön und auch noch als Diesel und mit kleinem Vierzylinder-Benziner verfügbar.

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