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Toyota bZ4X AWD im Test: Besser als andere Mittelklasse-SUVs?

Wir haben Toyotas bZ-Erstling rund um Kopenhagen gefahren ? und waren positiv überrascht

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Der bZ4X ist nicht der erste reine Elektro-Toyota. Diese Ehre gebührt wohl dem Elektro-CH-R für China, und hierzulande gibt es auch noch den Elektro-Lieferwagen ProAce Electric. Aber der bZ4X ist das erste Toyota-Modell auf Basis der dedizierten Elektroauto-Plattform e-TNGA, und das erste Modell der neuen Submarke bZ, was für beyond Zero steht. Wir haben nun den Allradler in Kopenhagen getestet.

Der Toyota bZ4X ist eine komplette Neuentwicklung, auch wenn er sich einige Komponenten mit der Plattform TNGA-K teilt, auf dem der praktisch gleich große RAV4 beruht. Mit 4,69 Meter Länge gehört der bZ-Erstling in die Mittelklasse; er konkurriert mit Modellen wie dem VW ID.4, Skoda Enyaq, Ford Mustang Mach-E, Tesla Model Y. Die Konkurrenz ist zahlreich und stark, doch dazu später mehr.

150 oder 160 kW: Antriebsleistung durch Akku begrenzt

Den bZ4X gibt es als Fronttriebler und als Allradler, wobei die Systemleistungen seltsam nahe beieinander liegen: 150 kW sind es beim Fronttriebler, 160 kW beim Allradler. Das kommt offenbar daher, dass die Batterie nicht mehr Leistung abgeben kann, wie bei Toyota zu hören ist. Alle Aggregate sind "AC-Synchronmotoren", also wohl Permanentmagnetmaschinen (PSM).

Die Batterie kommt von einem Joint Venture zwischen Toyota und Panasonic namens Prime Planet Energy and Solutions. Zur Chemie konnten wir Chefingenieur Daisuke Ido bei der Veranstaltung nur wenig abringen. Es handelt sich um prismatische Zellen, die auch zur Karosserieverstärkung eingesetzt werden - in dem Sinne einer structural battery, wie Tesla das nennt. Zur Chemie wollte oder konnte Ido nur sagen, dass seines Wissens Cobalt enthalten sei - es handelt sich also wohl um eine NMC-Chemie (Nickel, Mangan, Cobalt) oder einen NCA-Akku (Nickel, Aluminium, Cobalt).

10 Jahre Batteriegarantie

Der angegebene Wert von 71 kWh ist die Bruttokapazität; den nutzbaren Energieinhalt kommuniziere man nicht, so Ido. Vermutlich ist die Differenz zur Gesamtkapazität eher hoch, denn Batterie wurde eindeutig auf Langlebigkeit hin optimiert, und da hilft ein großer Puffer. So garantiert Toyota 70 Prozent der Kapazität bis zu einer Million Kilometern und 10 Jahren - so viel Garantie auf die Batterie gibt sonst wohl kein Hersteller.

Vermutlich ist Toyota (wie viele Autohersteller) bei der Nettokapazität anfangs lieber vorsichtig und steigert sie lieber nachträglich. Dazu wird allerdings ein Werkstattbesuch oder zumindest ein manuelles Update nötig sein, denn Over-the-Air-Updates bietet der bZ4X laut Ido nur fürs Infotainment und die Assistenzsysteme, aber nicht für die Batteriesteuerung.

Aufladen anfangs nur mit 6,6 kW, ab Herbst mit 11 kW

Aufgeladen wird der Akku mit bis zu 150 kW Gleichstrom, was bei einem Ladehub von 0 bis 80 Prozent etwa 30 Minuten dauern soll. Mit Wechselstrom lassen sich die ersten ausgelieferten bZ4X nur einphasig mit maximal 6,6 kW aufladen, ab Herbst wird dann ein dreiphasiger 11-kW-Bordlader eingebaut.

Nun aber endlich zu unseren Eindrücken. Außen wirkt der Toyota bZ4X ziemlich massig, wenn er neben einem Kompaktwagen steht. Aber dies ist nun mal ein Mittelklasse-SUV, und wenn der Wagen neben einem ID.4 parkt, ist leicht zu sehen, dass diese Fahrzeuge in die gleiche Klasse gehören. Das kantige Design (mit etwas langweiligem Heck) ist für unseren Geschmack okay. Kein Grund jedenfalls, das Auto abzulehnen, wenn auch kein wirkliches Plus. Ein Model Y sieht deutlich seltsamer aus, ein Ioniq 5 aber viel, viel besser.

