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Audi Q8 im Test: Lohnt sich das Premium-SUV-Coupé wirklich?

Steckt hinter all der Mode auch Substanz? Definitiv, aber achten Sie auf Ihre Konfiguration

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Was ist das?

Meine Güte, was soll man dazu noch groß sagen. Vor ziemlich genau zehn (ja, 10!) Jahren hat BMW mit dem X6 die für viele unsägliche Klasse der SUV-Coupés erschaffen. Unpraktischere, nicht immer schönere Versionen von normalen SUVs, die in der Regel auch noch deutlich mehr kosten. Keiner glaubte, dass das was wird. Aber ganz offensichtlich haben sehr viele Menschen so ein Ding gekauft. Mittlerweile gibt es eine ganze Armada an SUV-Coupés. BMW X4, Mercedes GLC Coupé, Porsche Macan und wie sie nicht alle heißen. Und nun, im Sommer 2018 auch endlich eins von Audi - sagen Sie Hallo zum neuen Q8.

Man muss diese Klasse nun wirklich nicht mögen. Trotzdem kann man Audi beim Q8 so etwas wie einen Wurf attestieren. Verglichen mit X6 oder GLE Coupé ist er - zumindest für den Befüller dieser Zeilen - ein wahres Manifest der Eleganz. Der feudale Grill samt Monumental-Umrahmung (erhältlich in drei Farben) hätte vielleicht einen Ticken weniger feudal und monumental ausfallen können, ansonsten stimmt hier relativ viel.

Wobei man sich natürlich nach wie vor die Frage stellen darf, was das alles eigentlich soll? Also so eine an-aggressivierte, versportelte, PR-optimierte Lifestyle-Version eines Über-fünf-Meter-Über-zwei-Tonnen-Klotzes. Die Antwort ist relativ einfach: Genügend Menschen fahren tierisch darauf ab.

Was ist neu?

Natürlich kriegt auch der Q8 die universelle Groß-Hoch-Luxuriös-Plattform des Konzerns. Porsche Cayenne, Lamborghini Urus und Bentley Bentayga stehen drauf. Und selbstverständlich der Q7. Dem gegenüber wurde der Q8 sechs Zentimeter kürzer, 3,5 Zentimeter flacher und knapp drei Zentimeter breiter (ja, noch breiter) geformt. Was man halt so macht, wenn man Schneid und Dynamik erzeugen will.

Der Q8 kommt serienmäßig mit adaptivem Stahlfahrwerk. Optional gibt es zwei Luftfederungen (einmal mit und einmal ohne Sport) und die vom SQ7 bekannte Allradlenkung. Sie stabilisiert bei schnellen Kurvenfahrten und agilisiert in den engen Ecken, Sie kennen das Spiel inzwischen. Die oft als magisch titulierte elektromechanische Wankstabilisierung kriegt der Q8 übrigens nicht. Vorerst zumindest. Audi sagt, der Q8 habe das durch die Mehrbreite und den tieferen Schwerpunkt nicht nötig. Ich vermute, spätestens bei den Topmodellen SQ8 und RS Q8 werden wir die elektrischen Zauber-Stabilisatoren dennoch zu sehen bekommen.

"Das neue Infotainmentsystem ist meisterlich intuitiv"

Einer der größten Vorteile gegenüber dem Q7 befindet sich übrigens direkt vor Ihrer Nase. Genau, der Q8 kriegt das neue Infotainment aus A6, A7 und A8. Das bedeutet für Sie: Gleich zwei Bildschirme, auf denen Sie hemmungslos touchen dürfen. Oder einfach drauflos quatschen, denn die Sprachbedienung wurde ebenfalls stark verbessert und funktionierte bei meinen Versuchen hervorragend.

Ein Kollege meinte kürzlich, er fände das mit den zwei Screens zu viel. Aber der gute Mann ist auch über 50 (sorry, liebe Best Ager). Ich empfand das neue System im Test als meisterlich intuitiv. Die Menü-Anordnung wirkt extrem übersichtlich und man ist nie mehr als einen Klick von seinem Ziel entfernt. Der untere Bildschirm kümmert sich hauptsächlich um die Klimatisierung. Und die Navi-Eingabe. Wenn Sie mögen, können Sie Ihr Ziel auch einfach mit dem Finger hineinkritzeln.

Sehr gut: Die Bedienung der einzelnen Kacheln funktioniert haptisch. Sie müssen also bewusst drücken und erhalten Rückmeldung per Widerstand. Vorteil: Sie landen beim Scrollen oder Zoomen nicht ständig in Menüs oder bei Radiosendern, die sie gar nicht ansteuern wollten. Dass der ganze Apparat - optisch überaus ansprechend - auch noch in einer großen Klavierlack-schwarzen Fläche über das ganze Armaturenbrett verschmilzt, ist halt wieder typisch Audi. Wobei überraschenderweise nicht alles im Q8-Interieur so High-End-luxuriös aussieht. Dazu gleich mehr.

