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Alpine A110 GTS im Fahrbericht: Auf Mick Schumachers Spuren

Wird in der Elektro-Zukunft noch solch eine Fahrmaschine geben?

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Die Alpine A110 steht vor der Ablösung. Die Renault-Sporttochter nutzt dies, um noch einmal Sondermodelle nachzuschießen. Die A110 GTS will die Vorzüge von GT und S kombinieren. Gelingt das?

Sie möchten noch eine der letzten Alpine A110 ergattern? Obwohl sie bald nach neun Jahren am Markt eingestellt wird, dürfen Sie sich auf ungefähr folgenden Dialog an der Tankstelle einstellen:

"Entschuldigen Sie, was ist das für ein Auto? Sieht echt toll aus."

"Danke, das ist eine Alpine A110."

"Ach, ist das nicht diese Renault-Marke aus den 70ern? Die gibt es noch?"

"Ja klar, Mick Schumacher fährt doch für die!"

"Wirklich, fährt der noch Formel 1?"

"Nein, in der FIA World Endurance Championship!"

"Was?"

"Quasi Sportwagen-Weltmeisterschaft. 24 Stunden von Le Mans."

"Ah, ja…"

Schnelle Daten Alpine A110 GTS (2025) Motor Turbo-Vierzylinder Getriebe 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe Leistung 221 kW (300 PS) Drehmoment 340 Nm Kofferraumvolumen 96 Liter (vorne), 100 Liter (hinten) Preis ab 78.950 Euro
Alpine A110 GTS (2025)


Viel Zeit bleibt nicht mehr: Die Produktion der Neuauflage der Alpine A110 (ja, es ist DIE Alpine, darauf besteht die kleine Sportschmiede) endet im Jahr 2026. Der Nachfolger wird elektrisch werden, was bei Sportwagen eine durchaus riskante Strategie ist, wie das Beispiel Porsche zeigt. Für Puristen ergibt sich damit eine letzte Chance. Wer eine GTS ergattern möchte muss schnell sein, denn es werden nur 110 produziert. Weichspül-Sportwagen oder gelungene Quadratur des Kreises?

Exterieur

Die A110 sei etwas für Fahr-Enthusiasten, denen ein Porsche zu prollig ist, heißt es seitens Alpine. Jedoch ist der Auftritt der A110 alles andere als Understatement. Zunächst einmal, weil sie ein Exot auf den deutschen Straßen geblieben ist. Sie wird im nordfranzösischen Dieppe nach wie vor größtenteils in Handarbeit gefertigt. Die Stückzahlen sind gering und diverse A110 fristen ein trauriges Dasein in Sammlergaragen. Vielen GTS dürfte wegen der zahlenmäßigen Beschränkung dasselbe Schicksal drohen.

Zum anderen, weil sie gerade im typischen Alpine-Blau ein richtiger Hingucker ist. Wir erhielten das eher türkise Bleu Eclipse Matt, aber sind wir ehrlich, das klassische Alpine Bleu ist für Alpine das, was Rot für Ferrari ist. Der Auftritt ist unmissverständlich: Das hier ist nicht die bodenständige, treue Ehefrau. Das ist die heiße französische Affäre, mit der man die Blicke auf sich zieht - sexy, mit einer tollen Figur von nur 1.108 Kilogramm, selbstbewusst, anspruchsvoll und teuer.

Das Makeup aus Carbon-Aeroteilen sitzt perfekt und betont die richtigen Stellen, hat aber auch einen praktischen Zweck. Gerade auf die Jüngsten, die in der grauen SUV-Welt von heute aufwachsen, macht sie Eindruck: "Guck mal Papa, ein Sportwagen!" Der bestätigt mit diesem anerkennenden und doch sehnsüchtig-verlegenen Blick: "Hach, was, wenn ich doch etwas unvernünftiger gewesen wäre?" Worauf eine weitere biedere VW-Tiguan-Dauerehe in Gefahr gerät.

