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Jaguar X-Type (2001-2009): Klassiker der Zukunft?

Der Jaguar, der eigentlich keiner war

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Unsere geschätzten Leser haben bestimmt schon einmal die Rubrik "Kennen Sie den noch?" studiert. Dort stellen wir Autos von früher vor, die inzwischen fast vergessen sind. Doch was ist mit den Modellen, die durchaus noch zahlreich im Straßenverkehr umherfahren? Jene Typen, die jeder kennt, die aber auch schon gut 20 Jahre auf dem Buckel haben.

Werden sie einmal Oldtimer? Das birgt Zündstoff für kontroverse Diskussionen. Einige dieser Modelle wollen wir in unserer neuen Reihe "Klassiker der Zukunft?" vorstellen.

Wenn sogar der Hersteller selbst alle Fotos und Informationen zu einem bestimmten Modell von seiner Presseseite tilgt, ist das kein gutes Omen. Offenbar ist Jaguar der zwischen 2001 und 2009 gebaute X-Type immer noch ein wenig peinlich.

Pro:

Er ist ein Jaguar. Optisch besteht daran kein Zweifel. Der gut 4,70 Meter lange X-Type wirkte stets wie ein verkleinerter XJ. Von April 2001 bis Dezember 2009 wurde der Jaguar X-Type gebaut. Für satte 450 Millionen US-Dollar modernisierte man das Werk im britischen Halewood bei Liverpool.

Und auch bei den Motoren ließ sich Jaguar nicht lumpen: Die Benziner waren ausschließlich Sechszylinder in V-Form mit Leistungen zwischen 156 und 230 PS. Doch im Jahr 2003 geschah das Undenkbare: Erstmals gab es einen Jaguar mit Dieselmotor! Der 2,0-Liter-Vierzylinder brachte es auf 130 PS. 2005 folgte ein 2,2-Liter-Diesel mit 155 PS.

Um nicht (ganz) vom markentypischen Heckantriebskonzept abzukehren, wurde der X-Type vorerst ausschließlich mit Allradantrieb auf den Markt gebracht. Erst ab Mitte 2002 kamen darunter angesiedelte Basismodelle mit reinem Frontantrieb (nur mit den kleineren Motoren) hinzu, was von Liebhabern der Marke als Bruch mit den traditionellen Konstruktionsprinzipien der Briten bemängelt wurde.

Im Januar 2004 folgte als Ergänzung das als Estate bezeichnete Kombimodell. Im November 2007 wurde der X-Type überarbeitet. Die Front sowie das Heck und die Heckleuchten wurden leicht modifiziert. Der alte 2.0 D wurde durch einen neuen 2.2 D ersetzt. Dieser leistete 107 kW (145 PS), erfüllte dank Partikelfilter die Euro-4-Abgasnorm und war erstmals mit einem Automatikgetriebe kombinierbar.

Letztlich war der X-Type in vieler Hinsicht ein Meilenstein für die Marke Jaguar: Der erste Diesel der Marke, der erste Vierzylinder, der erste Fronttriebler und der erste Kombi. Innen gab sich der Jaguar X-Type bei Bedarf mit viel Holz besonders nobel. Wer hohe Laufleistungen nicht scheut, kann heutzutage einen X-Type mit einem Jahr TÜV schon für gut 2.000 Euro bekommen. Jaguar fahren für wenig Geld. Das klingt verlockend.

Contra:

Er ist kein Jaguar. Kauft Euch doch gleich einen Ford Mondeo! Denn der ist die Grundlage. Der X-Type wurde in der Zeit entwickelt, als Jaguar als Abteilung der Premier Automotive Group (PAG) (1999-2010) im Besitz von Ford war.

Die Entwicklung des X-Type zielte darauf ab, den weltweiten Absatz der Marke zu verdoppeln - was eine Erweiterung der technischen Ressourcen, der Fabrikkapazität, des Marketings, der Vertriebsunterstützung und des Service erforderte.

Der X-Type mit dem Codenamen X400 sollte in der Premium-Mittelklasse mit der hinterradgetriebenen BMW 3er-Reihe und der Mercedes C-Klasse konkurrieren, obwohl Ford/Jaguar keine passende Plattform im Regal hatte.

Stattdessen verwendete der X-Type eine modifizierte Version der frontgetriebenen Ford-CD132-Plattform, die er sich mit dem zeitgenössischen Ford Mondeo geteilte - immerhin ergänzt um Allradantrieb (vermarktet als Jaguar Traction oder Jaguar Traction 4) sowie einem Handling und einer Lenkung, die so konstruiert waren, dass die Auswirkungen des Frontantriebs minimiert wurden.

Jeremy Clarkson, damals noch bei Top Gear, lobte den X-Type, insbesondere die 4×4- und Sportversionen. In Bezug auf die gemeinsame Nutzung der Plattform des Ford Mondeo sagte Clarkson, dass das die Kunden nicht abschrecken dürfe, denn "genetisch gesehen sind Sie [als Mensch] zu 98 Prozent identisch mit einem Heilbutt, aber es sind die 2 Prozent, die den Unterschied ausmachen".

Der X-Type verwendete tatsächlich nur 20 Prozent der Komponenten des Ford Mondeo, während eine Vielzahl von Ford-Plattformen, -Motoren und -Komponenten von allen Modellen der Luxusmarken der Ford Motor Company in dieser Zeit verwendet wurden, nämlich von Aston Martin, Jaguar und Lincoln. Und auch andere Autokonzerne machten es kaum anders: Denken Sie nur an das Doppel VW Passat/Audi A4.

Doch bei Jaguar selbst wurde man nie so recht warm mit dem X-Type. Im Januar 2008 sagte Ian Callum, der Design-Direktor von Jaguar, dass der X-Type "im Wesentlichen in Detroit entworfen wurde und die widerstrebenden Designer und Ingenieure in Jaguars Designzentrum in Whitley so nahe wie möglich vor vollendete Tatsachen gestellt wurden".

Widerstrebend zeigten sich auch die Kunden rund um den Globus. Der chinesische Markt war bei weitem noch nicht so ausgeprägt wie heute, dort hätte der Jaguar X-Type womöglich Anklang gefunden.

Die Verkaufsprognose sah 100.000 Fahrzeuge jährlich vor. Und wurde glorreich verfehlt. In den acht Jahren seiner Existenz wurde der X-Type nur rund 350.000-mal gebaut. Einen Nachfolger gab es zunächst nicht, heute nimmt der XE den Platz des X-Type ein.

Fazit: 6/10

Wie schrieben wir einst anlässlich des Facelifts des Jaguar X-Type? "Gemacht für Individualisten, die auf explizites Retro-Design stehen. Und nobel ist der Wagen." Daran hat sich bis heute nichts geändert. Natürlich sorgt der Name Jaguar für Prestige. Aber dem X-Type wird wohl bis in alle Ewigkeit der Ruf anhängen, nur ein edler Ford Mondeo zu sein.

Doch das ist er eben nicht, was nebenbei die Ersatzteillage auch nicht entspannt. Teuer in der Anschaffung wird ein X-Type nie sein. Aber X-Type-Besitzer müssen damit leben, ein ungeliebtes Stiefkind zu sein: In der Markenwerkstatt und innerhalb der Jaguar-Fangemeinde.

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