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BMW auf Italienisch?

Die Alfa Romeo Giulia Veloce mit 280-PS-Benziner im Test

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Haar, 31. Juli 2017 - Ich gebe zu, ein in der Wolle gefärbter Alfista bin ich nicht: Zwar fuhr ich zu Testzwecken schon diverse Alfa-Modelle, doch mit Ausnahme des 8C und der Giulietta aus den 1950ern sprang der Funke nicht recht über. Indes war die Kultmarke auch selbst daran schuld: Die Massenmodelle der letzten Jahren dufteten einfach zu sehr nach Fiat. Das hat sich 2016 geändert, als die neue Giulia mit feinem Design und Hinterradantrieb debütierte. Auf den brachialen Quadrifoglio mit 510 PS folgten die zivil motorisierten Standardversionen. Gewissermaßen als Bindeglied gibt es nun die Veloce-Ausführung. Nur dort ist ein 280-PS-Benziner im Angebot, den wir jetzt getestet haben.

Alles etwas stärker
Um einen besseren Vergleich zu haben: Die Giulia Veloce entspricht in etwa der M-Sport-Ausstattung des 3er-BMW. Ähnlich wie dort bietet der Alfa andere Stoßfänger im Stil des starken Topmodells. Hinzu kommen stärker konturierte Sportsitze, 18-Zoll-Leichtmetallräder und ein Lenkrad mit integrierten Startknopf. Allerdings ist die Motorenauswahl undurchlässig: Den Diesel mit 210 PS und den 280 PS starken Benziner gibt es nur im Veloce-Modell, umgekehrt können beide Aggregate nicht mit niedrigeren Ausstattungen kombiniert werden.

BMW im Blick
Auch hinsichtlich der Abmessungen kommen wir nicht am unvermeidlichen 3er-BMW vorbei: Die Giulia ist einen Zentimeter länger (4,64 Meter), ebenso beim Radstand (2,82 Meter). Klingt eigentlich großzügig, aber im Alfa ist dank Hinterradantrieb das Platzangebot im Fond eher überschaubar. Kuriosität am Rande: Mit 480 Liter ist das Kofferraumvolumen beider Limousinen gleich, ein Kombi ist seitens Alfa bislang nicht geplant.

Julia im Rampenlicht
Vielleicht ist es auch besser so, um Giulias Attraktivität nicht zu schmälern. Denn selbst im eher unscheinbaren Silber sorgte unser Testwagen für viele neugierige Blicke. Unter uns: Für solch einen Hingucker-Effekt müsste man einen 3er-BMW pink lackieren. Tatsächlich ertappt man sich selbst dabei, auf dem heimischen Parkplatz einen Blick über die Schulter zu werfen. Motto: Schön, dass du da bist, Giulia.

Gelungene Inneneinrichtung
Doch in der Vergangenheit war es häufig so, dass die äußere Hülle Emotionen weckte, das Cockpit aber so trist war wie ein italienischer Vorstadt-Bahnhof. Jene Zeiten sind zum Glück vorbei, der Giulia-Arbeitsplatz macht die Bemühungen der Marke Alfa Romeo spürbar. Was wie Leder aussieht, ist auch Leder, einzig die verwendeten Kunststoffe könnten etwas feiner sein. Nur: Im 3er-BMW ist es praktisch genauso. Ihm gegenüber punktet der Alfa mit einer harmonischen Gliederung des Armaturenbretts und einem weniger unruhigen Materialmix. Lediglich das in unserem Testwagen verbaute Nussbaumholz sieht in meinen Augen doch sehr arg nach Klein-Romeos Jugendzimmer aus. Da wir gerade herummäkeln: Die Grafik der Landkarten hat selbst beim großen 8,8-Zoll-Navi eine eher grobkörnige Anmutung. Erstaunlich gut funktioniert die Bedienung des Infotainments mit einem großen Touch-Drehknopf auf der Mittelkonsole. Das klingt nicht nur nach BMW, sondern sieht wie auch der Automatik-Wählhebel sehr ähnlich aus. Na und? Lieber gut inspiriert als schlecht selbstgemacht.

Freude am Fahren auf italienisch
Wenn sich so die Alfa-Ingenieure mehr auf die Fahrdynamik der Giulia konzentrieren konnten, war es eine sehr gute Entscheidung. Gerade weil die Giulia nicht auf einen Overkill an Assistenzsystemen setzt, bringt der Wagen die persönliche Gute-Laune-Skala des Piloten weit nach oben. Eine im Veloce stets serienmäßige Achtgang-Automatik verteilt die 280 Turbo-PS sauber auf die gut 1,6 Tonnen Leergewicht, bei Regen und ähnlich miesem Wetter ist der ebenfalls serienmäßige Allradantrieb ein Segen. Dank der sehr präzisen, aber für manchen schon zu nervösen Lenkung fühlt man ein wenig wie in einem Mazda MX-5. Her mit den Bergstraßen, lautet die Devise, denn die Giulia fährt sich sehr sauber, sehr harmonisch, sehr linear. Dazu passt das um Ausgewogenheit bemühte Fahrwerk, zumal in der optionalen adaptiven Ausführung. Hier wird per Knopfdruck eine große Spreizung zwischen schmusig und straff.

Wie es euch gefällt
Anders formuliert: Wie ein Drogenhund erschnüffelt der Alfa den maximalen Fahrspaß. Verschärft wird dieser Eindruck noch durch das optionale mechanische Sperrdifferenzial namens Q2. Wer mag, kann einen anderen Fahrmodus wählen. "DNA" nennt Alfa die Fahrmodi-Technik, neben dem normalen Alltagsprogramm sind Kennlinien für Sport und Sparsamkeit im Angebot.

