Hier fahren Sie besser!
Automobile.at logo

Neuer Honda Civic e:HEV (2022) im Test: Im Hybrid-Clinch

Nicht alles ist besser, aber der Verbrauch ist eine Schau

Motor1.com Deutschland: Auto-Tests, Auto-News und Analysen
Marke wählen

Was ist das?

Civic Nummer 11. Pünktlich zum 50sten. Herrschaften, wie die Zeit vergeht. Der kompakte Honda-Dauerbrenner startete 1972 als vergleichsweise gnomenhaftes Schrägheck. Er wuchs und wuchs und entschrägheckte sich immer mehr bis zu dem, was Sie jetzt vor sich sehen.

Eine 4,55 Meter lange Fließheck-Limo mit nahezu biederer Formgebung. Also bieder im Vergleich zu den beiden letzten Generationen. Die waren schräger als japanische Datingshows. Kam dann zuletzt auch gar nicht mehr so gut an. 2021 gingen in Deutschland keine 1.000 Civics mehr über den Ladentisch. Das Zepter schwingen in Europa inzwischen der Jazz und der HR-V. Gefolgt vom CR-V, der 2023 ganz neu kommt und zwar mit Hybrid und Plug-in-Hybrid.

Und mit dieser gloriosen Überleitung sind wir quasi mittendrin im neuen Civic. Denn der wirft antriebstechnisch wirklich alles Alteingesessene über Bord (sowohl die fantastischen Turbobenziner mit 1,0 und 1,5 Liter Hubraum, als auch den 1,6-Liter-Diesel) und setzt künftig auf Hondas maximal eigenwilligen e:HEV-Hybrid. Als einzige Motorisierung. Abgesehen vom Civic Type R versteht sich. Der gibt sich 2023 ein letztes Stelldichein in bekannter Form. Das heißt mit Zweiliter-Turbo-Benziner und um die 320+ PS.

Den e:HEV gibt es ja schon ein wenig länger. Im Jazz und im HR-V reißt man den Honda-Dealern das Ding förmlich aus den Händen, sagt Honda. Der Civic kriegt die neueste Version des ausgefallenen Hybrid-Systems, das grob vereinfacht einen neu entwickelten 2,0-Liter-Direkteinspritzer-Saugbenziner mit 143 PS (186 Nm) dazu verdonnert, Saft für den 184 PS (315 Nm) starken Elektromotor zu erzeugen, der die Fuhre antreibt. Ein zweiter E-Motor dient dafür als Generator.

Die Batterie kann mit ihren 36 Kilo und 1,05 kWh systembedingt sehr klein ausfallen. Sie sitzt nun etwas flacher unter der Rückbank, was wiederum deren Polsterungsdicke positiv beeinflusst. Dahinter/daneben ist auch noch Platz für den Benzintank.

Im Idealfall fährt der Civic e:HEV im innerstädtischen Betrieb rein elektrisch. Ein bisschen zumindest. Bei höherem Beschleunigungsbedarf wechselt das Fahrzeug automatisch auf den Hybridantrieb. Dabei werden die Räder des Fronttrieblers weiterhin über den E-Motor angetrieben.

Bei konstant hohen Geschwindigkeiten, etwa auf der Autobahn, schaltet das System direkt zum Benziner, der hier dann - umgekehrte Rollenverteilung - bei Bedarf vom Elektromotor unterstützt wird. Bei noch höherem Leistungsbedarf im Bereich der Höchstgeschwindigkeit wechselt das System zurück in den Hybridmodus, um die volle Leistung des Elektromotors freizusetzen.

Civic Nummer Elf nutzt die überarbeitete Plattform des Vorgängers. Er ist drei Zentimeter länger, bei gleicher Breite (1,80 Meter) allerdings auch gut drei Zentimeter flacher als bisher. Zudem fällt die Dachlinie früher nach hinten ab. Das ist nicht unbedingt optimal, wie wir gleich noch sehen werden.

Der Radstand wächst um 3,5 Zentimeter. Außerdem ist das Auto 22 Prozent torsionssteifer als bisher. Hier erreicht es nun das Level des bisherigen Type R. Liebenswerterweise haben die Honda-Ingenieure auch dafür gesorgt, dass Sie nun besser aus dem Civic rausschauen können. Unter anderem wurden die Motorhaube (um 25 Millimeter) und die Fensterlinie abgesenkt.

Neu im Bereich Sicherheit sind ganze elf Airbags, das adaptive Fernlicht und der erweiterte Stauassistent. Das Angebot an Fahrhilfen war ja schon beim Vorgänger mehr als umfangreich.

