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Nissan Ariya im Test: Basisversion mit 63-kWh-Akku und 160 kW

Es gibt so viele mittelgroße Elektro-SUVs. Was hat der Ariya, was andere nicht haben?

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Anfang Juli 2022, also vor wenigen Tagen, hatte der Nissan Ariya Verkaufsstart in Deutschland. Nun kann man den Wagen auf der Nissan-Website konfigurieren. Wir waren in Stockholm mit der Basismotorisierung unterwegs und haben das 4,60 Meter Elektro-SUV getestet.

Der Ariya sollte eigentlich schon vor einem Jahr auf den Markt kommen; die Chip-Knappheit, unter der die ganze Autoindustrie leidet, führte zu einer Verschiebung um etwa ein Jahr. An die Kunden ausgeliefert wird der Wagen ab Ende September. Dann werden die Fronttriebler übergeben, während der Allradler erst Ende 2022 folgt. Wer jetzt ein Auto bestellt, bekommt den Wagen allerdings ohnehin erst 2023 - wegen der bereits eingegangenen Bestellungen.

Nissan Ariya im Test

Antrieb und Rekuperation

Der Nissan Ariya basiert auf der Plattform CMF-EV, bei deren Entwicklung Nissan die Federführung hat, die aber auch vom Renault Megane E-Tech Electric genutzt wird. Drei Motor-Akku-Kombinationen sind angekündigt, nämlich je ein Fronttriebler mit 63- und mit 87-kWh-Batterie sowie ein Allradler mit dem großen Akku.

Wir fuhren die Basisversion mit der kleinen 63-kWh-Batterie und 160-kW-Frontantrieb, und zwar die Version mit dem hier optionalen 22-kW-Bordlader und dem Ausstattungspaket Evolve. Schon mit der Grundmotorisierung liefert der Ariya beträchtlichen Schub. Der Motor ist ein fremderregter Synchronmotor, der von Renault gebaut wird und auch im Elektro-Megane zum Einsatz kommt. Als Vorteile dieser Bauart nennt Renault die im Vergleich zu Permanentmagnetmotoren (PSM) größere Leistungsbandbreite und die höhere Effizienz. Außerdem werden keine Seltenerdmetalle benötigt, da das Magnetfeld per Induktion erzeugt wird.

Die Rekuperation lässt sich dreistufig einstellen; für eine etwas stärkere Bremsenergierückgewinnung wählt man per Getriebewahlhebel den B-Modus; für noch stärkere Bremswirkung den e-Pedal-Modus. Echtes One-Pedal-Driving ist allerdings nicht möglich: Um Parkmanöver zu erleichtern, entschieden sich die Ingenieure für einen Kriechgang - das Auto lässt sich also durch Gas-Wegnehmen nicht zum kompletten Stillstand bringen.

Stromverbrauch und Reichweite   

Unser Stromverbrauch lag mit 13,7 kWh/100 km deutlich unter dem WLTP-Normverbrauch von 17,6 kWh; das lag allerdings an den von Nissan ausgesuchten Teststrecken rund um Stockholm, auf denen man selten schneller als 70 km/h fahren konnte.

Die WLTP-Reichweite der getesteten Version mit 63-kWh-Akku gibt Nissan mit maximal 403 km an. Die Fronttriebler-Version mit der großen Batterie schafft 533 km. Der mit dem Ariya konkurrierende VW ID.5 Pro Performance soll 536 km schaffen, obwohl die Batterie nur 77 kWh bietet, während die Nissan-Batterie 83 kWh speichern kann. Das liegt am niedrigeren Normverbrauch des VW von 16,3 kWh/100 km - der Nissan braucht 17,6 kWh/100 km.

Ladeleistung, Ladedauer und Ladekurve 

Die Basisversion des Nissan hat nur einen einphasigen Bordlader, mit dem man in Deutschland nur sehr langsam Wechselstrom laden kann: An einer dreiphasigen 11-kW-Wallbox kann nur mit einer Phase aufgeladen werden, also mit 11:3=3,7 kW. So gut wie alle Ariya werden deshalb wohl mit dem (beim 160-kW-Modell optionalen) 22-kW-Bordlader ausgeliefert; damit geht das Laden extrem fix - die kleine Batterie soll damit in nur 3,5 Stunden von 10 auf 100 Prozent gebracht werden können. 

external_image Ladedauer mit Wechselstrom (AC) bzw. Gleichstrom (DC) laut Hersteller

Alternativ kann man mit bis zu 130 kW Gleichstrom laden, was laut Hersteller je nach Batterie 28 oder 30 Minuten dauert (für einen Ladehub von 20 auf 80 Prozent). Bei der Pressekonferenz zeigte Nissan auch die folgenden Ladekurven. Sie sollen offenbar belegen, dass noch nach 30 min Aufladen (also wohl bei einem Ladestand um die 80 Prozent) mehr als 90 kW bzw. bei der großen Batterie sogar mehr als 110 kW erreicht werden:

Innenraum: Schick und minimalistisch

Das Cockpit wirkt minimalistisch und aufgeräumt; die Materialien sind bei der gefahrenen Evolve-Version fast durchgängig top. Dazu kommen zwei brillante 12,3-Zoll-Displays im Querformat, die nebeneinander auf dem Armaturenbrett stehen, plus ein großes, farbiges Head-up-Display.