Giulias dunkle Seiten
Alles picobello also? Natürlich nicht. So schön die dynamische Komponente auch ist, beim mageren Klang des Turbo-Aggregats hört der Spaß auf. Diese Tatsache wirkt umso erstaunlicher, weil Alfa bei den Veloce-Versionen beinahe zwanghaft Quadrifoglio-Feeling hineinzubringen versucht. Dazu passt das schüttere, fast dreizylinderhafte Motorengeräusch ebensowenig wie die Lautstärke bei Tempo 170 oder der erschütternd große Wendekreis. Auch die Sitzposition ist nicht jedermanns Sache, hier bringt nur eine persönliche Anprobe Klarheit. Aber wozu müssen am Lenkrad gigantische Schaltwippen sein, die man im Gegensatz zum Quadrifoglio kaum braucht und die beim Blinken im Weg sind? Hier wäre wünschenswert, wenn Alfa Romeo ähnlich wie BMW den Kunden wenigstens die Wahl lassen würde. Sportliche Fahrer vermissen außerdem eine Möglichkeit, um das ESP komplett auszuschalten. Man merkt: Es ist noch Optimierungsbedarf für eine künftige Modellpflege vorhanden.

Premium auch beim Preis
Spätestens beim Preis hört die Sparsamkeit aber auf: 47.800 Euro müssen Liebhaber der Giulia Veloce hinblätterm, immerhin ist eine halbwegs ordentliche Ausstattung mit Ledersitzen und Bi-Xenon-Scheinwerfern inklusive. Anständig möbliert kann die 60.000-Euro-Marke problemlos geknackt werden. Einziger Trost: Die Konkurrenz aus München ist noch teurer. Für die etwas schwächeren 330i xDrive Limousine mit 252 PS, M-Sport-Paket und serienmäßiger Automatik ruft BMW mindestens 51.850 Euro auf. Spätestens jetzt stellt sich die (Geschmacks-)Frage: Alfa Romeo? Warum eigentlich nicht?

Gesamtwertung
Es ist im positivsten Sinne gemeint: Die neue Giulia ist der beste BMW, den Alfa seit mindestens 50 Jahren gebaut hat. Nicht wenige ihrer vergnüglichen Eigenschaften sind der 3er-Reihe im Laufe der Zeit abhandengekommen, allerdings wirkt sie im Gesamtpaket immer noch stimmiger als die Giulia. Muss es unbedingt die Veloce-Version mit 280 PS sein? Nein, da sie weder Fisch noch Fleisch ist. Konsequenter ist es, entweder eine der Brot-und-Butter-Varianten oder gleich den mächtigen Quadrifoglio zu wählen. Alfa ist dennoch auf dem richtigen Weg, wir sind schon auf die kommenden Modelle wie etwa den Giulietta-Nachfolger gespannt.

+ direkte Lenkung, harmonische Kraftentfaltung, viel Fahrspaß

- wenig Platz im Fond, bei hohem Tempo lauter Motor, enormer Wendekreis

Modell Alfa Romeo Giulia Veloce 2.0 Turbo (280 PS)
Motor
Bauart Benziner mit Turboaufladung
Zylinder / Ventile 4 / 4
Antrieb Hinterradantrieb
Getriebe Automatik
Gänge 8
Hubraum 1.995 cm³
Leistung 206 kW bei  U/min
max. Drehmoment 400 Nm bei 2.250 U/min
Fahrwerk
Bremsen vorn Scheiben innenbelüftet
Bremsen hinten Scheiben innenbelüftet
Radaufhängung vorn Doppelquerlenker
Radaufhängung hinten Mehrlenker
Räder vorn 225/45 R18
Räder hinten 255/40 R18
Spurweite vorn 1.559 mm
Spurweite hinten 1.604 mm
Wendekreis 10,8 m
Maße
Länge 4.643 mm
Breite 1.860 mm
Höhe 1.450 mm
Radstand 2.820 mm
Leergewicht 1.605 kg
max. Zuladung 500 kg
Anhängelast (gebremst) 1.600 kg
Dachlast 50 kg
Kofferraumvolumen 480 l
Tank 64 l
Kraftstoffart Super
Messwerte
Höchstgeschwindigkeit 240 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h) 5,2 s
Verbrauch gesamt 6,4 l/100 km
Verbrauch innerorts 8,9 l/100 km
Verbrauch außerorts 4,9 l/100 km
CO2-Emission 152 g/km

Stand: Juli 2017


Modell Alfa Romeo Giulia 2.0 Turbo Veloce
Grundpreis 47.800 €
Ausstattung
ABS Serie
Beifahrerairbag Serie
Fahrerairbag Serie
ASR Serie
Automatikgetriebe Serie
Navigationssystem 1.100 €
elektr. Fensterheber hinten Serie
elektr. Fensterheber vorn Serie
elektr. Schiebedach 1.650 €
elektr. verst. Außenspiegel Serie (inklusive Heizung)
ESP Serie
Klimaautomatik Serie (zwei Zonen)
Kopfairbag hinten Serie
Kopfairbag vorne Serie
Lederausstattung Serie
Leichtmetallfelgen Serie (18 Zoll)
Metalliclackierung 930 €
MP3-Radio Serie
Seitenairbag vorne Serie
Sitzhöheneinstellung Serie (Fahrer und Beifahrer)
Tempomat Serie
Xenonlicht Serie
Zentralverriegelung Serie
Einparkhilfe hinten Serie
beheizbares Lenkrad Serie
Totwinkelwarner 1.000 € (im Paket)

Stand: Juli 2017


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