Ein großer V8, kombiniert mit E-Antrieb: Ergibt das Sinn?
Nicht weniger als zehn Plug-in-Hybride hat Porsche demnächst im Angebot, und das nicht ohne Grund: Beim Panamera liegt die Hybridquote in Europa bei stattlichen 67 Prozent. Neu hinzu kommen nun der Cayenne Turbo S E-Hybrid und das Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupé. Wir haben das 680 PS starke Coupé getestet.
Porsche hat zwei Plug-in-Hybridantriebe: den E-Hybrid auf Basis eines V6 und den Turbo S E-Hybrid auf Basis eines V8. Das letztgenannte System kommt nun auch in den Cayenne und das neue Cayenne Coupé. Es beruht auf dem 4,0-Liter-Biturbo-V8 mit 550 PS aus dem Cayenne Turbo. Noch oben drauf kommt eine 136 PS starke Elektromaschine, die ins Getriebe eingebaut wird. So ergibt sich eine Systemleistung von 680 PS und ein System-Drehmoment von 900 Newtonmeter. Schon an diesen Zahlen erkennt man: Hier geht es mehr um Tuning als um Spritsparen.
Mein Schlüsselerlebnis habe ich, als ich an einer Einmündung nach links auf eine größere Landstraße abbiege und mich dabei in den starken Verkehr einfädeln muss. Um durch die Lücke zu stoßen, gebe ich Vollgas und breche instinktiv in ein leicht verrückt klingendes Lachen aus: Der nicht eben kleine Cayenne legt los, dass es mich und meinen erschrockenen Kollegen in die Polster presst wie bei einem Sportwagen.
Wie ein ungleiches Pärchen sich gegenseitig ergänzt, so arbeiten in diesem Auto E-Motor und V8 zusammen. Die Elektromaschine bietet viel Drehmoment (400 Newtonmeter) vom Start weg, der V8 zeigt seine Stärke primär bei höheren Drehzahlen. Der E-Motor wird von Porsche als elektrischer Zusatzturbo bezeichnet, was technisch natürlich nicht ganz korrekt ist, aber die Wirkung verdeutlicht: Er hilft vor allem beim Start.
Doch fährt der Wagen im Elektromodus bis zu 135 km/h schnell. Sehr effizient ist das allerdings nicht, und daher schaltet sich im Hybridmodus der Verbrenner schon deutlich früher zu, wie mir Porsche-Cayenne-Antriebsexperte Friedemann Heller erklärt. Im E-Modus zu sprinten hat nicht viel Sinn, da man natürlich nur 136 PS hat, aber die 400 Newtonmeter Drehmoment sind sehr gut, wenn man losfahren oder moderat beschleunigen will. Braucht man mehr Leistung, latscht man halt aufs Pedal, und der V8 springt an.
Gute Frage. Vom Start an läuft der Countdown rückwärts: Der Elektromotor hilft natürlich nur so lange mit, bis die Batterie leer ist, und das ist schon nach etwa 40 Kilometer der Fall. Eine Reichweitenerhöhung durch verbesserte Batteriezellen, die bei Audi und VW schon in Serie ging, ist auch bei Porsche in Vorbereitung, verrät mir Baureihensprecher Ben Weinberger.
[Ursprünglich hieß es hier: "Die Reichweitenerhöhung auf rund 70 Kilometer, die bei Audi und VW schon in Serie ging, wird bei Porsche auch kommen, verrät mir Baureihensprecher Ben Weinberger." Das entspricht nach Angaben von Weinberger nicht seinen Äußerungen. Mit einer erhöhten Reichweite sei so bald nicht zu rechnen. Wir haben den Satz am 3. September 2019 korrigiert.]
Bei meiner Testfahrt aber steht die Anzeige der elektrischen Restreichweite schon bald auf "---". Und bewegt sich davon auch nicht mehr weg. Rekuperiert der nicht, fragt mein mitfahrender Kollege. Ich bremse mehrfach stark ab, um den Akku wieder zu laden, doch ohne Erfolg.
"Wir bauen keine zusätzliche Reichweite auf", bestätigt später Antriebsexperte Heller. "Das wäre ineffizient." Wie viel verbraucht das Auto dann, wenn der Akku leer ist, frage ich. So viel wie ein Cayenne Turbo? Das wären immerhin elf Liter ...
