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Alfa Romeo Giulia 2.0 Turbo Q4 (2025) im Test: Bella Ciao

Die Giulia wird für immer einer unserer absoluten Lieblinge sein, aber mit rationalen Argumenten wird es langsam schwierig

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Seit knapp drei Wochen ist die Giulia nun in Europa offiziell nicht mehr bestellbar. Den Diesel wird man ab November nochmal ordern können, aber für die Benziner inklusive des letzten Mohikaners mit dem 280-PS-Vierzylinder ist die Party nun - fast neuneinhalb Jahre nach Produktionsbeginn - endgültig vorbei.  

Die Giulia war zeitlebens eine tragische Figur. Hoffnungsträgerin und Stolz einer gebeutelten Marke, traumhaft schön, fahrdynamisch hochveranlagt - und dennoch konnte sie die hohen Erwartungen nie erfüllen. Sie blieb einmal mehr das, was sie dieses Mal partout nicht sein sollte: Ein Auto für die Fans, nicht für die breite Masse. 

Alfa Romeo Giulia (2025) im Test

Woran es lag? Wie immer an dem langweiligen Zeug. An den Hausaufgaben, die man halt machen muss. Infotainment, Konnektivität, Assistenzsysteme. Es war von Anfang an und bis zum Schluss - so ehrlich muss man schon sein - nicht mehr als Mittelmaß und auch das nur mit Wohlwollen. Einen Tech-verwöhnten BMW- Audi-Mercedes-Fahrer holt man so auf jeden Fall nicht in die Famiglia. Zumal es preislich kaum Unterschiede gab.

Jetzt ist die Messe gelesen. Doch auch wenn es das Auto eigentlich nicht mehr gibt, dachten wir uns, es wäre eine gute Idee, die Giulia - quasi zur Abschiedsparty - nochmal in die Redaktion einzuladen. Schließlich wird der ein oder andere Händler schon noch ein, zwei Neuwagen auf dem Hof stehen haben.

Also nicht nur in den guten alten Zeiten schwelgen und ein paar Tränchen verdrücken, weil wieder einer weg ist, der noch Herz und Seele hat und nicht nur Nullen und Einsen. Nein, nein - wir schauen auch ganz gewissenhaft, ob man denn noch einen guten Fang macht mit so einer Giulia oder ob es jetzt dann doch gut ist, dass sie geht.  


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Abmessungen/Design | Innenraum/Platzangebot/Kofferraum | Fahrbericht | Fazit


Was ist das?

Die Giulia brauchen wir kurz vor ihrer Rente vermutlich nicht mehr all zu lang und breit erklären. Daher in aller Kürze: Das letzte Facelift geschah im Jahr 2023. Es brachte digitale Instrumente und LED-Scheinwerfer. In diesem Fall haben wir es mit einem Tributo Italiano zu tun, einem der letzten Sondermodelle der Giulia. Freuen Sie sich also über kleine italienische Flaggen an den Außenspiegeln. 

Na gut, ein bisschen mehr ist dann doch geboten. Ziemlich viel mehr sogar. Denn der Tributo ordnet sich ausstattungstechnisch oberhalb des Veloce ein und hat damit im Prinzip Topmodell-Status. Mit dabei sind eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik, ein beheiztes Lenkrad, Ambiente-Beleuchtung, belüftetes und beheizbares Ledergestühl sowie ein Soundsystem von Harman Kardon, das mit 14 Lautsprechern inklusive Subwoofer 900 Watt Musikleistung liefert.  

Fotos Von: Motor1.com

Außen ist so ziemlich alles in Wagenfarbe lackiert (im Falle des Testwagens in Rosso Alfa), es gibt sehr schöne 19-Zoll-Räder und eine Bremsanlage von Brembo. Ziemlich volle Hütte also, was man auch erwarten darf für 66.000 Euro. Einzig das Technologie-Paket mit dem Sie autonomes Fahren Level 2 erwerben, steht noch für 1.500 Euro in der Aufpreisliste. 

Schnelle Daten Alfa Romeo Giulia 2.0 Turbo Q4 2025
Motor Reihenvierzylinder-Turbo; 1.995 ccm
Getriebe 8-Gang-Automatik
Antrieb Allradantrieb
Leistung 206 kW (280 PS)
max. Drehmoment 400 Nm
0-100 km/h 5,2 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 240 km/h
Testwagenpreis 67.500 Euro

Unter dem Blech gibt es Kost, die inzwischen mehr als bekannt sein dürfte. Für Vortrieb sorgt der 2,0-Liter-Turbo-Vierzylinder (GME T4), der federführend von Alfa für die Modelle der Giorgio-Plattform (Giulia, Stelvio, später Maserati Grecale) entwickelt wurde. In diesem Fall leistet er 280 PS und schickt seine Kraft via ZF-8-Gang-Getriebe an alle vier Räder. 

