Wären die kleinen Japaner auch eine Option für Europa?







Wer schon einmal in Japan war, kennt sie: kleine, schmale, aber hohe Autos. Diese sogenannten "Kei Cars" sind im Land allgegenwärtig. In Japan gehören Kei-Cars zu den beliebtesten Fahrzeugklassen, insbesondere in ländlichen Präfekturen. Dort sind sie oft von der Pflicht befreit, einen eigenen Stellplatz nachzuweisen - ein Vorteil, der ihre Verbreitung zusätzlich fördert. In vielen Dörfern sind die Straßen so schmal, dass sie praktisch nur von Kei-Cars befahren werden können.
Aber auch in den Großstädten ist das kleine Format natürlich von Vorteil, zumal fast jedes Kei-Car mit Automatikgetriebe ausgeliefert wird. Eine weitere Besonderheit von Japan: Das Parken am Straßenrand existiert dort so gut wie nicht. Auch Parkbuchten oder ähnliches sind selten.
Hinzu kommen beim Kei Car staatliche Vergünstigungen, etwa bei Kfz-Steuern, Mautgebühren und Parkkosten, sowie die insgesamt niedrigeren Anschaffungs- und Unterhaltskosten. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass Kei-Cars stark nachgefragt sind. Im Jahr 2020 machten sie rund 40 Prozent aller in Japan zugelassenen Autos aus.
Die Gesamtzahl der Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen in Japan ging im Jahr 2024 (Januar bis Dezember) um 7,5 % auf 4.421.494 Fahrzeuge zurück, verglichen mit 4.779.086 verkauften Fahrzeugen im Jahr 2023. Diese Zahl umfasst Personenkraftwagen, Kleinstwagen, Nutzfahrzeuge, Kleinst-Nutzfahrzeuge und Busse.
Der japanische Automarkt wurde durch den Ende 2023 bekannt gewordenen Testskandal bei Daihatsu erschüttert. Daihatsu wurde sofort von den Autokäufern hart bestraft (zusätzlich zu weiteren Maßnahmen der zuständigen Behörden) und verlor 2024 fast die Hälfte seines Jahresumsatzes in Japan. Auch Toyota, Eigentümer von Daihatsu, wurde dafür verantwortlich gemacht und musste einige Modelle, die die gleichen Komponenten verwendeten, vom Markt nehmen.
Doch mit rund 367.000 Neuzulassungen liegt Daihatsu immer noch auf Platz 5 (Platz 3 in 2023) der meistverkauften Automarken in Japan. Schließlich ist die Firma aus Osaka (dort empfiehlt sich der Besuch des samstags geöffneten Werksmuseums) im Toyota-Konzern für die kleinen Fahrzeuge zuständig, da Toyota selbst keine Kei-Cars anbietet.
Bis 2013 war Daihatsu auch auf dem deutschen Markt aktiv, einige Kei Cars kamen auch zu uns. Darunter einige Generationen des Cuore, der Ur-Copen oder im Jahr 1997 der Move. Die siebte Generation des Move ist seit dem 5. Juni 2025 in Japan im Handel erhältlich. Sie basiert auf der Daihatsu New Global Architecture-Plattform basiert. Das baugleiche Schwestermodell, der Subaru Stella, wurde später im selben Monat vorgestellt. (Einst teilten sich Daihatsu und Subaru auch in Deutschland kleine Modelle, doch das nur am Rande ...)
Der Move zeichnet sich durch ein X-förmiges Design der Frontpartie sowie schmale, mit dem Kühlergrill verbundene Scheinwerfer und L-förmige vertikale Rückleuchten aus. Er ist außerdem mit zwei Styling-Paketen namens Dandy Sports und Noble Chic erhältlich. Zum ersten Mal in der Modellgeschichte verfügt der Move über hintere Schiebetüren, die bei allen Ausstattungsvarianten (außer der Einstiegsausstattung L) serienmäßig sind und über eine elektrische Funktion sowie ein Touch-and-Go-Verriegelungssystem verfügen.
Auf auf der Japan Mobility Show 2025 in Tokio war der neue Daihatsu Move zugegen, sodass wir die Gelegenheit nutzten, um zu prüfen, wie es sich in einem Kei Car so sitzt. Parallel gab es auf der Messe die neueste Ausgabe des "Japanese Motor Vehicles Guidebook" zu kaufen, welches uns die nötigen technischen Daten liefert.