So ähnlich, meint Heller. einen konkreten Wert kann er mir nicht nennen. Als ich vermute, dass der Verbrauch wegen des Zusatzgewichts der Elektrokomponenten noch höher liegen wird als beim Turbo, widerspricht Antriebsexperte Heller: Auch wenn die Anzeige auf "---" steht, ist noch Strom drin. "Wir rollen immer elektrisch an. Außerdem schalten wir den V8 ab, wann immer es geht, auch schon, wenn Sie bei 80 km/h vom Gas gehen. Das spart Sprit."
Trotzdem: Wenn der Akku leer ist, hat man nicht viel mehr Auto unter dem Hintern als einen Cayenne Turbo. Kümmerliche 550 PS also nur noch. Natürlich ist das mehr als man "braucht", aber spürbar ist der nachlassende Vortrieb schon.
Einstellen kann man eine ganze Menge. So gibt es einen Drehknopf am Lenkrad, mit dem man zwischen E-Modus, Hybridmodus und Sportmodi hin- und herschalten kann. Der aus anderen Porsche-Modellen bekannte Drehknopf gehört zum hier serienmäßigen "Sport Chrono Paket". Wenn man die Batterieladung erhöhen will, kann man zum Beispiel den Sportmodus aktivieren, erklärt mir Heller.
Ich erzähle Heller vom B-Modus des Passat GTE und frage, ob man auch beim Cayenne Turbo S E-Hybrid eine stärkere Rekuperation aktivieren kann. Nein, sagt er, wir regeln das rein automatisch. Es wird immer das Maximum an Rekuperation eingesetzt. Wenn die so erzeugte Bremsleistung nicht ausreicht, kommt die mechanische Bremse dazu. Warum macht VW das dann nicht auch so, frage ich. Der Regel-Aufwand ist um ein Vielfaches höher, so Hellers Antwort. Ich übersetze das so: Ein Premium-Produkt wie der Porsche kann dem Fahrer diese Arbeit abnehmen, ein popeliger Passat (sorry, VW) zum Volkswagen-Preis dagegen nicht.
Das habe ich auch gefragt, als die geballte Ingenieurskompetenz von Porsche um mich herumsaß. Sagt man dem Kunden allen Ernstes, er solle 90 Prozent seiner Strecken (das Pendeln zur Arbeit, die Touren zum Supermarkt, zum Kindergarten und so weiter) rein elektrisch zurücklegen und dabei den schweren V8 mitschleppen, nur um einmal im Monat mit dem V8 die Sau herauslassen zu können? Gesamtfahrzeug-Projektleiter Rico Löscher meint: Es hat auch nicht viel Sinn, mit einer großen Batterie in der Stadt herumzufahren, wenn man nur einen kleinen Teil der Kapazität ausnutzen. und eine Batterie hat in puncto Rohstoffe einen viel größeren Fußabdruck als so ein V8. Da hat er recht. Was aber eher gegen das Tesla Model S als Stadtauto spricht als für das V8-Hybridsystem des Cayenne ...
Nun, der Cayenne und das Cayenne Coupé sind natürlich vollgestopft mit Technik. Hinterachslenkung, Luftfederung, adaptive Dämpfer, Wankstabilisierung, Fahrmodi, Head-up-Display, Assistenzsysteme und so weiter, und so fort. All das zu erforschen, blieb mir bei meinem Testtermin keine Zeit. Aber die Displays sind riesig und sehr brillant, das Head-up-Display zeigt deutlich mehr Informationen an als bei Autos der kleineren Klassen, zum Beispiel auch die Spur, die man zum Abbiegen nehmen sollte.
Neu war mir auch, dass nun auch für Starterbatterien Lithium-Ionen-Technik zum Einsatz kommt. Der Cayenne (nicht nur die PHEV-Versionen) hat eine Lithium-Ionen-Batterie, wie mir Elektrik-Experte Dirk Asfalg erklärt. Diese Batterie ist leichter und kleiner als konventionelle Blei-Säure-Batterien oder AGM-Batterien.
