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Ferrari Purosangue (2023): Bloß nicht SUV sagen! (Update)

Vier Türen, vier Sitze, Allrad und ein Saug-V12, aber keine Anhängerkupplung

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Ein neuer Ferrari ist immer etwas Besonders, dieser hier aber noch ein Stück mehr. Seit Jahren geisterte der Purosangue unter dem Stichwort "Ferrari-SUV" durch die Presse. Jetzt wird er offiziell vorgestellt. Und wir würden spontan das Kürzel FPV vorschlagen: Ferrari Practical Vehicle.

Denn auf den ersten Blick wirkt das Vollblut (so die Übersetzung von Purosangue) nicht wie ein klassisches SUV, sondern eben eher wie ein praktischerer Ferrari. Auch das Unternehmen selbst vermeidet tunlichst den Begriff SUV oder Crossover. Fest steht: Das hier ist der erste Ferrari mit hinteren Türen.

Vier Sitze, vier Türen, viel Gewicht

Enrico Galliera, Chief Commercial and Marketing Officer, erklärt, warum es das Auto überhaupt gibt: "Um ehrlich zu sein, die Nachfrage nach einem Auto, das es unseren Kunden ermöglicht, mit der Familie in einem Viersitzer zu fahren, kommt schon seit vielen Jahren. Wir haben versucht, darauf mit unseren früheren Viersitzern zu antworten, die zwar Leistung boten, aber nicht das Niveau an Komfort und Vielseitigkeit erreichten, wegen der Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen. Jetzt haben wir eine Antwort gefunden, denn wir haben eine technische Lösung gefunden, die es uns erlaubt, keine Kompromisse bei der Leistung einzugehen."

Galliera weiter: "Wir hatten einen anderen Ansatz: Wir wollten einen Sportwagen haben. Wenn man ihn fährt, hat man das Gefühl, in einem zweisitzigen Sportwagen zu sitzen. Aber wir wollten auch Komfort und Vielseitigkeit hinzufügen."

Angaben zu den Abmessungen gibt es noch kaum Infos. Nur so viel: 185 mm Bodenfreiheit, 473 Liter Kofferraumvolumen plus umlegbare Sitze. Wuchtig ist der Purosangue: Das Leergewicht beträgt 2.053 Kilogramm, 2.033 kg sind das Trockengewicht mit allen optionalen Ausstattungen in Form von Kohlefaser, die das Gewicht des Autos reduzieren, ohne Flüssigkeit und Öl und so weiter.

Oh, und es gibt selbstverständlich KEINE Anhängerkupplung. Für etwaigen Zugbetrieb hätte man laut Ferrari das Fahrwerk ändern müssen. Man entwickelt aber Lösungen, die es erlauben, ein Fahrrad oder Skier oder was auch immer mitzunehmen. Hier geht es übrigens zum Konfigurator.

Allrad und V12-Sauger

Eine klare Ansage von Ferrari: Die Rundenzeit von Fiorano wird nur für zweisitzige Sportwagen angegeben. Pech für den Purosangue ... der auf den ersten Bildern übrigens in Titangrau zu sehen ist.

Noch einmal Signore Galliera: "Natürlich ist die Geländetauglichkeit des Autos höher als bei einem normalen Ferrari. Man kann das Auto also auch abseits der Straße benutzen, aber es ist sicher kein Jeep, das muss ich sagen. Wir haben das Auto nicht entwickelt, um mit großen Steigungen oder Schlamm fertig zu werden.

Aber es ist sicher ein Auto, das zum ersten Mal die Leistung eines Ferrari auch auf anderen Straßen ausspielen kann. Sicherlich auf sehr nassen Straßen oder mit viel Schnee, oder auch auf den so genannten "White Roads" in Italien, die nicht asphaltiert sind."

Der Motor des Purosangue ist als Front-Mittelmotor ausgelegt und das Getriebe hinten angebracht, dadurch entsteht eine Transaxle-Anordnung. Die Kraftübertragungseinheit (Power Transfer Unit, PTU) ist vor dem Motor angekoppelt und liefert somit eine einzigartige 4x4-Übertragung. Das ergibt eine Gewichtsverteilung von 49:51 %, die die Konstrukteure aus Maranello als optimal für einen Sportwagen mit Mittelmotor sehen.

Der Purosangue soll sich dank seiner Leistung und seines Komforts deutlich vom Markt abheben. Als einziger in seinem Segment ist er mit einem V12-Saugmotor (Codename F140IA), der als Front-Mittelmotor angelegt ist, ausgestattet.  6,5 Liter Hubraum, Trockensumpf und Hochdruck-Direkteinspritzung, 533 kW (725 PS) bei 7750 U/min, 716 Nm bei 6250 U/min plus feiner Klang stehen zu Buche.

Außerdem liefert der Zwölfender bereits bei niedrigen Drehzahlen 80 Prozent Drehmoment. Die Ansaug-, Steuer- und Abgassysteme wurden komplett überarbeitet, die Zylinderköpfe stammen dagegen vom 812 Competizione. Die Fahrleistungen: 3,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h und 10,6 Sekunden von 0 auf 200 km/h.

