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Opel Kadett A (1962-65): 60 Jahre echt O.K.

Wie fährt sich der Urahn des Astra heute? Wir haben es ausprobiert

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Quadratisch, praktisch, gut. Die Rede ist aber nicht von einer bekannten Schokolade. Sondern von einem kaum minder berühmten Auto, das seinen Besitzern meist genauso gut geschmeckt hat: Der Opel Kadett A. A wie Anfang. Grundstein einer großen Familientradition, die bis zum heutigen Astra führt. 

Ohne den 1962, also vor 60 Jahren, vorgestellten Kadett A wäre die Marke Opel nicht das, was sie heute ist. Natürlich gab es auch Manta, Rekord, Diplomat und vieles mehr. Der Kadett A und seine Nachfolger waren das, was ihr ärgster Konkurrent im Namen trug: Wagen des Volkes. Schon der spätere Bundesaußenminister Joschka Fischer musste als junger Mann am Opel-Band feststellen: Der Arbeiter will nicht die Weltrevolution, sondern einen neuen Opel Kadett. 

Dazu passte ein Werbemotiv des Kadett A als Traumwagen des kleinen Mannes vor dessen neuem Häuschen. Gehen wir zurück in die späten 1950er-Jahre: Opel merkt, das im Modellprogramm etwas in der 1,2-Liter-Klasse fehlt. Der VW Käfer verkauft sich wie geschnitten Brot, auch Ford macht mit dem Taunus 12M gute Umsätze. Gleichzeitig steigen viele potenzielle Kunden vom Motorrad oder Kleinstwagen auf. 

Halbherzig versucht man in Rüsselsheim, den Rekord zum Opel 1200 abzuspecken. Aber solch eine Magerversion kommt nicht an. Otto Normalverbraucher will nicht offensichtlich im automobilen Sparbrötchen umherfahren, sondern es klein und anständig haben. Und so fangen die Ingenieure quasi beim weißen Blatt Papier an. 

Opel Kadett A (1962-65)

Eine Bezeichnung mit Tradition

Der Name für den neuen Einstiegs-Opel liegt nahe: Von 1936 bis 1940 gab es bereits einen kompakten Wagen der unteren Mittelklasse. Doch nach 1945 nahmen die Sowjets den Kadett und seine Produktionsanlagen mit und bauten ihn als Moskwitsch weiter. Was wohl passiert wäre, wenn man diesen ersten Kadett behalten hätte?

Aber der Nachteil wird sogar zum Vorteil: Opel verdient in den 1950ern gutes Geld mit Rekord, Kapitän und Nutzfahrzeugen wie dem Blitz. Beim neuen Kadett müssen die Ingenieure keine Rücksicht auf bestehende Technik nehmen. 1957 startet das Projekt "TL 700" als Anti-VW. 700, denn das Ziel war, unter 700 Kilogramm Leergewicht zu bleiben. Das sollte mit 670 kg klappen. 

Bei meinem Kontakt mit dem Kadett A in der Gegenwart merke ich, was das bedeutet: Das Auto lässt sich spielend leicht schieben. Unter der Haube hängt der neu konstruierte Motor fast verloren im restlichen Raum. Mit typischem Klang geht er an die Arbeit: 1,0 Liter Hubraum, 40 PS Leistung (48 PS bei der S-Version), ein Fallstromvergaser, dazu OHV-Ventiltechnik. 

Ein solides, technisch nicht aufwendiges Aggregat, dessen Grundzüge sich noch 20 Jahre später im ersten Opel Corsa wiederfinden. Viel wichtiger aber mit Blick auf den VW Käfer: Wasserkühlung und immer ein vollsynchronisiertes Viergang-Getriebe. 

Zweckmäßiger Zweitürer

Optisch folgt die Form der Funktion. Kastig wirkt sie, aber mit heutigem Nostalgie-Bonus auch knuffig. Mit hinteren Türen gab es den Kadett A nie, sie gab es erst beim B. Was aber Käfer-Umsteiger trotzdem schnell merkten: Ein anständiger Kofferraum und Platz für vier Personen. Auch dank kleiner 12-Zoll-Reifen.