Cockpit: Kleines Lenkrad und eine Art Head-up-Display

Innen fällt zuerst die etwas schrullige Instrumentierung auf: Ähnlich wie Peugeot beim e-208 positioniert Toyota das Display weit oben, man guckt also über das Lenkrad drüber auf die Anzeigen. Klein Gewachsene müssen das Steuer dann schon mal niedriger als gewohnt einstellen als gewohnt; für mich als 1,76 Meter großen Fahrer war die Geometrie aber kein Problem.

Das Lenkrad wirkt vergleichsweise klein, was mich (wie beim 208) schon manchmal zu etwas sportlicherem Fahren hinreißt: Das Lenken macht richtig Spaß - ein Wort, das mir sonst bei Toyota-Modellen eher selten eingefallen ist.

Noch verstärken könnte sich dieser Eindruck, wenn 2023 ein Steuerhorn und eine Steer-by-Wire-Lenkung eingeführt wird - vermutlich mit großer Lenkübersetzung bei niedrigem Tempo (damit man nicht umgreifen muss) und kleiner Übersetzung fürs schnurgerade Fahren auf der Autobahn. Wir sind allerdings gespannt, wie dieses Feature bei traditionell eingestellten Fahrerinnen und Fahrern in Deutschland ankommt.

Der Sitzkomfort im Fond ist gut; an Knie- und Kopffreiheit fehlt es für mich als 1,76 Meter großen Insassen nicht. Allenfalls stehen die Oberschenkel ein wenig nach oben, was ein Elektroauto-typisches Problem ist, das durch die doch relativ hohe Batterie im Fahrzeugboden bedingt ist.

Der Kofferraum bietet mit 452 Litern eher wenig Volumen; in einen Skoda Enyaq passen 585-1.710 Liter. Der Ladeboden liegt etwas hoch, zudem engen die Radkästen den zur Verfügung stehenden Raum etwas ein.

Ein Toyota mit Fahrspaß

Überraschend viel Spaß macht auch der Antrieb. Der bZ4X AWD hat mehr Schwung als alle Toyotas, die ich bisher gefahren habe, und das sind nicht wenige. In der Verbrenner-Welt weigerte sich Toyota lange Jahre schwungvolle Turbobenziner anzubieten, und auch die Hybride brillieren zwar beim Verbrauch, aber kaum beim Fahrspaß. Ganz anders ist das beim bZ4X, was einen Lichtblick für die Marke darstellt, die ja noch etliche bZ-Elektroautos bringen will. Hier geht es wirklich mit viel Druck voran, es drückt einen in den Sitz, wenn man das Gas durchdrückt. Tatsächlich, ein Toyota, der Spaß macht!

Ob der nur 10 kW schwächere Fronttriebler weniger Laune macht? Wir wissen es nicht, aber was den Beschleunigungseindruck angeht, zählt erfahrungsgemäß Drehmoment mehr als Leistung. Und da ist Allradversion mit 336 Nm gegenüber 265 Nm deutlicher vorn.

Etwas hartes Fahrwerk und kein echtes One-Pedal-Driving

Das Fahrwerk haben die Ingenieurinnen und Techniker von Toyota offenbar wegen der schweren Batterie etwas hart ausgelegt; es ist nicht sehr komfortabel, aber wirklich gestört hat uns das nicht - wobei wir aber auch keine langen Autobahnetappen gefahren sind.

Schade allerdings, dass der bZ4X den Ladestand nur als Balken anzeigt, nicht als Prozentwert. Und das Navigationssystem funktioniert zwar problemlos und zeigt auch willig die Ladesäulen in der Umgebung an. Es bietet aber keinerlei Unterstützung an, wenn es um die Ladestrategie für längere Strecken geht. Wir gaben München als Ziel ein und erhielten eine fast 1.000 km lange Route, aber keine Vorschläge, wo wir zum Laden stoppen sollten.

Weiterer Nachteil: Echtes One-Pedal-Driving wie etwa beim Ioniq 5 ist nicht möglich; das Auto hat einen Kriechgang und lässt sich allein durch Gaswegnehmen nicht zum Stillstand bringen. Um den starken Rekuperationsmodus zu aktivieren, muss eine Taste in der Mittelkonsole gedrückt werden, denn Lenkradwippen hat der bZ4X nicht. Generell ist die Bedienung unkompliziert; anders als bei Tesla oder beim Mach-E gibt es für vieles physische Tasten - ein Sicherheitsplus.