Der Abstandstempomat in Kombination mit der Spurmittenführung funktionierte gut (nachdem mir ein Porsche-Kundiger gezeigt hatte, wo im Menü letztere aktiviert werden muss. Was ich nicht gefunden habe, ist die Koppelung mit der Verkehrszeichenerkennung, bei der das aktuell geltende Tempolimit nicht nur angezeigt, sondern als Vorgabe für den Abstandstempomaten verwendet wird.
Der Kofferraum ist bei der Plug-in-Version des Cayenne Coupé natürlich kleiner, und zwar erheblich. 500 bis 1.441 Liter stehen für die PHEV-Version im Datenblatt, das normale Cayenne Coupé packt 625 bis 1.540 Liter. "Der Ladeboden liegt bei der Plug-in-Version ein paar Zentimeter höher", erklärt mir Baureihen-Sprecher Ben Weinberger. Außerdem geht Kofferraum verloren, weil unter dem Ladeboden kein Platz mehr ist, weil da die serienmäßige Soundanlage untergebracht ist."
Später frage ich Antriebsexperte Heller nach der Lage der Batterie. Die liegt unter dem Kofferraum, sagt er. "Man kann sie sehen, wenn man den Ladeboden im Ganzen herauszieht. Dann sehen Sie die Soundanlage und dahinter (von Ihnen aus gesehen) liegt der Akku."
Durch die serienmäßige Luftfederung kann man das Auto zum Beladen absenken. Dazu gibt es hinten rechts im Kofferraum zwei Tasten.
Die Zuladung liegt bei nur 485 Kilo, wobei der Fahrer hier nicht mehr mitzählt (da nach EU-Norm 75 Kilo für den Fahrer schon im Leergewicht enthalten sind). Wenn man drei 75-Kilo-Personen einlädt, bleiben noch 260 Kilo für Gepäck. Nun ja, das wird für die meisten Fälle ausreichen. Positiv überrascht war ich von der zugelassenen Zugkraft: Es sind nicht weniger als drei Tonnen! VW war beim Passat GTE schon stolz auf seine 1,6 Tonnen, aber drei Tonnen, das ist mit normalen Anhängern kaum zu schaffen.
Ebenfalls positiv überrascht hat mich auch der Platz im Fond: Ich sitze sehr gut, und trotz der hinten abgesenkten Dachlinie (die die Optik deutlich sportlicher und schicker macht) bleiben über meinem Kopf noch rund acht bis zehn Zentimeter. Den Grund erfahre ich später von Löscher: Die Sitzbank liegt beim Coupé drei Zentimeter tiefer als beim normalen Cayenne.
Der Vortrieb des Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupé ist vehement, die Zusammenarbeit von E-Motor und V8 bringt erstaunliche Ergebnisse. Aber nur, solange die Batterie voll ist. Danach lässt der Vortrieb nach. Und der Spritverbrauch geht nach oben, in Richtung 11 Liter.
Wenn es nach den Herstellern geht, fährt man ein PHEV unter der Woche rein elektrisch und nutzt den Verbrenner nur gelegentlich mal zum Überholen oder für den Wochenendausflug. Mein Verdacht ist: Die Kunden halten sich nicht daran. Schon gar nicht die Porsche-Kunden, denn wer einen V8 bezahlt, will ihn auch nutzen und nicht nur mitschleppen. Nein, ein Öko-Musterknabe ist das Auto nicht. Der Elektromotor wird eingebaut, um dem Kunden mehr Leistung zu bieten und dem Hersteller (auf dem Papier) niedrige CO2-Flottenwerte zu bescheren.
Ansonsten beeindruckt das Cayenne Coupé mit seiner Technik, dem guten Innenraumangebot und den Fahreigenschaften. Und nicht zuletzt der aufwendigeren Regeltechnik, die dem Fahrer so manche Denkarbeit abnimmt, zum Beispiel die Wahl der Rekuperationsstufe.
+ sehr vehementer Vortrieb, gute Fahreigenschaften, gut nutzbarer Kofferraum, viel Technik, überlegene Rekuperations-Regeltechnik und dadurch weniger Modi als beim Passat GTE
- geringe elektrische Reichweite, hoher Verbrauch mit leerer Batterie, kleiner Kofferraum