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BMW M3 und M4 (2021) im Test: Immer noch die Benchmark?

Kontrovers, extrem dynamisch und noch immer eine ganz schöne Handvoll

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Was ist das?

Der M3 (und seit letzter Generation auch der M4) ist sowas wie der Fixstern der teutonischen Sportfahr-Kultur. Einer mit zuverlässig herausragender Performance, einer mit Charakter, ein Biest - und doch irgendwie einer für Viele. Einen M3/M4 siehst du nicht nur im Prospekt auf der Rennstrecke, der fährt da wirklich. Er ist begehrenswert aber nicht affektiert. Kein Blender. Für den ein oder anderen ist das nun endgültig vorbei.

Ich will wirklich nicht schon wieder mit dem Design anfangen, vor allem weil ich - als so ziemlich einziger in meinem Umfeld - den neuen G80 massiv attraktiv finde. Aber es fällt schon auf, dass die Tage der Subtilität auch bei der M GmbH endgültig gezählt sind. Und damit meine ich nicht nur den Grill. Die grellen Farben, der monströse Diffusor, die lächerlich großen Auspuffendrohre - das richtet sich schon mehr und mehr an die Klientel "internationaler Influencer" und immer weniger an den Puristen. Aber das ist halt der Zeitgeist. Show muss sein.

Verstärkt wird der Effekt durch das immense Wachstum der beiden Boliden. Gegenüber ihren Vorgängern sind sie 122 mm länger und haben 45 mm mehr Radstand. Gegenüber dem aktuellen 3er ist der M3 heftige 85 mm länger und 75 mm breiter. Wenn Sie sich bei der ersten Anprobe vorkommen wie in einem M5, kann ich das Ihnen überhaupt nicht verübeln. Wir haben es hier inzwischen mit richtig großen Autos zu tun. 

Das merkt man leider auch ein bisschen auf der Waage. In einigen - zugegebenermaßen etwas hysterischen - Medienberichten war von über 150 Kilo Mehrgewicht die Rede. Das ist Unfug. Leer kommt die neue Generation M3/M4 ohne optionale Leichtbaumaßnahmen offiziell auf 1.730 Kilo.

Im Veranstaltungscenter in Garching stand ein M4 mit allen Diät-Schikanen (Racetrack-Paket mit Keramik-Bremse, Carbon-Sitzen und den leichtesten Felgen) auf der Waage bei 1.672 Kilo. Das ist fraglos eine Menge Holz. Allerdings lag die letzte Ausbaustufe des alten M4 inklusive OPF und üblicher Komfortausstattung bei gut 1.650 Kilo. Das wird die Diskussionen nicht beenden, aber fair sein sollte man schon.

Die M-Ingenieure erklären die Extra-Pfunde übrigens damit, dass die Brot-und-Butter-3er und-4er deutlich schwerer geworden sind. Außerdem hat man zur Verbesserung der Fahrdynamik insgesamt 38 Kilo (!) an zusätzlichen Verstrebungen ins Auto gebaut. Auch die Steifigkeit der Karosserie hat um 15 Prozent zugelegt.

Was ist sonst alles auf technischer Seite passiert? 

Fahrwerksseitig wie immer eine ganze Menge. Die Doppelgelenk-Federbeinvorderachse erhält einen eigenen Aluminium-Achsträger, neue Querlenker mit Kugelgelenken, steifere Lager und  mehr Negativsturz. Der Achsträger der Fünflenker-Hinterachse ist eine Evolution des Vorgängers. Wie dieser ist er starr mit der Karosse verbunden. 

Durch die nochmals größeren Spurweiten, das Mehr an Radstand und die Steigerung der Dimensionen/Qualität der Reifen (Serie sind Michelin Pilot Sport 4S in 275/40/18 und 285/35/19; optional 275/35/19 und 285/30/20) will BMW mehr Ruhe in die Fuhre gebracht haben. Auch die Traktion an der Hinterachse - einer der Hauptkritikpunkte bei der letzten Generation - soll davon profitieren. 

Schaut man sich die neuen Leistungsdaten an, erscheint das auch bitter nötig. Raus geht der alte S55-3,0-Liter-Biturbo-Reihensechser, rein kommt der neue S58 gleicher Couleur. Sein Debüt feierte selbiger in den SUV-Twins X3 M/X4 M. Hier ist er nun nicht nur eine Etage tiefer angeordnet, sondern verfügt auch über eine zwei Kilo leichtere Schmiedekurbelwelle, welche die Drehfreude verbessern soll. Dazu kommt eine anspruchsvollere Ölwanne, weil man mit M3/M4 tendenziell dann doch häufiger auf der Rennstrecke unterwegs ist als mit den hohen Dingern.