Seite 143 weiß dort mehr: 3,39 Meter Länge und 1,47 Meter Breite, womit sich der Move in den gesetzlich vorgeschriebenen Dimensionen bewegt. Höhe und Radstand sind hingegen frei. Hier lauten die Werte 1,65 Meter und 2,46 Meter. 150 Millimeter Bodenfreiheit gibt es, die Innenraummaße betragen 2,14 Meter Länge, 1,33 Meter Breite und 1,27 Meter Höhe. Das Leergewicht des Daihatsu Move wird mit 890 Kilogramm angegeben.
So genügen die ebenfalls gesetzlich festgeschriebenen 660 Kubikzentimeter Hubraum und 47 kW (64 PS) Leistung. Beim Move sind es exakt 658 Kubik aus einem Dreizylinder in der RS-2WD-Variante, welche die erwähnten 64 PS per Turbo ermöglicht. 100 Newtonmeter Drehmoment stehen bei 3.600 Umdrehungen. Die schwächere Variante ohne Turbo muss mit 52 PS und 60 Nm auskommen. Stets mit an Bord ist ein stufenloses CVT-Getriebe.
Und sonst noch so auf dem Papier? Vorne Scheibenbremsen, hinten Trommeln beim Move RS 2WD, der Verbrauch im japanischen WLTC-Zyklus wird mit rund 4,6 Liter auf 100 Kilometer angegeben. Die Bereifung hat das Format 165/55 R15 75V. Eine Höchstgeschwindigkeit nennt der Katalog nicht, beim "deutschen" Move waren es einst 130 km/h. Angesichts der Tempolimits in Japan erscheint das ausreichend. Der Preis für den Move RS 2WD beträgt 1.897.500 Yen, umgerechnet 10.675 Euro. Jetzt wird klar, warum Kei Cars so beliebt sind. Und die EU über diese Fahrzeugklasse inzwischen laut nachdenkt.
Doch nun hinein in den ausgestellten Daihatsu Move. Ich beginne ganz hinten und öffne die Heckklappe. Leider öffnet sie für mich nicht hoch genug. Gigantisch ist der Kofferraum wahrhaft nicht, dafür ist die Ladekante niedrig.
Bilder von: Motor1.com Deutschland
Doch obacht! Nachdem ich die hinteren Sitze durch die sehr praktische Schiebetür entere, bemerke ich die Längsverstellung. Und diese hat einen sehr weiten Bereich. Entweder wähle ich maximalen Gepäckraum und schiebe die Sitze ganz nach vorne (umklappen kann ich sie auch). Oder ich wähle maximalen Fußraum zulasten des Kofferraums und kann dann die Beine wie in einem London-Taxi übereinanderschlagen. Auch die Neigung der Lehnen kann ich wählen, umgeklappt ergibt sich eine ebene Fläche.
Jedweden Hut kann ich getrost auflassen, denn die Kopffreiheit ist riesig. Auch vorne, wo ich recht hoch einsteige und die Tür mit blechernem Klang schließt. Und auch hier zeigt sich das clevere Sitzkonzept der Ingenieure. Was aussieht wie eine durchgehende Sitzbank und dank des hoch monitierten Automatik-Wählhebels auch so genutzt werden kann, sind in Wahrheit zwei einzeln verschiebbare Sitze mit Mittelarmlehne.
Bilder von: Motor1.com Deutschland
Stoff wertet die Oberseite der Türverkleidungen auf, selbst eine Klimaautomatik ist an Bord. Natürlich befindet sich das Lenkrad auf der rechten Seite, wir sind ja in Japan. Links und rechts befindet sich an den Enden des Armaturenbretts ein Cupholder. Die allgemeine Bedienung des Cockpits ist simpel, ich blicke durch eine große steile Scheine nach draußen auf eine sehr kurze Motorhaube. Apropos: Kei Cars mit Elektroantrieb gibt es in Japan schon mit dem Nissan Sakura, bald folgt Honda. Suzuki zeigte in Tokio den Vision e-Sky. Und BYD aus China bläst mit dem Racco zum Angriff auf Japans ureigenste Auto-Kategorie.
Können Kei Cars auch etwas für Europa sein? Konzeptionell und preislich auf jeden Fall, wie das Beispiel des Daihatsu Move zeigt. Offen bleibt jedoch, ob ein Preis im unteren 10.000-Euro-Bereich gehalten werden kann mit Blick auf Import, Homologation sowie Vorschriften zu Crashsicherheit, Abgasnormen und Assistenzsystemen. Hier könnte eine mildere EU-Kei-Car-Klasse hilfreich sein. Motto: Weniger ist mehr.