Interieur

Im Innenraum geht es direkt weiter: Alcantara wertet das Armaturenbrett auf, die drei runden Tasten in der Mitte ziehen die Blicke magisch auf sich, perfekt ergänzt vom riesigen Startknopf. Ansonsten geht es spartanisch zu, wie es sein muss. Wer mit großen Bildschirmen oder sonstigen unnötigen Extras angeben will, ist hier an der falschen Adresse. Ein kleiner Bildschirm in der Mitte mit einem etwas umständlich zu bedienenden Infotainment muss reichen, Android Auto und Apple CarPlay sind vorhanden.

Die liebevoll eingestreuten französischen Nationalflaggen setzen Akzente an den richtigen Stellen. Aber sonst geht es ums Wesentliche. Unsere Affäre ist verspielt und hervorragend gebaut, die Verarbeitungsqualität lässt keine Wünsche offen. Es wird kuschelig eng, ohne aber unbequem zu sein. Schon die Sitzposition vermittelt, eins mit der Maschine zu werden - gerade mit den optionalen Schalensitzen von Sabelt. Die Sitzhöhe sollte man einmal auswählen, denn eine Höhenverstellung erfordert gefühlt ein halbes Rennteam.

Kofferraum? Existiert auf dem Papier. Eine Klappe vorn, ein etwas tieferes Fach hinten hinter dem Motor - für den Wochenendausflug reicht es, mehr braucht es für ein leidenschaftliches Abenteuer ja auch nicht. Wir konnten einen 150-Euro-Einkauf unterbringen, er muss aber clever in mehrere Türen verpackt werden. Als besonderes Schmankerl bietet Alpine einen genau auf den vorderen Kofferraum zugeschusterten Passform-Koffer von Roadsterbag an.

Fahreindrücke: Ernster als die GT

Druck auf den Startknopf, und erfreut meldet sich der 1,8-Liter-Vierzylinder-Turbomotor erfreut zu Wort: "Prêt à jouer, ma chérie?" Ja, sie will spielen, das wird schon auf den ersten Metern klar. Aber was ist das? Wer die A110 GT gefahren ist, merkt sofort: Hier geht es deutlich härter zur Sache. Alpine hat bei der A110 GTS nämlich das Fahrwerk der S eingebaut. Und damit wird die GTS zum Sportwagen vom alten Schlag: Die Plomben fallen zwar nicht raus, aber es geht deutlich härter als in der GT zu. Diese Affäre hat ihre Ecken und Kanten - auf eine sympathische Art, aber spürbar.

Die ersten Meter in der GT waren deutlich intuitiver. Das erste Date ist etwas holpriger. In der GTS geht alles geht zackiger, direkter. Solange die Straße gut ist, sind auch längere Touren problemlos drin. Aber der Sanierungsstau auf deutschen Straßen wird schnell zum Spielverderber. Slalomfahren um Schlaglöcher herum als Beschäftigung im Stadtverkehr, unbedingt beide Hände ans Lenkrad auf einer holprigen Autobahn. Sie will die ungeteilte Aufmerksamkeit und meldet jede Bodenwelle.

Wo die A110 GT noch liebevoll zum Spielen angeregt hat, ist der Charakter der GTS deutlich ernster. Sie stellt klar: Spielen können wir gerne, aber nach meinen Regeln. Der Motor ist beim Gleiten spürbar hinter dem Fahrer da, drängt sich leicht mehr auf als in der GT. Beim Tritt auf das Gaspedal faucht der Turbolader deutlich hörbar los - Klasse! Selten wurde ein dröger Vierzylinder-Turbo so gut in Szene gesetzt wie hier.

Druck gibt es bereits ab 2.000 Umdrehungen, ab 3.500 Touren brüllt der Motor dann richtig los. Nein, das wird kein Elektroauto der Welt so ehrlich und ungefiltert rüberbringen können! Wird das Gas nach scharfem Beschleunigen zurückgenommen, hält das Getriebe zunächst den Gang. Die GTS kopiert hier den unschuldigen Blick der GT: "Mon Amour, willst du etwa schon aufhören?"

