Loungiger Innenraum und bis zu 750 km Reichweite. Kann der Franzose überzeugen?
Mit dem DS N°8 (gesprochen: Nummer Acht) führt der Pariser Autohersteller die neue Nomenklatur für seine Modelle ein. Die simple Zahl wird in Zukunft immer von dem Nummernzusatz begleitet. Der Aufmerksamkeit schadet es sicher nicht und auch bekannte Suchmaschinen kommen mit jeglicher Schreibweise klar (für Sie getestet). Warum also nicht?
Um sich vom Kult um die Citroën-Göttin DS 21 zu abzusetzen, sicher ein weiser Schritt. Auch wenn die in Sachen Komfort für die Franzosen immer noch Bezugsquelle Nummer 1 bildet. Die Geburtsstunde der Marke quasi. Erst 2014 von Citroën abgenabelt, stehen die Pariser mit dem Blick aufs Premium-Segment seither auf eigenen Beinen im Stellantis-Konzern.
Der DS N°8 ist in drei Varianten erhältlich: Ein Fronttriebler mit 169 kW (230 PS) und 74-kWh-Batterie, eine Frontantrieb-Long-Range-Variante mit 180 kW (245 PS) in Kombination mit einer 97,2-kWh-Batterie und eine Allrad-Long-Range-Variante mit 257 kW (350 PS) - ebenfalls mit der 97,2-kWh-Batterie.
Angesiedelt im Premium-D-Segment, soll das beste Preis-Leistungs-Verhältnis mit Fokus auf das Komforterlebnis und der Geräuschkulisse gesetzt werden. Zudem will der DS N°8 mit Reichweiten von bis zu 750 Kilometern auf Basis eines 400-Volt-Systems punkten. Kann das neue Flaggschiff in Sachen Komfort also eigene Maßstäbe setzen?
Exterieur | Interieur | Fahrbericht | Preise | Fazit
Auf 4,82 Metern Länge versucht der DS N°8 seine hochbeinige Anleihe etwas zu kaschieren. Ein 2,90 Meter langer Radstand streckt die am Schweller farblich abgesetzte Linie. Das lang fließende Coupéheck und eine übersichtliche Höhe von 1,58 Metern schieben den Franzosen eher in Richtung wuchtiger Reiselimousine. Je nachdem, aus welcher Richtung der DS N°8 betrachtet wird, ist er wahlweise SUV, Coupé, Fließhecklimousine oder alles zusammen. Entscheiden Sie selbst.
Generell ist hier viel los auf der Karosserie. Die Front dominiert mit wuchtiger Frontschürze, schmalen Scheinwerfern und prägnanter Lichtsignatur. Damit das DS-Logo leuchten kann, wurde zusätzlich auch der Grill einer strahlenden Behandlung unterzogen, die in Kombination mit den vertikalen Elementen eine markant kastig-leuchtende Einheit bildet. Das Ergebnis erinnert zuweilen an die guten alten 1990er-Jahre und die Lastwagen einer bestimmten Erfrischungsgetränkemarke.
Die Seitenlinie macht einen dynamischen Schwung, der dazu beiträgt, dass das neue DS-Flaggschiff einen Luftwiderstandsbeiwert von 0,24 vor sich hertragen kann. Mit der klaren Abrisskante über den Spoiler am Heck trägt das der Reichweitengewinnung massiv bei.
Sorgt aber auch dafür, dass von der Seite bei vielen Autos inzwischen zwei oder dreimal hingeschaut werden muss, um Marke und Modell genaustens identifizieren zu können. Eine gewisse Ähnlichkeit zum Polestar 4 Richtung Heck ist da nicht abzustreiten. Außerdem ist der Markenschriftzug zuweilen etwas ausladend geraten. Insgesamt nicht mein Cup of Tea, aber die N°8 will ja auch mit Komfort überzeugen.
Also rein in den Innenraum. Verzichtet der zuletzt genannte Schwede noch komplett auf die Heckscheibe, ist beim DS N°8 zumindest ein kleines Bullauge zu sehen. Hilft zwar nicht beim visuellen Rangieren, trägt aber zum loungigen Reisegefühl auf der Rückbank bei.
Beinfreiheit bietet der Franzose auch für durchschnittsgroße Menschen ausreichend. Die Sitzposition ist leicht nach hinten gekippt, sodass trotz Coupélinie ebenfalls ausreichend Kopffreiheit vorhanden ist. Sitze und Polsterung wirken auf den ersten Blick bequem. Zudem können sie beheizt und belüftet werden. Gute Voraussetzungen also, um als Mitfahrer auf langen Reisen die Zeit mit Schlaf zu verbringen.
Für das Gepäck stehen geräumige 620 Liter zur Verfügung. Wer dann und wann mal etwas mehr Raum braucht, kann über eine im Verhältnis 40:20:40 teilbare Rückbank individuell aufrüsten. Zum Packesel wird der Premiumfranzose mit 1.553 Litern zwar nicht, aber für das ein oder andere sperrige Utensil sollte es reichen.
Vorne versucht DS über eine Nackenbelüftung die Temperaturregulierung auf den Körper zu übertragen, statt das ganze Auto zu heizen oder zu kühlen, um weiter Energie zu sparen. Sicher eine gute Idee, die bei einem angenehmen Tag um die 20 Grad jedoch nur schwer zu testen ist.
