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DS 9 E-Tense 225 (2021) im Test: Art de Vivre?!

Mit Pariser Luxus gegen die genormten Vertreter-Limousinen aus Deutschland ...

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Über ein Jahr ist es nun schon her, dass DS am 24. Februar 2020 die virtuellen Tücher vom neuen DS 9 zog. Die Premiere vor Publikum war dann auf dem Genfer Autosalon 2020 geplant, der allerdings nur vier Tage nach der virtuellen Präsentation am 28. Februar aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt wurde.

Ein wirklich turbulenter Start für den inoffiziellen Nachfolger des Citroën C6 also, der wie das Schwestermodell des Peugeot 508 der zweiten Generation und der noch in den Sternen stehende Opel Insignia-Nachfolger auf der EMP2-Plattform des PSA-Konzerns basiert.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass es ziemlich lange gedauert hat, bis wir den neuen DS 9 endlich für eine erste Testfahrt in unsere Finger bekommen haben. Jetzt war es aber soweit und wir konnten uns hinter das Steuer der Limousine setzen, die französischen Luxus und Raffinesse verkörpern soll.

Längster Radstand der Plattform

Der DS 9 basiert also auf der EMP2-Plattform, wurde jedoch gegenüber dem löwigen Schwestermodell um 18 Zentimeter zwischen den Rädern gestreckt, damit man Luxus-Limousinen-Dimensionen im Fond erhält. 2,90 Meter beträgt der neue Radstand durch den Längenzuwachs. Der DS 9 ist insgesamt übrigens 4,93 Meter lang und liegt damit auf dem Niveau des BMW 5er, des Audi A6 oder der Mercedes E-Klasse.

Optisch ist das große DS-Modell natürlich Geschmacksache. Vor allem der ungewohnt verschwenderische Einsatz von Chrom könnte so den einen oder anderen Understatement-Außendienstler verschrecken und die "Clous de Paris" genannte Zierleiste, die über die gesamte Mitte der Motorhaube reicht, sieht ein wenig nach Reißverschluss aus.

Unangefochten cool finden wir hingegen - und das dürften nicht nur wir so sehen - die Designanleihen, die an das Ur-Modell aus den 1950ern erinnern sollen. Beispielsweise die "DS Hornets" am hinteren Ende des Daches, die zwar nicht mehr wie einst als Blinker dienen dürfen, aber schicke Positionslichter abgeben.

Chrom, Leder, Handarbeit

Was im Außenbereich das Chrom, ist im Interieur das Leder. Je nach Ausstattungslinie lässt sich das Innere des DS 9 nämlich mit ziemlich viel makelloser Haut von bayerischen Alpen-Kühen ausstatten. Unser Testwagen ist in der sogenannten "Opera"-Line ausgestattet. In Rubi-Rot.

Und so sind ziemlich alle Bauteile (bspw. Armaturenbrett und Türverkleidungen) mit Nappaleder bezogen. Die Sattler leisten dabei gute Arbeit und die Perlstich-Kontrastnähte setzen dem ganzen das i-Tüpfelchen auf. Wenn Sie allerdings hochpräzise Fertigungsqualität erwarten, fühlen Sie sich in deutschem Interieur sicher wohler. Handarbeit hat eben höhere Toleranzen.

In dieser Hinsicht kann man DS also kaum etwas vorwerfen. Die Mittelkonsole ist - wie so viele andere Stellen - geprägt von Rauten-Mustern. Der darüber positionierte 12-Zoll-Bildschirm gruppiert sehr viele Funktionen und ersetzt die meisten analogen Knöpfe.

Das Manko? Da der DS 9 ja eigentlich schon über ein Jahr alt ist, kam er damals noch nicht in den Genuss eines neueren Infotainment-Systems, wie wir es mittlerweile aus dem DS 4 oder dem Peugeot 308 kennen. So ist die Bedienung zwar schlüssig und nicht gerade kompliziert, die Darstellungen und die Reaktionszeiten sind aber gerade für einen Imageträger der Marke etwas enttäuschend.