Sehr gut sehen auch die Touch-Tasten am Armaturenbrett und in der Mittelkonsole aus; sie lassen sich auch problemlos bedienen. Mit einer dieser Tasten lässt sich eine Schublade elektrisch ausfahren; zudem gibt es noch ein manuell bedientes, kleines Handschuhfach. Weitere Besonderheiten sind die elektrisch verschiebbare Mittelkonsole und der Innenspiegel, den man zwischen Kamerabild und normalem Spiegel umschalten kann:

Eine weiteres Feature ist, dass man zum Beispiel das Kartenbild der Navigation mit einer Wischgeste auf das Instrumentendisplay transferieren kann. Praktischer fanden wir allerdings die Benutzung der Lenkradtasten, mit denen die Anzeigen auf dem Instrumentendisplay auf einfache Art und Weise konfiguriert werden können.

Der intelligente Around View Monitor zeigt bei Annäherung an Hindernisse auf dem Touchscreen automatisch ein Bild von oben auf dem Touchscreen. Bei Parkmanövern mag das praktisch sein, doch im Stau kann es irritieren, wenn das Bild immer wieder zwischen Kartenbild und der 360-Grad-Ansicht des Autos hin- und herspringt.  

Die Sitzposition im Ariya ist recht hoch; selbst bei ganz nach unten gestelltem Fahrersitz blieben bei dem nur 1,76 Meter großen Autor nur etwa drei bis vier Zentimeter über dem Scheitel, was zum Teil auch an dem Glasdach lag, das etwas Kopffreiheit kostet. Der größere Kollege kam mit weiter nach hinten gelegter Rücklehne besser zurecht, aber auch er war mit der Sitzposition nicht so recht zufrieden.

Die Kniefreiheit im Fond ist jedoch gut, die Kopffreiheit trotz der absinkenden Dachlinie okay. Das Kofferraumvolumen ist mit 468 Litern allerdings etwa 100 Liter kleiner als im ID.5.

Teilautonomes Fahrsystem: Nicht so gut wie bei BMW

Wir testeten auch das teilautonome Fahrsystem des Ariya, das im Wesentlichen aus dem Abstandstempomaten (ACC) und dem Spurhalteassistenten besteht. Sehr nützlich bei den ständig wechselnden Tempolimits auf den Straßen um Stockholm ist die Koppelung mit der Verkehrszeichen-Erkennung: Taucht bei 70 km/h ein 40-km/h-Tempolimit auf, dann schlägt das System vor, die Geschwindigkeit abzusenken.

Ein Knopfdruck am Lenkrad, und das neue Limit ist eingeregelt. Noch praktischer finden wir allerdings die Systeme von Audi oder BMW, die das Tempolimit einfach automatisch übernehmen. Ansonsten funktioniert das System ordentlich. Allerdings war der Spurhalteassistent von den engen Kurven der gefahrenen Landstraßen meist überfordert, und anders als von Nissan dargestellt, drosselte der Tempomat das Tempo vor scharfen Biegen nicht - bei unserer Fahrt mit dem BMW iX funktionierte das deutlich besser.

Navigation schlägt keine Ladestrategie vor

Zum Schluss unserer Testfahrt stellten wir noch das Navigationssystem auf die Probe: Wir legten das rund 1.700 Kilometer entfernte Helsinki als Ziel fest. Das Navi zeigte daraufhin die erwartete Restladung der Batterie am Ziel (0 Prozent) an, und es schlug die Suche nach einer Ladestation vor, die geordnet nach Entfernung aufgelistet wurden.

Mit der von Nissan hervorgehobenen Intelligenz des Systems ist es also nicht weit her. Ähnlich wie das Navi des Toyota bZ4X schlägt das Navi keine Ladestrategie vor. Das Ausknobeln der praktischsten Ladestopps (zum Beispiel 30 min Schnellladen an einem Ionity-Lader nach 300 km, dann wieder nach 200 km an einer 150-kW-Station etc.) muss man also selbst erledigen.

Weiteres Manko: Die Batterie wird laut Nissan nicht automatisch vorkonditioniert, wenn ein Schnelllader als Navigationsziel einprogrammiert wurde. Die Fahrerin oder der Fahrer muss selbst daran denken, die Vorwärmung des Akkus zu starten - etwa 30 Minuten vor Erreichen der Ladestation. 

Unser Favorit: 533-km-Version für 57.000 Euro 

Die gefahrene Version mit kleinem Akku und 160-kW-Frontantrieb gibt es ab 47.490 Euro; mit dem unbedingt nötigen 22-kW-Lader landet man bei 49.990 Euro. Die Leistung von 160 kW reicht locker aus, doch rund 400 km Reichweite werden nicht mehr viele zufriedenstellen. Auch wir würden bei einem Budget von 50.000 Euro lieber den ID.5 mit 150-kW-Heckantrieb und 536 km Reichweite bestellen. Nissan erwartet denn auch, dass 80 Prozent der Kundinnen und Kunden die große Batterie ordern. Damit kostet das Auto dann aber schon 56.990 Euro.

Fazit: 22-kW-Lader ist das beste Ariya-Argument

Elektrisch angetriebene SUVs der Kompakt- und Mittelklasse gibt es wie Sand am Meer. Was also bietet der Nissan Ariya, was andere nicht haben? Die Touch-Buttons und die großen Displays sind schick, die Außenoptik finden wir durchaus okay und das Innenraumangebot ist gut. Doch unübersehbare Kaufgründe sind das für uns nicht.

Nein, das A und O bei einem Elektroauto sind nun mal Reichweite und Ladeeigenschaften. In Sachen Reichweite ist nur die 533-km-Version satisfaktionsfähig; die aber ist mit fast 57.000 Euro deutlich teurer als ein vergleichbarer VW ID.5. Allerdings bietet der Nissan einen 22-kW-Lader, mit dem man das Auto an einer entsprechenden Wallbox rasend schnell aufladen kann - der ist für uns das beste Argument für den Ariya. 

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