Ab 180 km/h macht sich das Aeropaket bemerkbar, das wir unbedingt empfehlen. Die GTS ist deutlich spurstabiler als die GT ohne Flügel. Es bleibt dennoch ein intensives Fahrerlebnis, das ist in dieser Form leider selten geworden ist. Treibt man es doch mal zu bunt oder wird von einer Bodenwelle ausgehebelt, fangen einen die elektronischen Helferlein zuverlässig wieder ein. Sie behält die Zügel in der Hand. Die A110 blickt nicht sonderlich aggressiv, trotzdem wird die linke Spur schnell freigemacht. Gedankengang des Audi-A6-Avant-Fahrers: "Keine Ahnung, was das ist, aber das sieht verdammt schnell aus. Ich mach mal Platz."

Ein besonderes Lob gibt es bei Alpine immer für das Bremspedal, das in allen Fahrmodi ein sehr angenehmes Feedback gibt. Genau im richtigen Moment stellt sich eine Härte ein, die an Rennwagen ohne Bremskraftverstärker erinnert, aber es eben doch nicht zur Beinpresse werden lässt.

Vermisst man ein manuelles Schaltgetriebe? Jein. Das Doppelkupplungsgetriebe arbeitet hervorragend und lässt eigentlich keine Wünsche offen, bis auf seltene Verzögerungen beim manuellen Schalten, was womöglich auf Schlupf zurückzuführen ist. In der Stadt ist das Doppelkupplungsgetriebe definitiv eine Hilfe. Auf Landstraßen würde man sich hier und da schon ein drittes Pedal wünschen, aber das ist Geschmackssache. Positiv: Wer will, kann mit dem linken Fuß bremsen. Die Pedalanordnung lässt das zu.

Anspruchsvoll, aber herrlich am Limit

Das alles war erst der Anfang, denn es gibt noch zwei Modi. Ein Druck auf die rote Sporttaste ändert nicht nur das Display. Jetzt geht es noch einen Tick härter zur Sache, beim Lupfen gibt es simulierte Fehlzündungen, was zu einem vergleichsweise dezenten Knallen führt. Trotzdem kommt zum ersten Mal ein bisschen Enttäuschung bei unserer Affäre auf: Das ESP greift dermaßen hart ein, dass das Rausbeschleunigen aus Kurven zum Lustkiller wird.

Gerade, weil die A110 aufgrund des Mittelmotors zum Untersteuern unter Last neigt. Es wird so viel Leistung weggeregelt, dass Verwirrung zurückbleibt. Warum plötzlich so zickig? Beim harten Anbremsen von Kurven geht zudem der Warnblinker an. Klare Sache: Der Sportmodus ist eher fürs Posen geeignet als für befriedigendes Ausloten der Limits.

Zum Glück gibt es noch den Track-Modus. Mit einem längeren Druck auf die rote Taste wird die Regeleingriffsschwelle gewaltig hochgesetzt, tatsächlich kann das ESP auch ganz abgeschaltet werden. Und jetzt lässt sie sich fallen, nun wird die Affäre richtig dreckig: Bei jedem Schaltvorgang setzt es einen Roundhouse-Kick in den Rücken, Befehle an Lenkrad und Gaspedal werden ungefiltert sofort umgesetzt, der Motor übertönt alles. Im Trackmodus fallen alle Hemmungen.

Etwas störend ist nur das akustische Signal zum Hochschalten beim Erreichen des Drehzahlbegrenzers. Denn im Track-Modus wird manuell über die nicht mitdrehenden Schaltwippen geschaltet. Anders als in den Modi zuvor hält das Getriebe die Gänge jetzt auch, wenn der Begrenzer erreicht wird. Normalerweise schaltet das Getriebe direkt, aber wir hatten wie schon erwähnt hin und wieder leichte Verzögerungen.