Schon immer ein Garant für fabelhaftes Handling ist das Fahrwerk bestehend aus einer Doppelquerlenker-Vorderachse und einer Mehrlenker-Achse hinten. Die Gewichtsverteilung liegt bei perfekten 50:50. Obwohl Alfa anfangs immer hervorhob, wie sehr die Giulia die Waage schont, ist sie in dieser Ausprägung mit 1.605 Kilo nicht wirklich leicht. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sie im Vergleich zu neueren Konkurrenten absolut zierliche Ausmaße hat. 

Abmessungen/Design

Knapp 4,65 Meter Länge waren auch vor zehn Jahren schon ordentlich auf Kante genäht für eine Mittelklasse-Limousine. Heute misst ein BMW 3er 4,71 Meter, der neue Audi A5 sogar 4,83 Meter. Beim Radstand liegt die Giulia mit ihren 2,82 Meter aber fast auf 3er-Niveau (2,85 Meter). Der cW-Wert ist mit 0,25 nach wie vor exzellent. 

Was die Optik betrifft, kann es kaum zwei Meinungen geben. Der Schreiberling, der Ihnen diese Zeilen vorsetzt, ist selbst der Marke Alfa Romeo völlig verfallen, aber auch ohne übermäßiges Fan-tum, wird man der Giulia kaum etwas anderes als blendende Schönheit unterstellen. Umso tragischer, dass ihr Nachfolger wohl den Pfad der klassischen Limousine verlassen und sich zu einem seltsamen Crossover-Gebilde á la DS N°8 oder Peugeot 408 zurückentwickeln wird. 

Innenraum/Platzangebot/Kofferraum

Mir hat das Interieur der Giulia immer gefallen. Es gibt einem dieses leicht eingebaute "Passt wie ein Handschuh"-Sport-Limousinen-Gefühl, das heute mehr und mehr abhanden kommt. Mit vergleichsweise wenigen/kleinen Displays, dem praktischen Dreh-Drück-Steller (Touch geht natürlich auch) und vernünftigen Knöpfen/Tasten/Drehrädchen für große Teile der Bedienung, ist das hier im Jahr 2025 ein wahrer Segen. Ein Auto zu bedienen, ist zuletzt so fürchterlich kompliziert und nervig geworden. Hier sieht man noch, wie geschmeidig und ablenkungsfrei es auch funktionieren kann. 

Dazu sei gesagt: Das Infotainment der Giulia ist alles andere als gut. Die Ladezeiten sind lang (gerade nach dem Start), die Nutzung der Sprachbedienung macht absolut keinen Spaß, die Navikarte sieht aus wie 2005 und die Routenführung ist, was Staus und ihre vermeintliche Länge betrifft, in der Regel mehr daneben als Sahne in einer Carbonara. Also am besten einfach Apple CarPlay oder Android Auto nutzen.

Fotos Von: Motor1.com

Auch die Digi-Instrumente machen eher den Eindruck, dass sie nun da sind, weil man das eben heutzutage so machen muss. Sie wirken grafisch etwas lieblos und die Konfigurationsmöglichkeiten sind sehr überschaubar. 

Der Qualitätseindruck der Giulia hingegen war nie verkehrt. Die Materialien sind auf Augenhöhe mit den deutschen Premium-Marken (was auch daran liegt, das selbige in den letzten Jahren teils dramatisch abgebaut haben). Im Bereich der unteren Türen ist das Plastik etwas dünn, aber das ist inzwischen ja überall so. Lassen Sie sich von einem Langzeit-Stelvio-Fahrer allerdings gesagt sein, dass es innen nach 4-5 Jahren durchaus klappern kann an der ein oder anderen Stelle. 

Das Gestühl sieht nicht nur gut aus, es ist auch recht bequem und die Sitzposition ist sportlich auf den Punkt. Auch das Lenkrad hat eine wunderbare Größe und greift sich gut. Highlight nach wie vor: Die wunderbaren (und riesigen) Schaltwippen im Ferrari-Stil. 

Fotos Von: Motor1.com

Sitzen zwei größere Menschen direkt hintereinander kann es für den Hünen im Fond durchaus etwas angespannt zugehen. Für Familien mit zwei Kindern geht das Platzangebot aber klar. Das Kofferraumvolumen beträgt 480 Liter, kann durch umklappen der Rückbank vergrößert werden. Die Ladeluke ist recht klein und ganz generell sollte klar sein: Wenn Sie Platz brauchen, machen Sie einen Bogen um dieses Auto oder kaufen sie sich einen Stelvio.

Dass es nie eine Kombi-Variante der Giulia gab, schmerzt bis heute. Ich bin mir relativ sicher, dass hätte dem Auto eine deutlich bessere Karriere beschert.

Fahrbericht

Die Giulia galt zeitlebens als ein Auto, dass stark über die Fahrdynamik und den Fahrspaß kommt. Man hatte sich seinerzeit für die Entwicklung diverse talentierte Menschen aus Ferrari-Kreisen abgeworben und ich erinnere mich noch, dass ich mir nach dem ersten Fahrtermin 2015 dachte: Dieses Auto fährt, als hätte Ferrari eine Mittelklasse-Limousine gebaut.