Wie fährt er?

Verblüffend gut. Sogar beinharte Puristen, die große, hohe, schwere Autos verteufeln, werden das zugeben müssen. Was direkt auffällt: Verglichen mit dem eher gemütlichen, weichen und etwas schunkeligen Q7 (SQ7 ausgenommen) wirkt der Q8 wie ein komplett anderes Auto.

Spürbar engagierter, fokussierter, als hätte er das Bein- und Rumpf-Training voll durchgezogen anstatt sich mit der Tüte Chips auf die Couch zu verkrümeln. Seltsamerweise fühlt er sich beim Fahren trotz des noch breiteren Kreuzes kompakter und sehniger an. Zumindest, so lange man Parkhäuser und andere Dinge mit Mauern meidet. Zwei Meter Breite (ohne Spiegel) und 13,3 Meter Wendekreis bringen selbst den gewieftesten Rangierer an seine Grenzen. Dafür können Sie dann wiederum Unmengen an modernsten Kameras bestellen und natürlich sind auch die Assistenzsysteme (es gibt 39 Stück) absolut State of the Art. Aber zurück zum Thema ...

Der Q8 lenkt besser ein, zeigt deutlich weniger Seitenneigung, bleibt länger neutral als sein kastigerer Bruder. Im Grenzbereich - ich weiß, das klingt etwas hanebüchen bei einem 2,2-Tonnen-Diesel-SUV - kommt sogar das Heck ein bisschen mit rum. Eine Folge der 40:60-Allradverteilung, die im Bestfall gar bis zu 75 Prozent der Kraft nach hinten leitet.

Erwarten Sie bitte trotzdem keinen Porsche Cayenne. So absurd spielerisch und talentiert wie der Zuffenhausener feuert der Q8 nicht durch die Kurve. Will er vermutlich auch gar nicht. Er kann schneller durch eine Biegung düsen, als Sie das in 99 Prozent der Fälle brauchen werden. Dabei wirkt es aber immer, als würde größtenteils die Elektronik das Zepter schwingen, um all die Kräfte, die das Riesen-Ding in alle Richtungen wirft, im Zaum zu halten.

Im Cayenne fühlt sich das Dynamische irgendwie organischer, natürlicher an. Dafür kann der Q8 Komfort viel besser. Trotz der beängstigend großen 22-Zöller meines Testwagens verlor er beim Test nie die Contenance. Selbst im Dynamik-Modus, wo alles am Auto ein bisschen die Augen zusammenkneift und den Bizeps anspannt, bleibt Ingolstadts Top-SUV immer geschmeidig. Geschmeidig und ausgesprochen ruhig. Was uns direkt zum Motor bringt …

Ah, stimmt. Wie sind die Motoren?

Vorerst ist es lediglich ein Motor. Ein Dreiliter-V6-Diesel mit 286 PS und 600 Newtonmeter Drehmoment, der - ich werde es wohl nie verstehen - unter 50 TDI firmiert. Dazu kommen ein 48-Volt-Bordnetz, eine kleine Lithium-Ionen-Batterie sowie ein Starter-Generator. Bedeutet: Der Q8 segelt zwischen 55 und 160 km/h, schaltet schon ab 22 km/h in den Start-Stop-Modus und springt danach völlig unmerklich wieder an. Er rekuperiert auch mehr. Keine Sorge, im Alltag merken Sie davon eher wenig, außer dass das Ganze ein bisschen Sprit spart. In Bälde folgen ein weiterer V6-Diesel mit 231 PS (45 TDI) sowie ein 340-PS-V6-Benziner (55 TSI).

Natürlich ist der Selbstzünder nicht allein am Verwöhn-Geräuschniveau im Q8 Schuld, aber er hat einen großen Anteil. Hier dieselt nix mehr. Gar nix mehr. Kein ekliges Nageln im Stand oder beim Anfahren und obenraus, wenn man ihn richtig fordert, eher ein bassiges, wohliges Sechszylinder-Dröhnen. Ich weiß, es kommt durch die Lautsprecher, aber es klingt tausendmal besser als jedes natürliche Geräusch, das ein Diesel von sich geben kann.

Die Leistung des Motors wirkt jederzeit ausreichend, ohne einen so richtig vom Hocker zu hauen. Dafür hat man um das Aggregat einfach zu viel Auto gebaut. Der Q8 50 TDI ist zweifelsfrei schnell. Und das auf die angenehmste, entspannendste Weise. Er hat eine hervorragende Achtgang-Automatik. Und unser Testverbrauch geht mit 8,6 Liter auch voll in Ordnung. Aber für ein so exzentrisch gezeichnetes Auto, für das Spitzenmodell in Audis riesigem SUV-Portfolio, wirkt er mit dem TDI irgendwie nicht speziell, nicht aufregend genug.

