Mit 28 Kadett-Varianten ab 5.390 DM war für jeden was dabei
Wenn Opel und Bochum eines gemeinsam haben, dann, dass man die Jahrzehnte-währende Zusammenarbeit gerne mal verschweigt. Was vielleicht nur als unangenehmer Beigeschmack auf der einen Seite mitschwingt, hat auf der anderen viele Herzen gebrochen. Und so reagiert mancher Mensch mit Wohnadresse "Blume im Revier" auch über zehn Jahre nach dem Bruch noch immer gereizt in Bezug auf die Rüsselsheimer.
Doch die Geschichte lässt sich nicht verleugnen: Bochum und Opel sind untrennbar verknüpft. Das ist in Teilen der Stadt absolut sichtbar, wie am neuen Wissenschaftsstandort auf altem Produktionsgelände, dem O-Werk, oder in Form einer Opel-GT-Skulptur im Stadtteil Langendreer.
Und wenn man hier von den alten Bochumer-Modellen anfängt zu schwadronieren, kommt am Ende doch wieder jeder ins Schwärmen. Vor allem beim Ur-Bochumer, dem Opel Kadett, der in seiner B-Variante 1965 nicht nur Opels Zahlen ankurbelt, sondern auch die Kohle-geschwächte Bochumer Konjunktur.
Nach nur drei Jahren Produktionszeit übernimmt der Neue das Kompaktklasse-Zepter vom Opel Kadett A. Vorgestellt wird der Kadett B zusammen mit dem oben genannten Opel GT auf der IAA in Frankfurt 1965. Kein Wunder, basiert der ikonische Sportler mit den mechanischen Klappscheinwerfen doch auf dem B.
In der Länge wächst der Kadett um stattliche 18 Zentimeter, was ihn über die Vier-Meter-Marke katapultiert. Der Radstand legt ebenfalls auf knappe 2,42 Meter zu und auch in der Breite gönnt sich der Bochumer zehn Zentimeter mehr. So gewinnt Opel vor allem mehr Raum für Insassen und Gepäck - ganze zwölf Prozent wächst das Kofferraumvolumen auf 337 Liter.
Wo sich der Kadett A noch etwas geradliniger ausweisen konnte, erbt der Kadett B einen leichten Hüftschwung von amerikanischen Vorbildern, der jedoch erst in Richtung Rekord C so richtig ausgeformt wird. Der Kühlergrill gönnt sich einen langen horizontalen Chromsteg mit breitgezogenem Opel-Branding, die Rückleuchten gewinnen etwas an Fläche.
Und noch etwas hat er seinem Vorgänger voraus: Der B-Kadett ist jetzt mit vier Türen lieferbar und erstmals auch offiziell als Fünfsitzer zugelassen. Zum Marktstart schließen sich außerdem ein Coupé mit angedeuteten Entlüftungsschlitzen hinter den hinteren Seitenscheiben an - das sogenannte "Kiemen-Coupé" - und eine dreitürige Kombi-Version (Caravan). Letzterer bietet mit umgeklappten Rücksitzen eine 1,57 Meter lange Ladefläche.
Technisch ist der Kadett B Anfangs immer noch nah am Vorgängertyp Kadett A. Das blattgefederte Fahrwerk mit Doppelquerlenkern vorn und Zentralgelenk-Hinterachse bleibt dem Neuen erst einmal erhalten. Dazu gibt es weiterhin einen längs eingebauten Vierzylinder-Viertaktmotor mit Hinterradantrieb.
Auf etwas mehr Hubraum darf der Opel Kadett B hingegen in der Basisversion setzen: Der jetzt 1,1 Liter große Benziner leistet nun 45 PS - fünf PS mehr als noch der alte. Kostenpunkt: 5.390 DM. Der Kadett S geht mit höher verdichtetem Superbenzin-Motor und 55 PS an den Start.
Wem das noch nicht reicht, der setzt ab November 1966 auf den "Rallye-Kadett" in der Coupé-Variante mit einem 60 PS starken 1,1-Liter-Motor und erweiterter Ausstattung. Klingt nicht nach viel, aber etwa 780 Kilo brauchen auch nicht viel, um in Bewegung gesetzt zu werden.
Bereits 1967 setzt Opel im Sommer noch mal den Stift an und verbessert den Kadett B auf einigen Feldern. Die überarbeitete Version erhält erneut größere Rückleuchten. Durch ein stärker gepolstertes Armaturenbrett und eine Sicherheits-Lenksäule mit Dreispeichenlenkrad und Prallplatte wird eine höhere passive Sicherheit gewährleistet.
