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Opel Rocks-e (2021) im ersten Test: Der 45 km/h-Blitz

Ist es spaßig, mit dem SUM durch die Großstadt zu summen?

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War es mir zu Anfang unangenehm, im neuen Opel Rocks-e durch meine Wahlheimat Frankfurt am Main zu kurven? Ja - alles andere wäre eine Lüge! Hat dieses Gefühl der Scham lange angehalten und mich meine gesamte Testfahrt über begleitet? Nein! Wie man es also schafft, auf einer Testrunde von gerade einmal 15 Kilometern, das Sustainable Urban Mobility-Fahrzeug doch irgendwie cool zu finden, klärt jetzt dieser Testbericht.

Erstkontakt ... und die Nervosität steigt

Als ich die Horde aus gut 20 Mini-Opel das erste Mal am Mainufer parken sehe, ist die schiere Anzahl an Fahrzeugen zwar neu für mich, persönlich hatte ich aber schon im Zuge einer Sitzprobe vor wenigen Wochen (hier geht's zu dem entsprechenden Artikel) die Möglichkeit, eine gewisse Scheu vor dem 2,41 x 1,39 x 1,52 Meter-Winzling abzubauen. Ich wusste also eigentlich recht grob, auf was für ein "Auto" ich mich da einlasse, als ich für die Testfahrt zugesagt habe.

Die gegenläufig öffnende Fahrertür des Opel fällt nach meinem Einsteigen aber schließlich ins Schloss, der per Saugnapf an der Windschutzscheibe angebrachte Innenspiegel ist eingestellt, der Plastiksitz mit seinen zwei dünnen Polstern war auf meine Körpergröße von knapp 1,90 Metern justiert und ich wählte links daneben die Fahrstufe "D" aus. Da war ich plötzlich nervöser als beispielsweise bei einer Testfahrt mit einem Porsche Taycan Turbo S Cross Turismo. Ohne Spaß.

Allerdings rührt diese ungewohnte Nervosität nicht daher, dass ich eventuell von dem bis zu 9 kW leistenden E-Motor überfordert sein könnte, sondern von der Frage, ob der Verkehr in Frankfurt nett zu mir sein wird, wenn ich in der Pendlerhauptstadt Deutschlands mit maximal 45 km/h durchs stressige Bankenviertel zuckeln werde. Der zweite Gedanke: Hoffentlich erkennt mich niemand. Soll ich eine Maske tragen? Eine, die über das ganze Gesicht geht? Ganz ehrlich: Ich hatte darüber nachgedacht. Fahre dann aber doch ohne Tarnung los. Mit dem Selbstbewusstsein eines 15-Jährigen, der zum Duschen nach dem Schwimmunterricht die Badehose anlässt.

Blicke, Blicke, überall Blicke ...

Und es kommt, wie es kommen muss: Schon an der ersten Ampel erntet man zahlreiche Blicke. Fußgänger, die die Straße vor mir überqueren und gegenüber wartende Menschen in vollwertigen Autos schauen durch die Windschutzscheibe, die Augenpaare aus dem links neben mir zum Stillstand gekommenen Wagen merke ich bohrend durch die Seitenscheibe mit Klappfunktion und von der rechten Seite aus starrt ein LKW-Fahrer von oben durch das großartige Panoramaglasdach. Den Blick des Truckers erwidere ich und bin gleich überrascht ... er symbolisiert mir mit einem Daumen nach oben doch tatsächlich, dass er das was er da sieht, irgendwie gut zu finden scheint.

Die Nervosität ist nach dieser unerwarteten Reaktion plötzlich wie weggepustet. Ich drücke das Fahrpedal voll durch und lasse den 7,5 Tonner wie selbstverständlich rechts liegen. Rund 10 Sekunden dauert der Sprint auf die Fahrzeugklassen-bedingte Höchstgeschwindigkeit. Die ersten 30 km/h passieren aber gefühlt im ersten Drittel dieser Beschleunigungszeit. Spritzig. Und tatsächlich kann ich mir vorstellen, dass das nicht nur 15-jährigen Fahranfänger:innen Spaß machen könnte, sondern auch der anderen Rocks-e-Zielgruppen. Beispielsweise Mitarbeitenden bei Kurieren oder Pflegediensten.