Der neue Civic startet als Elegance bei 31.900 Euro. Dafür ist die Hütte dann aber auch schon sehr gut gefüllt. Der Sport, der bis auf 18-Zoll-Räder und induktives Smartphone-Laden kaum nennenswerte Mehrausstattung bietet liegt bei 33.200 Euro. Der Advance schließlich kommt für 36.600 Euro mit allem und scharf. Dazu zählen digitale Instrumente, elektrische Ledersitze, ein Bose-Soundsystem, ein beheizbares Lenkrad und das adaptive Fernlicht. Marktstart ist im Herbst. Wann genau, hat der Hersteller noch nicht kommuniziert.

Wie fährt er?

Honda bewirbt den neuen Civic als The Drivers Hybrid und hat den unorthodoxen Antrieb deshalb mit allerlei Firlefanz frisiert, der möglichst viel Sport-Feeling in den nüchternen Hybrid-Alltag zaubern soll. Unter anderem pumpt man Ihnen im Sport-Modus einen recht renitenten Motorsound in den Innenraum. Außerdem hält das Auto in Kurven die Motordrehzahl oben, um ein besseres Herausbeschleunigen zu gewährleisten. Und es gibt künstlich eingebaute Schaltvorgänge, welche "die Drehzahlcharakteristik eines eng gestuften Sportgetriebes" erzeugen sollen.

Das funktioniert alles in allem solide, ohne den ganz großen Glanz zu versprühen. Unten rum, in den niedrigen Geschwindigkeitsbereichen, in der Stadt, beim Anfahren, fühlt sich der Civic noch am ehesten nach dem an, was er ist - ein Auto, das von einem Elektromotor angetrieben wird. Leise und ziemlich spontan in der Gasannahme. Aber der ansatzlose Punch reiner Stromer geht auch in diesen Situationen ein wenig ab.

Zieht man die Zügel straff, etwa auf einem schönen Stück Landstraße, mangelt es dem Auto nicht an Vortrieb. Es ist eher das Drumherum, das ein wenig frustriert. Der Benziner läuft ja systembedingt als Energiespender für den E-Motor durchgehend mit. Und das hochfrequent. Honda verkauft das als sportliche Soundkulisse. Das kann man so sehen. Muss man aber nicht.

Es dröhnt und kreischt schon recht rennsportlich, aber da man ja nicht wirklich in einem Performance-Auto sitzt, wirkt das Ganze ein wenig aufgesetzt bis angestrengt. Nehmen Sie dann noch die vorgegaukelten Schaltvorgänge dazu (der Civic e:HEV besitzt kein Getriebe) und Sie denken sich unweigerlich: Hatten die noch CVT-Getriebe rumliegen, die weg mussten?

Das ist natürlich ärgerlich, denn jedes verbaute (oder gefühlt verbaute) CVT ist eines zu viel. Gegen die drehwillige Leichtigkeit des Seins, die der alte Einsfünfer-Benziner mit hervorragendem Handschalter versprühte, kann das neue Setup so auf emotional-dynamischer Ebene nicht anstinken.

Und genau hier liegt der Fehler, denn das kann und sollte gar nicht der Zweck eines solchen Hybrids sein. Der neue Civic-Antrieb ist ein Kind seiner Zeit. Er muss in erster Linie sparsam sein. Und genau das macht er grandios. Wer es drauf anlegt, wird dieses Auto locker mit 4,5 Liter fahren. Ich habe es überhaupt nicht drauf angelegt, die Vorzüge des hervorragenden Fahrwerks (dazu gleich mehr) nicht nur einmal über die Maßen strapaziert - und kam dabei auf 5,1 Liter. Das ist wirklich aller Ehren wert.

Hervorragendes Fahrwerk?

Absolut. Sowohl, was den Fahrkomfort betrifft, als auch in puncto Kurvenverhalten und Fahrspaß. Gerade letzteres ist eine positive Überraschung, denn der neueste Civic hat den ultrastrikten Weight-Watchers-Plan seiner Vorgänger über Bord geworfen und sich dem leicht adipösen europäischen Kompakt-Durchschnitt angeschlossen. Um die 1.530 Kilo geben die Japaner für den e:HEV an, der Vorgänger mit dem 182-PS-Benziner ist 200 Kilo leichter.

Beim Antrieb kriegt man das mit, beim Handling eher nicht. Klar, wir reden hier von einem sparsamen, günstigen Familienauto, nicht von einem maximal gedopten Hot Hatch - sprich: Die Lenkung ist etwas gefühllos und nicht ultraschnell (warum auch?). Die Balance des Autos aber ist grandios.

Ins Untersteuern konnte ich den Lulatsch jedenfalls nicht zwingen. Und mein Wille sowie die passenden Kurven waren definitiv vorhanden. Stattdessen klebt das Auto mit der Vorderachse an der anvisierten Linie fest wie skandalumwitterte Bundesminister an ihren Ämtern. Gleichzeitig bleibt er hinten sehr sehr robust und neutral. Mit kleiner, agiler, spaßiger Eindreh-Tendenz schärft der Civic zudem die Linie. Das wirkt nie zu verspielt, einfach nur angenehm dynamisch.