Erhältlich ist das Ganze in zwei Versionen. Die Basis kommt mit Sechsgang-Handschaltung, 480 PS und 550 Nm. Die Competition-Modelle kriegen 510 PS/650 Nm und sind ausschließlich mit 8-Gang-Automatik verfügbar. Den Wegfall der 7-Gang-Doppelkupplung erklärt man übrigens mit höherem Gewicht bei kaum noch schnelleren Schaltzeiten. Vermutlich dürften auch Kosten eine Rolle gespielt haben.

Den Competitions spendiert man ab Sommer erstmals auch einen optionalen Allradantrieb. Der sollte dann noch ein paar Zehntel von den ohnehin schon rabiaten Fahrleistungen abfeilen. 0-100 km/h gehen in den 510-PS-Modellen in 3,9 Sekunden (4,2 Sekunden im Handschalter), die 200 fallen nach 12,5 Sekunden. Topspeed: maximal 290 km/h.  

Wie üblich regelt ein elektronisches Differenzial die Verteilung der Kräfte zwischen den Hinterrädern. Die Stabilitätskontrolle DSC ist nun auch hier im Motorsteuergerät untergebracht und spricht zusätzlich mit dem neuen elektronischen Bremssystem, was Ansprechverhalten und Feingefühl der Regelung optimieren soll. 

Und dann gibt es da noch ein kleines Schmankerl für alle, die ständig ihren inneren Driftgott suchen, ihn aber partout nicht finden können. Die Rede ist von einer zehnstufigen Traktionskontrolle, wie man sie schon von mehreren AMGs und McLarens kennt. Sie regelt über einen Balken im Infotainment-Menü, wie viel Schlupf an den Antriebsrädern zugelassen wird und erleichtert so das Herantasten ans und übers Limit.

Der M3 startet bei 82.500 Euro, der M3 Competition kostet 7.000 Euro mehr. Beim M4 sind es 84.000 beziehungsweise 91.000 Euro. Markstart ist noch im März. Im Sommer folgt das M4 Cabriolet, im Frühjahr 2022 dann voraussichtlich der allerster M3 Touring, beide nur mit xDrive-Allradantrieb.

Und jetzt raus mit der Sprache: Wie fahren sie?

Größtenteils absolut hervorragend. Aber eben auch sehr eigen, sehr Neue-Schule-BMW und Richtung Grenzbereich nicht ganz ohne. Ob M3 oder M4 ist dabei übrigens völlig Wurscht, das nimmt sich nix, ehrlich. 

Wir starten mit dem M4 auf einem kleinen, eher engen Rundkurs in BMWs Maisacher Entwicklungszentrum. Hier fällt vor allem auf, wie sagenhaft wendig dieses inzwischen ja nicht mehr ganz so unwuchtige Fahrzeug selbst durch die schmalsten Kurven zirkelt. Der Wecker klingelt hier also grundsätzlich rechtzeitig, der Über-4er tänzelt geschickt und sein Reihensechser ist schon bei 2.000 Touren drastisch motiviert.

So direkt und auf Krawall die Lenkung auch ist, wäre es in den paar längeren, schnelleren Ecken unter Last doch schön, wenn sie ein bisschen besser zwischen Asphalt und meinen Handballen vermitteln würde, da fehlt ein Stück Klarheit. Schön ist dagegen, wie satt und fest das Heck auch bei stärkerem in die Kurve Bremsen im Sattel sitzt. Nichtsdestotrotz sind ein paar Runden auf einem Handlingparcours natürlich höchstens die halbe Wahrheit. Den Rest darf nun der M3 auf einer gut zweistündigen Landstraßentour herausfiltern.

Um die Fans zu beruhigen: Auf der Straße ergibt sich alles in allem ein sehr sehr guter Gesamteindruck. Das hier ist eine heckgetriebene Performance-Maschine reinsten Wassers. Der neue M3 fährt jederzeit aufregend, richtig aufregend, für den ein oder anderen womöglich sogar zu aufregend. 

Wie das bei Fahrzeugen aus Garching derzeit so Usus ist, ist die Lenkung auch hier comichaft schnell und direkt. Und weil die ganze Chose so steif ist, mit all ihren Streben und Unterboden-Schubfeldern und superstraffen Lagern, überträgt sich das mit der Koffein-getränkten Vorderachse sehr schnell nach hinten. 

Natürlich spielt hier auch der brachiale Motor mit rein (zu dem komme ich gleich), aber dieser M3 ist ein verdammt aggressiver Hund. Auch, was die ganze Körperkontrolle betrifft. Wie schnell sich das Auto in der Kurve auflädt und dann den Impuls gibt, sich auch hinten volle Möhre in den Scheitel ziehen zu lassen, das pusht so heftig, dass man sich anfangs erstmal neu kalibrieren muss. 

Das ist nervös, das ist hibbelig, das ist extrem umtriebig. Der M3 bewegt sich wie auf heißen Kohlen und ständig ist Alarm in der Bude. Ich finde das absolut großartig und emotional, aber ich kann verstehen, wenn derart viel Tamtam nicht jedermanns Sache ist.