Das Aeropaket und auch das S-Fahrwerk wirken jetzt am besten. Die Charakteristik der GT, stark übersteuernd in die Kurve reinzugehen und beim Lastwechsel durch die leichte Front ins Untersteuern zu geraten, wird hier deutlich reduziert. Ganz weg ist diese Charakteristik nicht. Ziel muss es daher sein, das Heck beim Einlenken möglichst weit einzudrehen, damit der Kurvenausgang schön gerade wird, wenn die Front beim Lastwechsel hochkommt.

Die A110 ist auch darauf ausgelegt und lässt sich liebend gern in Kurven hineinwerfen. Das erfordert allerdings Erfahrung am Limit und ist nichts für jedermann. Diesen Fahrstil Runde für Runde zu replizieren, ist alles andere als einfach. Mit viel Erfahrung lassen sich aber unvergessliche Höhepunkte generieren, hier zeigt sich die GTS der GT deutlich überlegen. Generell ist das Limit so hoch angesetzt, dass die Grenzen wirklich nur auf der Rennstrecke auszutesten sind, selbst Autobahnauffahrten sind für dieses wilde Spiel zu gefährlich.

Ein "Rumziehen" um die Kurve unter Halblast ist zwar weit besser möglich als mit der GT, wirklich mögen tut sie das aber immer noch nicht, was gerade längere Kurven zu einer Herausforderung macht. Wer beim Lautwechsel ins Untersteuern gerät, muss lupfen, um das Heck wieder einzudrehen. Eine lange Kurve kann so zur Qual aus wechselndem Unter- und Übersteuern werden. Also lieber Monza als Oschersleben, lieber S-Kurven als langgezogene Kehren mit mehr als 180 Grad.

Wer den Fahrstil einmal raushat, der wird mit der A110 GTS richtig schnell sein. Es erfordert wirklich Übung, doch wer den Dreh raushat, den überschüttet die Französin mit Endorphinen über einen langen Zeitraum hinweg. Mit den gerade einmal 1.108 Kilogramm mutiert sie zu einem Killer auf der Rennstrecke, den sogar manch rote italienische Autos fürchten müssen.

Sie hat Ansprüche, will mit kundiger Hand geführt werden, doch wer das kann, dem stehen hier unglaubliche wilde Stunden französischer Versuchung ins Haus, die auf beiden Seiten alle Sinne fordert. Das zeigt sich auch nach dem Aussteigen: Der tief versteckte Motor braucht Nachkühlung und entsprechend schnauft die A110 noch circa zehn Minuten durch. So, wie es bei einer erfüllenden Affäre eben sein muss.

Fazit:

Schön, dass es solche Autos gibt. Und schade, dass bald wieder ein Vertreter verschwinden wird. Der Autowelt geht bald ein Stück Kultur verloren, kaputtreglementiert von der EU. Der elektrische Nachfolger wird sich riesig strecken müssen, um dieses pure Gefühl am Limit zu erzeugen, von der Klangkulisse und den Kicks beim Schaltvorgang im Trackmodus einmal ganz zu schweigen.

Lediglich den Sportmodus kann man sich getrost schenken, Komfort und Track decken das Spektrum gut ab. Dennoch müssen wir sagen, wenn wir die Pressemitteilung beim Wort nehmen: Das Ziel des Kompromisses wird nicht erfüllt. Die Abstriche beim Komfort gegenüber der A110 GT sind gewaltig. Wer die GTS kaufen will, sollte einmal eine gebrauchte S im Vorfeld fahren, um zu wissen, worauf man sich im Alltag einlässt.

Denn die GTS ist mehr S als GT. Ihre Qualitäten kommen erst am Limit richtig zum Tragen, hier ist die GTS der GT deutlich überlegen. 1.108 Kilogramm sind eine Macht. Allerdings stellt sich bei dieser Charakteristik dann auch die Frage: Warum nicht gleich zur R greifen?

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