Überragend ist das Auto schließlich beim Wegputzen von allem, was einem die Straße so an Gemeinheiten vor die Räder werfen kann. Wirklich, es spielt keine Rolle - ob grobe Stöße, längere Wellen, kleine fiese Kanten oder einfach mieser Belag, der Civic tänzelt drüber hinweg und lässt die Unannehmlichkeiten gefühlt bereits ganz unten im Dämpfer komplett verpuffen.

Insgesamt wirkt dieser Civic fahrdynamisch, als hätte er seine wilden Jahre hinter sich gelassen. Er fährt gelassener, nicht mehr ganz so leichtfüßig, aber nach wie vor sehr kompetent.

Wie ist er innen?

Zugegebenermaßen doch etwas anders als ich erwartet hatte. In der Pressekonferenz lobte man sich noch ausführlich selbst ob der gesteigerten Materialqualität und der Liebe zum Detail im Interieur. Türgriffe, Knöpfe, Schalter - all das Zeug eben. Ich denke, wenn der Japaner Eigenlob ausschüttet, dann tut er das nicht unüberlegt und in diesem Fall schüttet er auch völlig zurecht.

Sieht alles deutlich besser aus als bisher. Und es fasst sich auch sehr hochwertig an. Außerdem sieht das Zierleisten-Gitter quer übers ganze Armaturenbrett ziemlich cool aus. Das Schönste ist aber: Wenn man Knöpfe und Tasten massiv aufwertet, bedeutet das auch, dass es sie noch gibt. Ein seltenes Gut ist es ja inzwischen, so ein Drehrädchen für die Klimabedienung. Und es bedient sich ganz vortrefflich. Das gilt größtenteils auch für den Rest des Autos.

Das Infotainment macht einen unspektakulären aber vernünftigen Eindruck. Das war ja zuletzt auch nicht unbedingt der Fall. Auf der Testroute hatte Honda die Navigation per Android Auto laufen lassen. Funktionierte natürlich einwandfrei. Da war das eigene System mit der Route zum Terminal 2 des Madrider Flughafens schon deutlich weniger souverän unterwegs.

Etwas schade auch: Mit dem digitalen Instrumentendisplay (gekoppelt an die Top-Austattung Advance) hätte man durchaus ein wenig ambitionierter sein können. Konfigurierbar ist hier eigentlich gar nichts und optisch unterscheidet es sich kaum von den Standard-Instrumenten in den Ausstattungen Elegance und Sport.

Gestühl und Platzangebot? Sehr zwiespältig, womit sich mein "anders als erwartet" zum Innenraum erklärt. Der Civic ist einer der größten Vertreter der Kompaktklasse. Er ist gegenüber seinem mehr als geräumigen Vorgänger nochmal um ein paar Zentimeter gewachsen (Länge und Radstand). Aber die Beinfreiheit im Fond ist lediglich ordentlich und über die Kopffreiheit hüllt man besser den Mantel des Schweigens. Mit meinen 1,85 Meter stoße ich deutlich oben an. Noch bevor ich mich voll durchstrecke.

Die Sitzposition vorne ist sehr gut, der Ledersitz im Advance-Trimm unterstützt aber nicht genug und bietet zu wenig Beinauflage. Seltsamerweise fühlte sich der stoffbezogene Fahrerstuhl in der Sport-Ausstattung deutlich besser an, obwohl es sich formal um das gleiche Modell handeln müsste. Hier prüfen wir nochmal nach.

Bliebe noch der Kofferraum, der mit 410 bis 1.220 Liter in etwa auf Vorgänger-Niveau liegt.

Fazit: 7/10

Der neue Civic ist ein absolut vernünftiges Auto mit einem sehr guten Fahrwerk und einem ziemlich ungewöhnlichen, aber sehr sparsamen Antriebsstrang. Preislich ordnet er sich ein paar Tausender unter einem halbwegs vergleichbaren Skoda Octavia ein.

Alles gut also? Nicht ganz. Der Antrieb wirkt durch Klangkulisse und Fake-Schaltvorgänge angestrengter als er ist. Außerdem ist das Platzangebot im Fond für ein Familienauto dieser Größe ein bisschen enttäuschend.

Der ganz große Fortschritt gegenüber dem hervorragenden Vorgänger wollte sich beim ersten Tête-à-Tête noch nicht so recht zeigen. Zumindest aus fahrdynamischer Sicht. Der Alte bot Kompaktsportler-Feeling zum Discount-Tarif. Der Neue trotzt als Hybrid den Anforderungen der Zeit. Das kostet ein paar Prozent Schlitzohrigkeit, sorgt allerdings für eine mehr als vorzeigbare Umweltbilanz.

© Motor1.com