Zudem wird die Hinterachse überarbeitet. Wir erinnern uns, die hat der B ja noch vom A. So werden die radführenden Blattfedern durch Längslenker, einen Panhardstab und Schraubenfedern ersetzt, die dem Kompakten eine wesentlich bessere Straßenlage verleihen. Wichtig für heutige Liebhaber: Die vorderen Kotflügel sind fortan verschraubt.
Jetzt folgen auch die viertürigen Versionen zum Kadett Caravan und dem Coupé. Ebenfalls wird die Palette um eine Fließheck-Variante (ebenfalls zwei- und viertürig) bereichert. Die "Luxus-Version" des Kadett B nennt Opel jetzt Opel Olympia A und der Rallye-Kadett LS bekommt eine eigenständige Coupé-Karosserie.
Letzterer kommt jetzt exklusiv als 1900 S mit 90 PS. Außerdem spendiert Opel der Kadett-Motorenpalette mit dem 1,7-Liter-Benziner und 75 PS eine weitere Option. Somit stehen im Herbst 1967 28 Kadett- und neun Olympia-Versionen zur Wahl. Ende 1969 kommt noch eine 3-Gang-Automatik für alle Modelle hinzu. Wer da nichts findet, will wohl einfach nicht Kadett fahren!
1970 werden das Fließheck, der fünftürige Caravan und das Kiemen-Coupé schon wieder aussortiert, ebenso der 1.700er Kadett. Schuld daran ist der Ascona A, der jetzt die "sportlicher" Fahrenden für sich beansprucht - nur der 1.900er darf als Topmotorisierung bleiben.
Im August 1971 hebt Opel die Leistung des 1,1-Liter-Benzinmotors erneut an: von 45 PS geht es rauf auf 50 PS. Die Superbenzin-Variante mit 55 und 60 PS werden durch einen 1,2-Liter mit 60 PS ersetzt. Die späten Bs erhalten den mattschwarzen Kühlergrill vom Rallye-Kadett.
Der Rallye-Kadett ist mit seiner sportlichen Ausstattung und passablen Fahrleistungen eine einsteigerfreundliche, günstige Basis für den Breitensport (einen Rallye-Kadett 19H gibt es im Frühjahr 1971 für 10.904,64 DM). In vielen Familien des Potts ist der Rallye-Kadett mit seiner ikonischen mattschwarz lackierten Motorhaube einer der Zündfunken zur gefestigten Autoliebe. Selbst in meiner Familie wurde er über die Feldwege der umliegenden Landstriche gehetzt. Weil manch Besitzer es fatal übertreibt, kommt ein böser Spitzname auf: "Schwarzer Sarg".
Dabei ist das Design keine optische Spielerei, sondern vielmehr praktisches Gimmick, das eine Blendung des Fahrers oder der Fahrerin bei starker Sonneneinstrahlung verhindert. Der Opel Kadett B wird so nicht nur zum feuchten Traum vieler Twens, sondern feiert mit Opel-Tuner Günther Irmscher 1967 beispielsweise auch den Gewinn der 15.000 Kilometer langen Tour dEurope. Im selben Jahr holt das Fahrerduo Lambart und Vogt den Klassensieg bei der Rallye Monte Carlo.
Opel selbst liefert eine Statistik aus dem Jahr 1968 zur Beliebtheit des B-Kadett bei Motorsport-Veranstaltungen. Auf insgesamt 238 Veranstaltungen entfallen auf dieses Modell 222 Klassensiege sowie 345 Gold- und 287 Silbermedaillen. Kaum vorstellbar, dass auch noch andere Autos unterwegs waren.
"Win on Sunday, sell on Monday" heißt ein altes Sprichwort. Doch der Kadett B überzeugt zudem durch Variantenreichtum, Nutzfaktor und seinen erschwinglichen Preis. So wird der Kompakte nicht nur der erste Opel-Millionär mit über einer Million verkauften Exemplaren - am Ende seiner Produktion stehen 1973 insgesamt fast 2,7 Millionen verkaufte B-Kadetten. Ein Wert, den sein Nachfolger, der Opel Kadett C, bei weitem nicht erreicht. Und in Bochum? Da sieht man sie an sonnigen Tagen noch immer Richtung Ruhr fahren. Denn ein dankbarer Oldtimer ist der B noch immer.