Neues 8-Gang-DCT plus aktive Federung

Das primäre Ziel bei der aerodynamischen Entwicklung des Purosangue war es, die Karosserie, den Unterboden und den Heckdiffusor so effizient wie möglich zu gestalten. Der neue Ansatz verschafft eine Synergie zwischen dem vorderen Stoßfänger und der Radlaufverkleidung. Diese erzeugen einen Luftvorhang, der die Vorderräder aerodynamisch abdichtet und die Entstehung turbulenter Querströmungen verhindert.

Ferrari hat dem Purosangue auch die allerneuesten Versionen der fahrdynamischen Kontrollsysteme mitgegeben, die bereits bei seinen leistungsstärksten und exklusivsten Sportwagen eingeführt wurden Darunter fallen die unabhängige Vierradlenkung und das ABS mit dem 6-WegeFahrwerk-Dynamiksensor (6w-CDS).

Eine Weltpremiere feiert auch das neue aktive Federungssystem von Ferrari. Es kontrolliert sehr effektiv die Wankbewegungen der Karosserie in Kurven und die Reifenkontaktfläche bei dicht aufeinanderfolgenden Unebenheiten. Somit kann die gleiche Leistung und das Fahrverhalten wie bei einem der Sportwagen der Marke erzielt werden.

Die völlig neue Karosserie verfügt serienmäßig über ein Dach aus Karbonfaser und hält somit das Gewicht niedrig und senkt den Schwerpunkt. Aufgrund der völlig neuen Konstruktion wurden hinten angeschlagene Türen eingebaut, um Ein- und Ausstieg zu erleichtern und das Fahrzeug so kompakt wie möglich zu halten.

Die Konstruktion des 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebes (DCT) mit Ölbad wurde durch Trockensumpfschmierung und eine deutlich kompaktere Kupplungsbaugruppe optimiert, wodurch die Bauhöhe im Fahrzeug um 15 mm gesenkt werden konnte, was wiederum den Schwerpunkt um den gleichen Betrag senkt. Die Leistung der neuen Kupplung ist um 35 % höher, sie überträgt beim Schalten ein dynamisches Drehmoment von bis zu 1200 Nm.

Dank einer Betätigungshydraulik der neuen Generation sind die Füllzeiten der Kupplung jetzt kürzer, so dass die Gesamtschaltzeiten im Vergleich zum vorherigen 7-Gang-DCT reduziert werden konnten. Die Übersetzungsverhältnisse sind die gleichen wie beim SF90 Stradale und 296 GTB.

Die Türen öffnen gegenläufig

Aus ergonomischen Gründen hat Ferrari sich darauf konzentriert, so viel Platz wie möglich für den Einstieg zu bieten und gleichzeitig den Radstand kompakt zu halten. Um dies zu erreichen, wurde eine traditionelle Öffnung der vorderen Türen mit einem Öffnungswinkel von 63 Grad gewählt, fünf Grad größer als bei anderen Ferrari-Modellen. Die hinten angeschlagenen Türen des Fonds öffnen sich elektrisch, der Öffnungswinkel beträgt 79 Grad.

Auch die Heckklappe aus Aluminium wird elektrisch betätigt: Mit zwei elektrischen Heckklappenhebern lässt sie sich bis zu 73 Grad öffnen, dies erleichtert den Zugang zum Kofferraum und vereinfacht das Be- und Entladen selbst größerer Gepäckstücke. Die Schwanenhalsscharniere ermöglichen zudem unkonventionelle ästhetische Formen im oberen Spoilerbereich.

Die unkonventionelle Position der Scheinwerfer machte es möglich, zwei Lufteinlässe oberhalb und unterhalb des Tagfahrlichts zu schaffen. Der obere Lufteinlass dient dazu, die Luft in das komplexe angeblasene System zu leiten, dessen Entlüftungsöffnung unter der vorderen "Aerobridge" liegt. Der untere hingegen leitet die Luft zum Bremsenkühlsystem.

Das 4RM-System des GTC4Lusso wurde für den Purosangue weiterentwickelt und übernimmt nun die Neuerungen der für den Allradantrieb des SF90 Stradale entwickelten Steuerlogik in Verbindung mit der neuen unabhängigen Allradlenkung (4WS) des 812 Competizione.

Der Purosangue bietet serienmäßig eine beeindruckende Anzahl von Fahrerassistenzsystemen (ADAS), wie adaptive Abstands- und Geschwindigkeitsregelung (ACC), automatisches Notbremssystem (AEB), automatisches Abblendlicht/Fernlicht (HBA/HBAM), Spurhalteassistent (LDW), Spurverlassenswarnung (LKA), Totwinkelassistent (BSD), Querverkehrswarnung (RCTA), Verkehrszeichenerkennung (TSR), Müdigkeits- und Aufmerksamkeitsassistent (DDA) und Einparkkamera (NSW).

Eine Funktion, die zum ersten Mal in einem Ferrari-Modell zur Verfügung steht, ist die Bergabfahrhilfe HDC (Hill Descent Control) zur Kontrolle einer eingestellten Fahrgeschwindigkeit an steilen Gefällen.

