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Test BMW M8 Gran Coupé Competition (2020): Besser als RS 7 und AMG GT 63 S?

Abartig schnell, saumäßig dynamisch, etwas extrem ...

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Was ist das?

Ein sehr elegantes Gefährt mit dem deutlich weniger eleganten Namen BMW M8 Gran Coupé Competition. Die Krone der BMW 8er-Schöpfung, wenn Sie so wollen. Hier kriegen Sie den völlig wahnsinnigen 625-PS-Biturbo-V8 und all die monströs dynamischen Fahrwerks- und Chassis-Upgrades des M8 Coupé.

Was Sie aber auch kriegen, sind doppelt so viele Türen, 23 Zentimeter mehr Außenlänge, 20 Zentimeter mehr Radstand und eine entsprechend angenehme Interieur-Atmosphäre für bis zu vier Personen. 

Sollten selbige so empfinden wie der Verfasser dieses Berichts, werden sie sich zudem über die äußerst ansehnliche Hülle des M8 GC freuen. Ich würde sogar so weit gehen und ihn zum derzeit schönsten BMW küren (böse Zungen würden jetzt behaupten, das mit dem schönsten BMW sei derzeit auch nicht besonders schwer *hüstel*), aber ich werde mich natürlich nicht wehren, wenn Sie da anderer Meinung sind.

Die Konkurrenz ist unterdessen mit Porsche Panamera Turbo, dem extremen Mercedes-AMG GT 63 S und der hervorragenden Neuauflage des Audi RS 7 knallhart. Sehr große, sehr schwere, über die Maßen teure Fließheck-Limousinen mit der Kraft mehrerer Kreuzfahrtschiffe sind offenbar gerade ziemlich en vogue. 

Fährt er denn so gut wie das M8 Coupé?

Dahingehend möchte ich zuerst einmal rekapitulieren, dass der zweitürige M8 für mich eine der Sensationen des letzten Jahres war. Das lässt für das technisch nahezu identische M8 Gran Coupé (in Deutschland übrigens ausschließlich als stärkeres Topmodell Competition zu haben) einiges erwarten. Es übernimmt die zahlreichen Änderungen im Fahrwerksbereich sowie die umfangreichen Versteifungsmaßnahmen am Chassis. 

Auch der Antrieb arbeitet unverändert. Es bleibt beim 4,4-Liter-Biturbo-V8 mit 625 PS und 750 Nm Drehmoment. Die Kraft geht über die verstärkte M-Variante der ZF-Achtgang-Automatik im Normalfall an alle vier Räder. Ein elektronisch geregeltes Sperrdifferenzial verteilt die Power bedarfsgerecht zwischen den Hinterrädern. 

Der ausgefuchste M-xDrive-Allrad kann per Knopfdruck aber auch deutlich hecklastiger eingestellt werden oder die Vorderachse gleich komplett abkoppeln (nur bei deaktiviertem ESP), wenn Sie die Gefahr mehr lieben als Ihre mindestens 165.000 Euro teure Münchner Performance-Limousine. 

Fahrdynamische Nachteile ergeben sich - zumindest auf dem Papier - durch die insgesamt deutlich angeschwollenen Ausmaße sowie ein Mehrgewicht von immerhin 95 Kilogramm.

Also nochmal: Merkt man die Unterschiede?

Ich meinte zu fühlen, dass das Auto einen Tick weniger Koffein in der Blutbahn hat als das M8 Coupé. Fahrwerksentwickler Jörg Weidinger sagte mir aber, dass das Gran Coupé in seiner Grundabstimmung näher am Coupé ist als das M8 Cabrio. Dazu sei gesagt: Den zweitürigen M8 fuhr ich ausschließlich auf der Rennstrecke, diesen hier auf ganz normalen Landstraßen - da ergibt sich schon mal ein leicht verzerrtes Bild. 

Die Quintessenz ist jedoch: Auch der große M8 ist ein absurd agiler und scharf eingestellter Hund. Gegenüber dem sechszylindrigen 840i Gran Coupé, dass uns mit seiner Leichtfüßigkeit übrigens sehr gut gefiel, ist das hier schon ein ganz anderes Kaliber. Schwerer, wuchtiger, aber auch auf einem komplett neuen Performance-Level. 

"Wie zuletzt schon bei diversen Autos der M GmbH empfindet man ein fast schon Comic-haft agiles Fahrgefühl."

Die Extreme, mit der er vorgeht, würde man in Anbetracht seines Umfangs wohl eher nicht erwarten, aber das ist ja bei bereits angesprochenem AMG GT 63 S auch nicht anders. 

Das Fahrwerk agiert eher auf der straffen Seite. Es ist nicht wirklich störend, aber einen fliegenden Teppich sollten Sie auch nicht erwarten. Am besten stellen Sie die Dämpfer einfach auf "Comfort" und nutzen "Sport Plus" lediglich, wenn Sie jemanden dabei haben, den Sie nicht besonders mögen. 

All die Versteifungen und die Änderungen der Fahrwerkskinematik inklusive mehr Radsturz vorne führen zu einer ungewöhnlich direkt angebundenen Vorderachse und einem sehr sehr schnellen Einlenkverhalten. Wie zuletzt schon bei diversen Autos der M GmbH empfindet man ein fast schon Comic-haft agiles Fahrgefühl.