Während es auf den Vordersitzen des DS 9 etwas beengter als erwartet zugeht, sieht es bei den Platzverhältnissen für Passagiere im Fond deutlich besser aus. Der Radstand lässt keine Beinfreiheitswünsche offen. Die Kopffreiheit ist anständig, aber nicht viel mehr als das. Wer über 1,80 Meter groß ist, könnte sich ein wenig unwohl fühlen.

Darüber hinaus gibt es in der hinteren Reihe einige nennenswerte Merkmale, die typisch für große Limousinen sind. Beispielsweise eine leicht geneigte Rückenlehne, die Möglichkeit, den Beifahrersitz per Knopfdruck von hinten nach vorne zu bewegen, eine eigene Klimaanlage, Sitzheizung und Sitzkühlung sowie Massagesitze mit drei unterschiedlichen Programmen und Intensitäten.

Das die Kofferraumgröße der Limousinen-Kundschaft meist keinen großen Stellenwert bei der finalen Fahrzeugwahl hat, wissen natürlich auch die Hersteller. Trotzdem ist der DS 9 Kofferraum mit 510 Liter relativ anständig bemessen. Gerade im Vergleich zu anderen PHEV-Limousinen dieser Größe. Ein Audi A6 mit Plug-in-Hybrid-Antrieb schluckt nur 360 Liter, ein BMW 530e fasst 410 Liter.

Was es gibt, was noch kommt

Zum Start bietet DS die Nummer 9 mit zwei Motorisierungen an. Einem 225 PS starken Benziner und einen mit der gleichen Systemleistung vorfahrenden PHEV-Modell. Der Hersteller versieht die elektrifizierten Modelle mit dem Zusatz "E-Tense".

Ab kommenden Jahr soll dann noch der DS 9 E-Tense 250 folgen. Er zeichnet sich dabei vor allem durch einen gegenüber dem 225er-Modell vergrößerten Akku aus. Dadurch sind nicht mehr nur 48 Kilometer rein elektrisch möglich, sondern über 60 Kilometer. Wichtig, um auch im kommenden Jahr in Deutschland noch in die 0,5 Prozent-Besteuerung zu fallen. Ob der E-Tense 225 dann in Deutschland verschwinden wird?

Ebenfalls noch in der DS 9-Pipeline steckt ein Topmodell namens E-Tense 360 4x4. Also mit 360 PS-Systemleistung und Allradantrieb. Mit diesem Derivat konnten wir ebenfalls eine kleine Prototyp-Testrunde drehen. Eine Performance-Offenbarung erleben wir auf der gut zehn Kilometer kurzen Testroute übrigens nicht. Trotz der ansehnlichen Daten. Aber das ist okay, denn DS positioniert sich nun mal woanders. Und die "Art de Vivre" muss man nicht auf verschlungenen Landstraßen und bei Beschleunigungsorgien suchen.

Steigen wir als in unseren E-Tense 225 mit einem Antriebsstrang, den wir bereits gut kennen, da er den Peugeot 508, 3008, den DS 7 Crossback und den Citroën C5 Aircross voranbringt. Der Verbrenner ist ein 1,6-Liter-PureTech-Vierzylinder mit 181 PS und 300 Nm Drehmoment, der Elektromotor steuert 110 PS bei. Insgesamt einigen sich beide Aggregate im DS 9 dann auf eine Systemleistung von 225 PS und 360 Nm Drehmoment, die über ein Achtgang-Automatikgetriebe an die Vorderräder geleitet werden.

Der Elektromotor wird von einer Batterie mit einer Kapazität von 11,9 kWh gespeist, die in 1 Stunde 45 Minuten an einer 7,4 kW Wallbox oder in etwa 7 Stunden an einer normalen Haushaltssteckdose aufgeladen werden kann.

Mehr Zahlen gefällig? Der DS 9 E-Tense kann in 8,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h. Das sind ziemlich gute Werte für eine Limousine, die 1.839 Kilo wiegt und damit 300 Kilo mehr als die 225-PS-Version mit Verbrennungsmotor ohne Hybridisierung.