Das Innenraumkonzept kommt generell modern, futuristisch daher. Bietet mit seinen Applikationen aus Aluminium und dem Hyperantriebsdesign auf der Mittelkonsole fast ein wenig Raumschiffflair. Verstärkt wird der Eindruck vom 16-Zoll-Widescreen-Infotainment-Bildschirm und dem ungewöhnlichen Kreuzspeichenlenkrad.
Leider verliert sich die Detailverliebtheit, sobald der Blick offensichtliche Bereiche auf Augenhöhe verlässt. Im unteren Bereich der Türverkleidungen, des Armaturenbretts und der Mittelkonsole herrscht triste Hartplastikwüste, die vom Material her zudem recht dünn wirkt. Zwischen der mühsam gestalteten Sternenkulisse auf der Mittelkonsole wirkt der typische Stellantis-Gangwähler zudem etwas lieblos.
Die Geräuschkulisse ist angenehm leise. Dazu tragen etliche Dämmungsmaßnahmen bei, inklusive der Akustikverglasung. So bleibt das strömungsgünstige Fahrzeug auch bei hohen Geschwindigkeiten auf einem angenehmen Level. Zumindest solange keiner die Fenster öffnet. Dann dröhnt es auch schon bei geringen Geschwindigkeiten, da die komplexe Windverläufe an der Karosserie gestört werden. Ein Fluch, den sich der DS N°8 leider mit vielen weiteren Aerodynamikern teilt.
Bedient wird aus einer Kombination physischer Knöpfe und einer recht simplen Infotainment-Basis - funktioniert auf den ersten Eindruck ganz gut.
Auf unserer rund einstündigen Runde aus kurvigen Anteilen im Rheingau und etwas A3-Stop-and-Go können wir sagen: der DS N°8 fühlt sich auf der Autobahn sehr pudelwohl. Hier liegt er auch bei höheren Geschwindigkeiten verlässlich in der Spur. Immerhin: Tempo 190 ist ohne Probleme möglich, die er zudem standesgemäß erreicht.
Um Kanten oder kleine Unebenheiten im Bodenbelag kümmert er sich wenig. Die Karosse gleicht zuverlässig aus, ohne auch nur einen den Anschein einer Wankbewegung zu machen.
In diesem Gefilde ist man mit Drive Assist und semi-automatischem Spurwechsel gut unterwegs, um den Fahrenden einen Tick entspannter am Ziel ankommen zu lassen. Zwar schätzt der Franzose mögliche Manöver manches Mal etwas zu defensiv ein, nimmt vorm Spurwechsel zu früh Gas raus, um dann wieder zu Beschleunigen, man gewöhnt sich aber daran und leitet den Vorgang entsprechend früher ein. Auch bei Stau übernimmt N°8 recht souverän, lässt sich nur bei ausscherenden Autos und einer folglich aufklaffenden Lücke verwirren.
Und auch auf der Landstraße macht er seine Sache für die plattformbedingten Gegebenheiten gut, bleibt stabil in wechselnden Kurvenkombinationen und lässt sich erstaunlicherweise nicht allzu sehr von Fliehkräften ärgern.
Jedoch sollte Landstraßenabschnitte mit dem Flaggschiff nicht allzu sportlich genommen werden. Irgendwann zeigt sich die eigentlich komfortable Ausrichtung im unkomfortablen Magen. Dieser feste Griff ins Halten der Karosserie, losgelöst vom Bodenbelag, wirkt einfach zu indirekt für derartige Fahrmanöver, denn der DS bietet zu wenig Rückmeldung, um genau wissen zu können, was abgeht.
Los geht's beim DS N° 8 mit Frontantrieb 169 kW (230 PS), 550 Kilometer Reichweite als Pallas ab 57.700 Euro. "Unser" Testwagen kam mit eben dieser Ausstattung als FWD Long Range mit 180 kW (245 PS) und 750 Kilometern Reichweite ab 65.100 Euro. Auch der Allradler ist inzwischen in die Einstiegsversion gerutscht. Kostenpunkt: 68.100 Euro. Die besser ausgestatteten Etoile und die Collection Jules Verne starten bei 65.100 Euro (FWD), beziehungsweise bei 77.000 Euro (FWD Long Range).
Die Konkurrenz bildet ein hauptsächliches Starterfeld aus Polestar 4, BMW i4 und Tesla Model Y. Günstiger ist immerhin nur letzteres. Eventuell könnten auch noch die etwas längeren Limousinen um VW ID.7 und Volvo ES90 herangezogen werden. Letztere halten je nach Variante auch bei der Reichweite mit, vor allem der Schwede mit 800-Volt-Technik.
Nummer Acht lebt: Der DS N°8 zeigt sich als souveränes und gediegenes Reisemobil mit großzügiger Reichweite, komfortablem Fahrwerk und gutem Sitzkomfort. Wer es sportlicher mag, sollte bei den Kollegen aus Bayern und ihrem BMW i4 anklopfen. Wer es komfortabel, aber sportlicher und technisch raffinierter mag, kann mal beim Polestar 4 oder dem Tesla Model Y reinschauen.
Für die N°8 sollte aber auf jeden Fall ein leichter Hang zur Extravaganz mitgebracht werden. Sowohl beim äußeren Auftritt, als auch im Innenraum. Ein wenig Haute Couture im C&A-Stangenkleid.