18 kWh Verbrauch: Niedrig, aber beileibe kein Rekord

Auf den Straßen durch Kopenhagen und darum herum konnten wir selten mal schneller als 60 km/h fahren; bei einer Gelegenheit beschleunigten wir aber auf 120 km/h, wobei uns kein Nachlassen des Vorwärtsdrangs auffiel. Quittung der im Ganzen recht beschaulichen Fahrt waren niedrige Verbräuche um die 17 kWh/100 km - das ist sogar eine Kilowattstunde weniger als nach WLTP-Norm (18,0 kWh).

Den geringen Stromverbrauch führt Toyota auch an, wenn es darum geht, ein Alleinstellungsmerkmal anzugeben. Die 16,6 kWh des Fronttrieblers sind in der Tat gut, ein Enyaq 80 wird mit 16,3 kWh angegeben, ein Mustang Mach-E 2WD Standard Range mit 17,2 kWh. Die 18 kWh des Allradlers sind zwar okay, aber weit entfernt von Rekorden. Das mehr als doppelt so starke Tesla Model Y Performance kommt mit 17,1 kWh aus.

So schafft der bZ4X AWD denn nach WLTP auch nur 415 km mit einer Ladung, was wohl auch von den 20-Zöllern kommt, die die Allradversion serienmäßig besitzt. Bei der wichtigsten Zahl für ein Elektroauto überhaupt kann der Toyota mit der Konkurrenz nicht mithalten, wie der Vergleich mit Nissan Ariya, Hyundai Ioniq 5 und Tesla Model Y belegt. Ähnliches gilt für andere Schlüsseleigenschaften (bessere Werte gefettet):

Die drei oben gezeigten Rivalen sind nur eine kleine Auswahl; zur Konkurrenz gehören auch der Ford Mustang Mach-E, der Kia EV6, der (derzeit nicht konfigurierbare) Skoda Enyaq 80x, der MG Marvel-E und der Aiways U5. Eine nach Länge geordnete Übersicht über alle Elektro-SUVs auf dem Markt finden Sie in unserem Special:

Preise: Allradler 12.000 Euro teurer als Basisversion

Der bZ4X ist ab 2. Juli im Handel, die Lieferzeit soll je nach Ausstattung bei 3 bis 4 Monaten liegen. Im restlichen Jahr 2022 will Toyota in Deutschland 2.600 bis 3.000 Stück verkaufen, 900 Stück wurden bereits blind bestellt. Das heißt, wer demnächst einen bZ4X ordert, bekommt das Auto wohl noch dieses Jahr, auch wenn es dafür keine Garantie vom Hersteller gibt. Wer früh bestellen will, sollte auch bedenken, dass er wohl den langsamen 6,6-kW-Bordlader erhält.

Die Preise für den Toyota bZ4X beginnen bei 47.940 Euro, für den Allradler zahlt man jedoch mindestens 59.990 Euro. Der enorme Preisunterschied der leistungsmäßig eng beieinander liegenden Versionen kommt daher, dass der Allradler nur in der Topausstattung zu haben ist. Ausstattungsbereinigt liegt der Unterschied bei eher nachvollziehbaren 3.000 Euro.

Fazit: Ein großer Schritt für Toyota, aber ...

Der Toyota bZ4X AWD hat uns in Sachen Fahrspaß positiv überrascht: Auch mit "nur" 160 kW fühlt sich das neue Elektro-SUV sehr schwungvoll an. Für die Marke ist das Auto mithin ein großer Schritt nach vorne.

Allerdings gibt es gerade bei Elektro-SUVs um die 4,70 Meter Länge so viele Konkurrenten, dass sich der bZ-Erstling schwer tut, positiv herauszustechen. Nur bei der Batteriegarantie liegt der Wagen vorne, und die zählt am Stammtisch deutlich weniger als Reichweite, Antriebsleistung und Sprintwert.

Hinzu kommt der hohe Preis des Allradlers: 60.000 Euro sind auch für ein Elektro-SUV dieser Größe viel Holz. Zum viel günstigeren Fronttriebler können wir nicht aber auch nicht unbedingt raten. Nicht nur, weil wir ihn nicht gefahren haben, sondern auch, weil der Drehmomentwert deutlich niedriger liegt. Insgesamt fühlen wir uns verleitet, das Diktum von Mondfahrer Neil Armstrong zu variieren: ein großer Schritt für Toyota, aber ...


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