Extreme Ruhe, hoher Komfort

Auffällig ist, dass es extrem ruhig im DS 9 ist. Diese Arzt-Wartezimmer-Atmosphäre ist dabei nicht nur der fast vier Millimeter dicken Akustik-Verglasung zu verdanken. Das Fahrwerk mit seiner vorausschauenden "Active Scan"-Funktion werden die Dämpfer immer auf die Fahrbahnbeschaffenheiten angepasst und Poltergeräusche bleiben aus.

Klingt gut? Die Anlage von Focal ebenfalls. Zwar erreicht DS damit kein Audio-Vergnügen auf Volvo-Niveau, aber die Qualität ist schon erstaunlich gut.

Was die Stille im DS 9 ebenfalls unterbricht, ist der doch etwas unsanft einsetzende Verbrennungsmotor. Gerade unter Volllast ist das Aggregat schon recht laut und übertönt sogar Windgeräusche bis weit über 150 km/h. Besonders dynamisch ist das Modell natürlich auch nicht. Dagegen spricht einerseits der Anspruch und die Positionierung von DS, aber auch harte Fakten und Zahlen in Form von Radstand und Gewicht.

Wenn Sie also Lenkung, Fahrwerk und Antriebsstrang zu sehr zu Höchstleistungen auffordern, wird Ihnen auffallen, dass relativ früh die Rückmeldung zur Fahrbahn verloren geht und die Motoren und das Getriebe öfter eine Gedenksekunde brauchen und danach dann manchmal trotzdem nicht genau wissen, was nun zu tun ist. Aber das muss Sie alles nicht stören. Lassen Sie sich von den Sitzen massieren und einfach die umfangreiche Fahrassistenz die Arbeit übernehmen.

Was den Verbrauch angeht, so lagen wir bei unserer Testfahrt im Schnitt bei etwa 6,5 Liter auf 100 Kilometern. Und dabei sind wir nicht gerade zimperlich mit dem DS 9 umgegangen. Losgefahren sind wir mit einer zu einem Drittel gefüllten Batterie, die wir während der 120 Kilometer langen Teststrecke sogar über die EV-Safe-Funktion geladen haben.

Ab etwa der Hälfte der Strecke sind wir dann in den Hybrid-Modus gewechselt und die letzten zehn Kilometer haben wir völlig elektrisch zurückgelegt. Wir finden, dass sich der Verbrauch also durchaus sehen lassen kann.

Die Preise für den DS 9 beginnen bei 47.550 Euro für die 225 PS starke PureTech-Version. Unser Plug-in-Hybrid-Testmodell in der höheren Ausstattungslinie kostet rund 8.000 Euro Aufpreis. Dazu kommen weitere kostenpflichtige Optionen wie die opulente Lederausstattung und der eine oder andere Assistent.

DS hat sich preislich damit trotzdem recht geschickt zwischen dem hybridisierten Peugeot 508 und den deutschen Premium-Limousinen positioniert, die zwar höhere Preise verlangen, aber sicherlich technisch ausgereifter sind. 

Fazit: 7/10

Das eigentliche Problem des DS 9 ist, dass er mit Verspätung auf den Markt kommt, und in einem Segment an den Start geht, in dem ausgefeilte Technik ein wichtiges Kaufkriterium ist. Dennoch kann die französische Limousine auf der Straße überzeugen und muss ich in Sachen Fahrkomfort nicht hinter der deutschen Konkurrenz verstecken.

Rational würden wir unseren Business-Fuhrpark bei Audi, BMW oder Mercedes bestellen. Emotional können die Modelle aus Deutschland aber nicht mithalten. Und das ist ja die schöne Seite des Pariser Luxus und des Luxus weltweit. Er ist alles andere als rational und am Ende lässt sich durch positiv erregte Emotionen ein besseres Geschäft machen als mit kühler Technokratie. Für DS könnte der Plan deshalb aufgehen.

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