Die Lenkung mit ihrem dicken Kranz agiert in der normalen Einstellung superschnell, wenn auch etwas taub und künstlich. Stellt man sie in einen der Sport-Modi wird sie halt schwerer, aber nicht unbedingt gefühlvoller.

Es machte in der jüngeren Vergangenheit häufiger den Eindruck als würden die M-Lenkungen erst unter extremen Bedingungen - etwa auf der Rennstrecke - richtig auftauen. Ob das so gut ist, kann jeder sehen wie er will.

Einmal mehr herausragend ist die Abstimmung des Allradantriebs gelungen. Trotz heroischer Mengen an Traktion vermittelt einem der M8 GC stets das Gefühl eines etwas verspielten heckgetriebenen Fahrzeugs. Umso mehr, wenn man vom 4WD- in den 4WD-Sportmodus schaltet. Das beste aus zwei Welten, sozusagen. 

Versierte (oder sehr mutige) Naturen klicken sich für die volle Portion Irrsinn in den 2WD-Modus. Dann wird die Hinterachse samt der großartigen Michelin Pilot Sport 4S-Pneus von den 625 PS förmlich gegrillt. Als reiner Hecktriebler macht der M8 wahrlich keine Gefangenen, schickt sein Heck in Nullkommanix auf die Reise. 

Und der Antrieb? 

Hier gibt es wenig, was noch nicht gesagt wurde. Je häufiger man diesen Urvieh eines Achtzylinders bewegt, desto weniger kann man ihm widerstehen. Die Reaktionsgeschwindigkeit auf Gas-Input ist ein ums andere Mal verblüffend, der Druck quer übers Drehzahlband einfach nur pervers. 

Ein mehr als fünf Meter langes, zwei Tonnen schweres Gefährt, dass in 11 Sekunden auf 200 km/h beschleunigt, kann durchaus lustige (leicht schmerzhafte) Gefühle erzeugen. Oder ein wenig nachdenklich machen, denn ehrlich gesagt ist diese neue Gattung ultraperformanter Groß-Limousinen inzwischen so schnell, dass man im Alltag kaum mehr als ein Viertel der Leistung abrufen kann, wenn man nicht ständig mit einem Bein im Knast stehen will. 

Überwältigend ist wohl das richtige Wort für die Leistung dieses Autos. Zum kapitalen Antrieb des M8 GC gehört aber auch eine hervorragende Achtgang-Automatik, die sowohl eigenständig als auch selbst geschaltet keine Wünsche offen lässt. 

Der Klang des 4,4-Liter-Biturbos ist gemessen an dem, was heutzutage noch erlaubt ist, wirklich gut. Nicht so tief und donnernd wie bei den Freunden von AMG, eher ein Achtzylinder-Bariton mit schöner, nicht zu aufdringlicher Präsenz.

Und innen?

Das Cockpit unterscheidet sich nicht wirklich von dem der anderen M8, außer, dass es vorne ein wenig mehr Kopffreiheit gibt. Verarbeitungsqualität, Materialgüte, Ergonomie und Bedienkomfort sind über jeden Zweifel erhaben. Sollten Sie es besonders extrovertiert mögen, empfiehlt sich eventuell die Testwagenausstattung in "Volleder Merino Sakhir Orange". 

Das hervorragende Head-up-Display ist beim M8 Competition glücklicherweise Serie, damit müssen Sie sich weniger auf das nach wie vor mühselig ablesbare digitale Instrumentendisplay verlassen. 

Ein wenig Kritik gibt es auch an den Sitzen, die für einen großen GT (wenn auch einen sehr sportlichen) doch arg eng und stramm gepolstert ausfallen. Der Beinraum im Fond ist üppig bemessen, für die Frisur wird es erst ab Körpergrößen von 1,85 Meter eng.

Soll ich ihn kaufen?

Insgesamt wirkt der M8 GC spielerischer und agiler als ein RS 7. Außerdem ist er spürbar schneller. Das gilt - abgesehen vom Speed - auch in Bezug auf den AMG GT 63 S. Der Benz ist genauso irrsinnig kräftig, fühlt sich etwas ungehobelter aber auch ungefilterter an. 

Fahrdynamisch gibt es gegenüber dem M8 Coupé kaum Einbußen, schon gar nicht solche, die man im Alltag bemerken würde. Dahingehend ist das M8 Gran Coupé für alle, die ein wenig Variabilität schätzen sicher das bessere Angebot. Noch dazu, weil es - warum auch immer - 3.000 Euro günstiger ist als der Zweitürer.

Der Preisaufschlag von mehr als 40.000 Euro gegenüber dem 530 PS starken M850i GC ist natürlich exorbitant. Alle, die das Geld nicht juckt, kriegen mit der vollwertigen M-Variante aber auch ein Auto dass sich wirklich spezieller und performanter anfühlt.

Fazit: 8/10

+ überragender, furchteinflößend kräftiger V8-Antrieb

+ sehr feinfühliges Allrad- (und Hinterradantriebs-) Setup

+ extrem agiles Handling

+ überragende Qualität bei Interieur und Bedienung

 

- Lenkung sehr schnell und etwas gummig

- Sitze sehr eng und etwas unbequem

- horrender Aufpreis gegenüber nächstschwächerem V8-Modell

 

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