Klar, so üppig wie im neuen Astra geht es im Kadett A nicht zu. Aber der ist mit 3,94 Meter auch kürzer als heute ein Corsa. Und mit nur 1,47 Meter richtig schmal. Klein, aber gemütlich. Da ich gerade über das Design rede: Bei der Präsentation vor GM-Führungskräften ließ einer die US-Manager die vordere Stoßstange kurzerhand um fünf Zentimeter höherlegen. 

Damit nicht genug: Clare M. MacKichan, der als erster echter Opel-Designchef 1962 antrat, urteilte zum Kadett A hart. Dieser sei kein Design, sondern ein Verbrechen. Auftrag an den späteren GT-Designer Erhard Schnell: Entwurf einer neuen Frontpartie. Gesagt, getan: Sie zierte ab 1963 das Kadett Coupé und ab Anfang 1964 auch "meine" Limousine in L-Ausführung. 

Optisch nimmt das geänderte Gesicht bereits die Grundzüge des Kadett B vorweg, der nach nur drei Jahren den Kadett A ablöste. Vermutlich stand Mister MacKichan der Sinn nach mehr Ästhetik, wenngleich die recht hohe Gürtellinie blieb. Natürlich ist der Kadett A mit seinen schmalen Dachpfosten licht und luftig, bleibt aber ohne Aquarium-Aussicht wie einige damalige Konkurrenten. Toll aber: Die hinteren Peilkanten machen das Einparken zum Kinderspiel.

Neues Auto, neue Fabrik

Wie ein Kinderspiel mutete auch der Bau der Kadett-Fabrik in Bochum an. Mitten im Strukturwandel des Ruhrgebiets konnte Opel günstig an viel Gelände kommen. In nur zwei Jahren entstand das Werk, in dem bis 2014 Millionen von Autos entstanden. Quasi die Tesla-Gigafactory des Wirtschaftswunders. 

Und wie fährt sich der Kadett A heute? Die Gänge wollen mit Gefühl per langem Schaltstock sortiert werden, denn sie liegen eng beieinander. Mir kommt es so vor, als hätten die Opel-Techniker einst eine Lenkradschaltung zwischen die Sitze montiert. Fröhlich gehen Auto und Fahrer ans Werk getreu dem Motto: Ein alter Mann ist kein D-Zug. Gelassen steigt der Balken im Tacho von Grün (bis 50 km/h) auf Orange (bis 100 km/h, dann rot), mehr als Tempo 80 muss heute nicht sein.

21,5 Sekunden braucht die L-Limousine mit ihren 48 PS auf 100 km/h, bei 130 ist Schicht im Schacht. In ihrem Baujahr 1964 hat das niemanden schockiert, schließlich war ein VW Käfer auch keine Rakete. Damalige Tester lobten die Laufruhe des Motors und fanden ihn sehr elastisch. Straßenlage? Verarbeitung? Mit Blick auf das zumeist positive Presseecho log die groß ausgerollte Werbung nicht: Opel Kadett - Kurz gesagt O.K.!

5.075 Mark kostete der Basis-Kadett vor 60 Jahren, der L bot für gut 500 DM eine feinere Ausstattung. Das lag nur unwesentlich über dem Käfer und die Kunden griffen zu: Bereits nach acht Monaten lief der 100.000ste Kadett vom Band. Insgesamt sollten es bis zum Wechsel zum Kadett B im August 1965 exakt 649.512 Exemplare werden.

Leider rottete der Rost den Bestand beim A fast komplett aus. Ab Werk hatte Opel keinen Rostschutz vorgesehen. Heute einen frühen Kadett, zumal einen guten, zu finden, ist schwierig geworden. Coupé und der Caravan genannte Kombi sind extrem selten, ordentliche Limousinen kratzen an der 10.000-Euro-Marke. Hinzu kommt eine überschaubare Ersatzteillage, hier helfen aber Clubs von Opel und/oder Kadett A. 

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