Das galt in erster Linie natürlich für die absolut glorreiche Giulia Quadrifoglio, aber auch die bürgerlichen Varianten glänzten mit Leichtfüßigkeit, brutal schneller Lenkung und dem generellen Gefühl, dass hier alles fahrerisch aber ganz genau sitzt, wie es soll. 

Zehn Jahre später kann man das nicht mehr uneingeschränkt behaupten. Dass die Giulia perfekt in der Hand liegt, einen fahrdynamisch ummantelt, sich so herrlich kompakt und lockerleicht anfühlt, einfach Lust darauf macht, sie sportlich zu bewegen, das ist nach wie vor so. 

Was leider auch immer blieb, ist einer der größten Fehler, die man mit einem fahrwerklich dermaßen talentierten Gefährt begehen kann. In einer Giulia, auf der kein Kleeblatt klebt, gibt es keine Option, das ESP zu deaktivieren. Noch schlimmer: auch einen halben Fallschirm in Form eines Sport-ESP sucht man vergebens. 

Jetzt haben Sie da also ein Auto, das im Prinzip auf Fahrspaß pur ausgelegt ist und es fährt Ihnen bei jedem Versuch, sich halbwegs dem Grenzbereich anzunähern aber sowas von dermaßen in die Parade, dass man es kaum glauben mag. Die Kalibrierung der Stabilitätskontrolle ist einfach ein großer Murks. Obendrein gibt es weitaus bessere Allradsysteme als dieses. Es fühlt sich immer an, als stünden Vorder- und Hinterachse in Konkurrenz zueinander. Die Kräfte werden also weniger verteilt, es wird um sie gekämpft, was natürlich nicht besonders harmonisch ist. 

Das Alter der Giulia merkt man inzwischen auch ein wenig am adaptiven Fahrwerk. Als das Auto neu war, ging das in Richtung Benchmark. So viel Dynamik mit einem derart komfortablen Fahrverhalten in Einklang zu bringen, war neu. Es ist immer noch gut, aber ein 3er macht es inzwischen besser. 

Ein sehr unangenehmer Malus am Testwagen: Die Motorhaube wackelte ab 160 km/h, wie ich es selten erlebt habe. Kein besonders schönes Gefühl. Ob das bei allen Giulias so der Fall ist, weiß ich allerdings nicht. 

Zum stärksten Vierzylinder im Programm lässt sich feststellen: Er zählt sicher zu den besseren Aggregaten seiner Zunft. Er ist laufruhig, durchzugsstark, spricht gut an und macht die Giulia zu einem Auto, dass sich jederzeit schnell anfühlt. Das gilt wohlgemerkt, wenn man sich mit dem DNA-Drehrädchen auf der Mittelkonsole vom vollkommen schnarchnasigen Normal-Modus und den Dynamic-Modus klickt. 

Fotos Von: Motor1.com

In dieser radikalen Ausprägung habe ich es selten erlebt, aber in "N" ist dieses Auto kaum fahrbar, so schlecht kommt es vom Fleck. Vermutlich hat man hier aus Verbrauchsgründen die Zwangsjacke angelegt. Dabei hat man sie allerdings viel zu stark festgezurrt. Also grundsätzlich nach dem Anlassen einfach in "D" wechseln und alles ist okay. 

Zu den sehr schönen Dingen in der 280-PS-Giulia gehören die nach wie vor tolle 8-Gang-Automatik und die nicht zu aufdringliche, aber sportlich-sonore Klangkulisse. Und der Verbrauch? Eine sieben vor dem Komma ist machbar, eine Zehn aber auch, wenn man auf der Autobahn 160, 170 km/h fährt. Irgendwo dazwischen wird es sich im Alltag einpendeln. 

Fazit: 7/10

Die Giulia ist ein künftiger Klassiker, das ist so sicher wie der tägliche Essenspost des bayerischen Ministerpräsidenten. Optisch hat der Zahn der Zeit wohlwollend um sie herumgenagt, aber innen und in puncto Technologien lässt sich ihr Alter nicht mehr verschleiern. Umso mehr, weil sie von Anfang an nicht unbedingt als Hightech-Kiste durchging. 

Dieses Auto zu bewegen, wie knackig und handlich und wohltuend es sich steuern lässt, das ist in Zeiten, wo derartiges immer mehr abhanden kommt, einfach sehr schön. Aber machen wir uns nichts vor: Bedenkt man sämtliche für ein modernes Auto wichtigen Kriterien objektiv, gibt es inzwischen einfach viele bessere Autos im Segment. Vor allem auch, weil die Giulia absolut kein Sonderangebot ist. 

Wenn Sie sich etwas richtig Gutes tun und ganz ganz sicher gehen wollen, dass Sie einen Future Classic zu Hause haben, dann holen Sie sich eine junge gebrauchte Giulia Quadrifoglio. Die ist fahrdynamisch so dermaßen gut, dass die diversen Unzulänglichkeiten des Autos aber auch wirklich vollkommen egal sind.

© Motor1.com