Sehr direkt und wenig Komfort

Ein bombastisches Meisterwerk der Dämmkunst ist der Citroën Ami aus Rüsselsheim aber auch nicht. Der E-Motor gibt seine Geräusche ordentlich in den Innenraum weiter und wenn Ihnen das noch nicht genug Stromverbraucher-Akustik ist, kann man auch noch die einstufige Belüftung mit Heizfunktion einschalten, die sich ein bisschen nach einem Fön anhört, der in einen Plastiksack mit Laub pustet. Egal. Einfach das Smartphone an die USB-Buchse anschließen, mit der mitgebrachten Bluetooth-Box koppeln und schon sind Musik oder Podcasts im Vordergrund.

Gelenkt wird mittels Zahnstangenlenkung und das Chassis verfügt vorne über Einzelradaufhängung mit Scheibenbremsen und hinten über eine Verbundlenkerachse mit Trommelbremsen. Dieses Setup macht den Rocks-e ziemlich direkt. Ein Mitarbeiter von Opel spricht sogar von "Gokart-Feeling". Eigentlich ein Claim, den Mini beispielsweise für den Cooper SE nutzt. Doch der Opel ist direkter. Und auf seine Art total witzig und agil fahrbar. Bei nur 471 kg Leergewicht war das aber auch irgendwie zu erwarten. Der fehlende Komfort allerdings auch.

Und diese Agilität geht auch nicht zwangsläufig verloren, wenn Sie den 63 Liter großen Beifahrer:innen-Fußraum mit Gepäck beladen oder den nach hinten versetzten zweiten Sitz mit einer weiteren Person füllen. Bei Steigungen wird der Rocks-e dann zwar etwas träger, aber selbst dann habe ich mich im Stadtverkehr nicht wirklich wie ein Hindernis gefühlt.

Langsames Laden, geringe Kosten

Laut WLTP-Zyklus könnte das jetzt für 75 Kilometer so weitergehen. Nach der eingangs erwähnten Testroute von rund 15 Kilometern standen aber nur noch gut Zweidrittel der Akkuleistung (also etwa 50 km) zur Verfügung. Aber ich konnte schließlich fast immer Vollgas fahren, hatte zeitweilig einen Beifahrer an Bord und eigentlich konstant die Heizung laufen. Fair. Und mit dem 333 Euro teuren Adapter für Wallboxen hätte ich sogar unterwegs an einer öffentlichen Ladesäule laden können. Jedoch immer nur mit maximal 1,8 kW. Da würde ich dann doch lieber die 3,5 Stunden von 0 - 100 Prozent daheim tanken - mit dem bordeigenen 3-Meter-Kabel.

Die laufenden Kosten lassen sich noch einmal senken. TÜV? Brauchen Sie nicht. Inspektionen? Können Sie beim Opel-Händler machen und diese Wartungskosten dürften auch gering ausfallen. Eine Versicherung? Kostet je nach Anbieter rund 50 Euro im Jahr. KFZ-Steuer? Fehlanzeige. Und je nach Stromtarif sollten sich die Energiekosten für 100 Kilometer bei etwa 2 bis 3 Euro einpendeln. Nach dem jeweiligen Anwendungsgebiet könnte sich der Kaufpreis von mindestens 7.990 Euro so schnell amortisieren. Und sind wir mal ehrlich: Ein gutes Lastenrad ohne Wetterschutz, Knautschzone und "Opel-Vizor" kann auch schnell mal 5.000 Euro kosten.

Fazit: 7,5/10 Punkten

Wenn man ein Dach über dem Kopf, vier Räder sowie etwas Stauraum möchte und sich ausschließlich im urbanen Umfeld bewegt, kann der Opel Rocks-e eine clevere und kleine Alternative zum E-Bike, Lastenrad, E-Scooter oder auch dem ÖPNV sein. Für alle, die zudem ein eigenes "Auto" wollen und zwischen 15 und 18 Jahren alt sind, ist das SUM noch ziemlich alternativlos. Hohen Komfort, eine top Verarbeitung und schicke Materialen können Sie allerdings nicht erwarten. Dafür fällt man (meist positiv) im Stadtverkehr auf, in den Ausstattungslinien "TeKno" oder "Klub" gibt's noch ein paar coole Extras dazu und spaßig fährt sich der Rocks-e allemal.

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