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Land Rover Defender (2020) im Test: Das Anti-SUV

Hat die Neuauflage das Zeug zur Legende?

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68 Jahre im Amt, sehr britisch, ein Relikt aus vergangenen Zeiten, doch längst Kult: Ob bei Queen Elizabeth II. oder beim Land Rover Defender, der jeweilige Thronfolger hat es in jedem Fall schwer. Wie Prinz Charles mit der Last der Legende umgehen wird, wissen wir nicht. Wohl aber Land Rover: Dort kommt in diesen Tagen der neue Defender zu den Händlern.

Er tritt kein leichtes Erbe an, nachdem der letzte Ur-Defender Ende 2016 vom Band rollte. Zunächst natürlich die Bürde des Namens: Defender bedeutet maximale Geländetauglichkeit, gerne auch am letzten Zipfel der Welt. Gleichzeitig soll die Neuauflage deutlich mehr Komfort bieten, sich aber optisch einigermaßen treu bleiben. Das klingt nach der Quadratur des Kreises. Wie Land Rover die Mammutaufgabe gemeistert hat, klärt unser erster Fahrbericht.

Komplett neu sieht er ja wirklich aus ...

Zur Verfügung stand uns zunächst nur der Land Rover Defender 110, so benannt nach seinem Radstand von 110 Inch gleich 3,02 Meter. Hierbei handelt es sich um den Fünftürer, der kürzere Defender 90 mit drei Türen folgt im Spätherbst 2020. Erstmals findet der Defender übrigens auch seinen Weg in die USA und nach China. Euro-Kunden müssen keine Brexit-Angst haben, der neue Defender wird im slowakischen Nitra gebaut.

Wie ist nun das Design? Aus Gründen der Sicherheit nicht mehr so extrem kantig wie beim Vorgänger. Aber der Defender bleibt so hoch wie breit, ergo ziemlich quadratisch. In meinen Augen hat Land Rover geschickt Retro-Elemente mit moderner Optik verknüpft. Fest steht: Aus der sonstigen, intern etwas verwechselbaren Modellpalette von Land Rover und Range Rover ragt der neue Defender wie ein Solitär heraus.

Ich nehme den Defender genauer in Augenschein: Die seitlich öffnende Hecktür mit dem Reserverad drauf erinnert an einst, ebenso die steil stehende Frontscheibe und die plane Motorhaube. Doch das war es auch schon mit den nostalgischen Zitaten. Das Cockpit ist sehr digital und sehr aufgeräumt, aber dennoch gut verständlich. Was innen vor allem auffällt: Das hervorragende Platzangebot, vor allem im Fond. Wer mag, kann übrigens vorne einen dritten Sitz in der Mitte ordern. 

Die verwendeten Materialien sind hingegen eher schlicht gehalten. Robuste Kunststoffe mögen Premium-verwöhnte Kunden irritieren, sind aber Absicht. Schließlich soll ein Defender auch innen durchgewischt werden können. Von einer Kehrwoche mit dem Kärcher würde ich aber schon wegen der Elektronik abraten ...

Fährt er sich deutlich besser als der Alte?

Um es vorwegzunehmen. Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Ich hatte den D240 AWD mit 2,0-Liter-Vierzylinder und 240 PS in den Fingern, eine 8-Gang-Automatik ist bei jedem Defender serienmäßig. 430 Newtonmeter Drehmoment schieben die Neuauflage souverän an, lediglich beim Ampelstart macht sich eine leichte Anfahrschwäche bemerkbar. 

Und trotz des Voll-Aluminium-Monocoque und der neu entwickelten D7x-Plattform, die zusammen Vertikalkräften von bis zu sieben Tonnen standhalten, wiegt der Defender D240 stramme 2,3 Tonnen (2,1 Tonnen waren es aber auch beim alten 110). Das spüre ich besonders in Kurven, allzu flott mag es der Landy hier nicht. Zudem ist die Lenkung nicht sonderlich präzise. Aber ein Defender fährt nicht AUF dem Nürburgring, sondern in der darin liegenden Eifel.

Fest steht auf jeden Fall: Der Defender schafft jetzt mühelos 150 km/h, ohne das man sich in einem Fischkutter bei Windstärke 12 wähnt. Leise gleitet der Wagen dahin, unterstützt von einem guten Federungskomfort, nur die Windgeräusche säuseln ins Ohr. Gleichzeitig sitzt man gefühlt im ersten Stockwerk.

Was kann er abseits des Asphalts?

Kulissenwechsel: Es geht ins Gelände. Und zwar nicht den Feldweg zur Wanderhütte. Sondern fieses Gefälle, Schräglagen und Wasserdurchfahrten. Viel Elektronik regelt die Zusammenarbeit vom zweistufigen Verteilergetriebe, dem sperrbaren Mittendifferenzial, dem Luftfahrwerk (maximal 291 Millimeter Bodenfreiheit) und dem optionalen aktivem Sperrdifferenzial hinten.

500 Millimeter beträgt die maximale Verschränkung, die Böschungswinkel liegen bei 38 und 40 Grad, 900 Millimeter Wattiefe ermöglichen die Autowäsche im Fluss. Ausgerüstet mit All-Terrain-Reifen meistert der neue Defender das uns zur Verfügung stehende Offroad-Gelände mühelos. Man merkt schnell: Die Möglichkeiten kommen hier nur ansatzweise zur Entfaltung.

Mein Tipp: Wenn Sie wirklich auf Abenteuer in der Natur stehen, nehmen Sie besser den kürzeren Defender 90. Den 5,02 Meter langen 110er muss man doch häufig mit Kamerahilfe um Stock und Stein zirkeln. Allerdings dürfte der Großteil aller neuen Defender eher Blankenese statt Bhutan sehen.

Bestimmt ein teurer Spaß, oder?

49.700 Euro kostet der günstigste 90er-Defender mit 200-PS-Diesel, der 110 beginnt bei 55.600 Euro. Unser D240 startet bei knapp 60.000 Euro. Kein Super-Schnäppchen, doch bereits der Basis-Defender ist ordentlich ausgestattet. Auch seine Gelände-Fähigkeiten sind ein Mehrwert. Ein Mercedes G 350d mit 286 PS etwa kostet über 90.000 Euro! Dafür bekommt man schon fast den Ober-Defender mit 400-PS-Benziner in Topausstattung.

Und auch der alte Defender war nichts für Sparfüchse, wie alte Preislisten zeigen. Nehmen wir die Liste vom Modelljahr 2015/2: Serie war ein 2,2-Liter-Diesel mit 122 PS. Der 110er begann bei 34.690 Euro mit minimalistischer Ausstattung. Klimaanlage? 1.690 Euro extra. Früher war vielleicht doch nicht alles besser.  

Fazit: 8/10

Der neue Land Rover Defender zeigt, wie gut Tradition und Moderne vereint worden sind. Die gusseisernen Liebhaber des alten Modells bleiben diesem wohl treu. Aber der Defender des 21. Jahrhunderts dürfte durch seine eindrucksvolle Spreizung von Langstreckenkultur und Geländefähigkeit frische Fans anlocken. Mit 3,5 Tonnen Anhängelast empfiehlt er sich zudem als Zugfahrzeug.

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