Eigenwilliges Cockpit

Das Fahrer-Cockpit ist vom SF90 Stradale inspiriert und wird fast eins zu eins auf der Beifahrerseite gespiegelt. Unser Gedanke: Praktisch für die Produktion von Rechtslenkern. Ferrari lobhudelt "ein unvergleichliches Gefühl der emotionalen Einbindung für den Beifahrer", unterstützt durch ein 10,2-Zoll-Display, das alle erforderlichen Informationen liefert, um den Beifahrer am Fahrerlebnis teilhaben zu lassen. 

Die komfortbezogenen Bedienelemente befinden sich auf einem versenkbaren Drehknopf in der Mitte des Armaturenbretts, die Insassen im Fond haben über einen zweiten Drehknopf Zugang zu denselben Funktionen. Die luxuriös verkleidete Mittelkonsole ist mit einem Y-förmigen Strukturelement kombiniert, das von der Schaltkulisse aus Metall dominiert wird.

Weniger offensichtliche, aber ebenso gut gestaltete Elemente sind die Fensterheberknöpfe, der elegante Doppel-Glasbecherhalter und das Schlüsselfach in Kombination mit der Ladezone für Mobilgeräte. Die auf Komfort ausgerichteten Polsterbereiche integrieren Armlehnen und Türgriffe. Zum ersten Mal in der Geschichte von Ferrari ist die Kabine mit vier separaten und unabhängig voneinander einstellbaren Sitzen ausgestattet.

Kugelsicherer Teppich als Option

Die beheizbaren Rücksitze lassen sich unabhängig voneinander einstellen und zurücklehnen. Wenn sie ganz nach vorne geklappt werden, erhöht sich die Kofferraumkapazität des Ferrari Purosangue deutlich.

Der Dachhimmel besteht aus recyceltem Polyester, der Teppich aus Polyamid, das aus Fischernetzen aus den Weltmeeren recycelt wurde, und neu formuliertem Alcantara. Der Purosangue ist das erste Fahrzeug weltweit, in dem diese spezielle Version von Alcantara verwendet wird, die zu 68 Prozent aus recyceltem Polyester besteht.

Etwas kurios: Anstelle des traditionellen Teppichs oder Leders für den Bodenbelag steht optional auch ein kugelsicheres, ballistisches Gewebe zur Verfügung, das aufgrund seiner außergewöhnlichen Widerstandsfähigkeit und Langlebigkeit auch in Militäruniformen verwendet wird.

Eine weitere Option ist ein neues, sehr elegantes und modernes dunkelbraunes Semianilinleder. Die optionale Verkleidung aus Karbonfasern mit feinstem Kupferdraht ist eine hochmoderne Variante der traditionellen Karbonfasern. Das Burmester® 3D High-End Surround Sound System wird erstmals in einem Ferrari als Serienausstattung angeboten.

Marktstart im Frühjahr 2023

Unter den bei der Markteinführung angebotenen Farben wurde Nero Purosangue speziell für dieses Fahrzeug entwickelt. Erstmals bei Ferrari haben Besitzer die Möglichkeit, das Dach ihres Fahrzeugs zu personalisieren: Sie können sich für ein durchgehendes elektrochromes Glasdach anstelle der serienmäßigen Karbonfaser-Version entscheiden. Erstmals bietet das Modell außerdem serienmäßig Kompatibilität mit den Systemen Android Auto und Apple CarPlay. Diese ersetzen das bisherige Navigationssystem.

im zweiten Quartal werden die Auslieferungen in den europäischen Ländern mit Linkslenkung erfolgen. Als Basispreis nennt Ferrari 390.000 Euro. Doch selbst wer genügend Geld hat, bekommt nicht zwingend einen Purosangue: "Zu Beginn wird der größte Teil unserer Produktion an unsere Sammler oder bestehenden Kunden geliefert, die wir als Familienmitglieder bezeichnen.", so Enrico Galliera.

Und weiter: "Wir haben bereits ein großes Interesse von Nicht-Ferrari-Kunden festgestellt, da dieses Auto auch ihre Interessen anspricht. Wir werden versuchen, einen Teil der Fahrzeuge an diese Kunden auszuliefern, aber wir gehen davon aus, dass der Prozentsatz der neuen Ferrari-Kunden im Laufe des Lebenszyklus des Fahrzeugs zunehmen wird.

Dieses Auto wird wie jedes andere Modell in unserer Produktpalette sein, so dass Sie davon ausgehen können, dass es, sagen wir, vier bis fünf Jahre bleiben wird. Was in der Zukunft nach diesem Zeitraum passieren wird, werden wir sehen."

Fest steht, dass der Purosangue maximal 20 Prozent des gesamten Umsatzes von Ferrari ausmachen soll. Und nicht mehr. Hier bleibt die Marke hart und nimmt auch jahrelange Wartezeiten in Kauf: "Wir haben nicht vor, unsere Produktionszahlen dramatisch zu erhöhen. Wir sind kein Großserienhersteller. Wir wollen die Exklusivität wahren."

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