Nicht jeder braucht 600 PS ...

Um Himmels Willen, nein. Natürlich nicht. Und dieses Auto hat auch mit diesem Antrieb einen Grad an Perfektion erreicht, der fast schon Angst macht. Die Schuld liegt beim Q8 selbst. Wenn man ihn sieht, seine exaltierten Formen, seinen Status, dann denkt man nicht an einen vernünftigen Familien-Packesel, sondern eher an einen Lambo Urus oder einen Bentley Bentayga. Außerdem ist sein Fahrwerk auch für deutlich mehr gerüstet. Menschen, die ein bisschen Gänsehaut beim Fahren zu schätzen wissen, dürfen also durchaus noch ein bisschen warten. Auf den 340-PS-Benziner oder auf die vermutlich sehr gänsehautigen S- und RS-Varianten.

"Sie werden kein SUV-Coupé finden, dass Ihnen den Raum verschwenderischer entgegenschleudert"

Da war noch was mit dem Innenraum?

Stimmt, es schlägt ein wenig in die gleiche Kerbe. Topmodell-Status, dieses kleine bisschen mehr Bling Bling, das man dort erwartet. Ich bin mir bewusst, dass Audi-Interieurs ein Sakrileg sind. Kritisiert man sie, geht ein Raunen durchs weite Rund. Deswegen versuche ich es anders: Achten Sie auf Ihre Konfiguration. Unser Testwagen kam eher basic. Ohne S-Line-Paket. Dafür mit etwas seltsam anmutenden Holz-Dekor und einem Lenkrad, das aussah wie im acht Jahre alten Q5, den ich vor ein paar Wochen fuhr. Das passte nicht so recht zum hochglänzend-futuristischen Rest der Kabine.

Ansonsten verdient das Q8-Innenleben nur ein Wort: Wow! Dank dem Q7-Radstand von drei Metern werden Sie kein SUV-Coupé finden, dass ihnen den Raum verschwenderischer entgegenschleudert, als dieses. Die Kopffreiheit hinten ist trotz der Dachlinie hervorragend. Bein- und Schluterfreiheit sind nicht weniger als exorbitant. Selbst, wenn Sie die verschiebbare Rückbank ganz nach vorne stellen, passt das noch. Dann kriegen Sie 680 Liter Kofferraum. Sonst sind es 605. Oder alles umklappen und der Q8 spendet 1.755 Liter. Ganz ehrlich: Aus Gründen der Praktikabilität brauchen Sie wirklich keinen Q7 kaufen. Und damit kommen wir zur entscheidenden Frage …

Soll ich ihn kaufen?

Ich würde sagen: Ja, das sollen Sie. Wenn Sie nicht mindestens vier Kinder oder einen extremen Steilheck-Fetisch haben, gibt es kaum einen Grund für den Q7. Klar, die dritte Sitzreihe fällt beim Q8 aus und der Kofferraum ist etwas weniger gigantisch. Ansonsten ist er genauso geräumig wie der Q7, hat das deutlich bessere Infotainment und fährt um Welten dynamischer.

Kurzer Schockmoment: Der Grundpreis von 76.300 Euro liegt 9.000 Euro über dem des vergleichbaren Q7. Dafür ist aber auch wesentlich mehr Ausstattung an Bord. Inklusive LED-Scheinwerfern, Leder, dem hervorragenden Virtual Cockpit und dem großartigen neuen Infotainmentsystem.

Er wirkt auch deutlich moderner, technischer und insgesamt einfach besser als BMW X6 oder Mercedes GLE Coupé. Zu deren Verteidigung sei gesagt, dass beide in Bälde abgelöst werden.

Momentan macht der Audi Q8 den Eindruck eines unglaublich durchdachten, geschliffenen, umschmeichelnden Autos. Es ist nicht schwer, seinen Alltags-Qualitäten und seiner technischen Finesse zu verfallen. In puncto Glamour, diesem Gefühl, das absolute SUV-Flaggschiff der Marke zu fahren, geht aber sicher noch ein bisschen was. Spätestens wenn die Audi-Sport-Modelle aufschlagen, dürfte auch dieser Punkt abgehakt sein. Der Q8 hat ja gerade erst angefangen. Der Start ist ziemlich vielversprechend.

Fazit: 8 von 10

+ Hightech auf höchstem Niveau; fährt deutlich dynamischer als ein Q7; sehr geschliffener Gesamteindruck; exorbitante Platzverhältnisse; sehr angenehmer Diesel

- etwas mehr Motor-Gänsehaut und Bling im Innenraum würden besser zum extrovertierten Äußeren passen

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