Der M3 verfügt nicht über den natürlichen Flow eines Alfa Giulia Quadrifoglio. Er wirkt verbissener, hitzköpfiger. Das ist nicht zwangsläufig schlechter, nur eben nicht so organisch.

Es ist einmal mehr die Lenkung. Ein wenig zu viel Radiergummi, relativ hohe Rückstellkräfte, dicker Lenkradkranz. Geht er dir mal hinten weg - und auch wenn das Heck im Vergleich zum Vorgänger stabiler ist, es wird passieren, ständig -, dann ist das schnappiger, wilder als beim Alfa. Da muss man schon etwas flinker sein am Lenkrad. Natürlich driftet auch der M3 wie die Sau, aber hier hilft es wirklich, wenn du weißt, was du tust. 

Letztlich sind das jedoch Kleinigkeiten, die nicht überschatten sollen, dass wir es hier mit einem absoluten Fahrspaß-Monster zu tun haben. Eines, das wohlgemerkt über einen absolut alltagstauglichen Federungskomfort verfügt, wenn Sie nicht gerade in Sport Plus unterwegs sind. Und auch über die Bremse brauchen Sie sich keine Gedanken machen. Selbst wenn es keine physische Verbindung mehr zwischen Pedal und Scheibe gibt, funktioniert das alles tadellos und gefühlsecht.

Wie schlägt sich der Motor? 

Er ist ein absolutes Tier und sollte Mercedes-AMG beim nächsten C 63 wirklich mit einem Vierzylinder-Hybrid ums Eck kommen, dann dürfte die schiere Präsenz eines solch grandiosen Sechszylinders die Kunden in Scharen nach Bayern treiben. 

"Dass inzwischen 650 Nm die Hinterachse malträtieren, bringt selbige trotz erwähnter Grip-Optimierungen zwangsläufig irgendwann an ihre Grenzen. Für viele macht ja gerade das den Charme eines solchen Autos aus."

Viel Eingewöhnungszeit braucht der S58 wirklich nicht. Der Schub kommt früh und bleibt über große Teile des Drehzahlbands gewaltig. Er wirkt womöglich nicht ganz so leichtfüßig wie der in dieser Hinsicht völlig überragende Single-Turbo-R6 im M340i, aber er ist in allen Belangen so viel mächtiger. 

Dass der rote Bereich nicht mehr bei 7.600, sondern bei 7.200 U/min anfängt, stört da ebenfalls nicht wirklich. Man ist in dieser Klasse mittlerweile einfach durch die Bank so fürchterlich schnell und wird von so viel Power überfallen, dass derlei Feinheiten, zumindest abseits der Rennstrecke, keine wirkliche Rolle spielen. Insgesamt sicher ein Motor, der den Ansprüchen in einem derartigen Performance-Umfeld absolut gerecht wird.

Dass inzwischen 650 Nm die Hinterachse malträtieren, bringt selbige trotz erwähnter Grip-Optimierungen zwangsläufig irgendwann an ihre Grenzen. Für viele macht ja gerade das den Charme eines solchen Autos aus. Allen anderen sei das Spiel mit der hervorragend abgestimmten 10-Stufen-Traktionskontrolle ans Herz gelegt, die trefflich unterstützt, ohne merklich zu bevormunden.

Zum Getriebe muss man, glaube ich, nicht mehr viel sagen. Die ZF-8-Gang-Box im verstärkten M-Trimm ist eine Bank. Natürlich haut sie einem die Gänge nicht gar so rabiat um die Ohren wie der alte Doppelkuppler, aber in Sachen Speed nimmt sich das gefühlt gar nix.

Erfreuliches gibt es auch vom Klang zu berichten. Da war die blechern blähende und etwas peinlich schießende Vorgänger-Generation ja eher ein Lowlight. Die neue Auspuffanlage mit ihrer komplett variablen Klappensteuerung macht ihre Sache um Welten besser. Von außen klingen M3/M4 nun deutlich voluminöser und erwachsener. Innen hilft der Lautsprecher, der aber macht seine Sache richtig gut.

Wie sind sie innen?

Vor allem abgefahren bunt, wenn Sie das denn möchten. Knalliges Orange gefällig? Oder ein dezentes Schlumpfblau mit Neongelb? Mir persönlich gefällts (falls das irgendjemanden interessiert), aber wenn Sie Angst davor haben, jeden Tag in ihrem persönlichen -Alptraum gefangen zu sein, dann gibt es auch klassisches Schwarz. 

Unbedingt empfehlenswert ist das Innenraum-Carbonpaket und zwar alleine schon wegen der vermutlich schärfsten Schaltwippen, die man derzeit kriegen kann.

Nicht ganz so sicher bin ich mir, was die Auswahl des Gestühls angeht. Die optionalen Kohlefaser-Schalensitze sehen absolut hinreißend aus und sparen 10 Kilo Gewicht, aber sie sind wirklich verflucht eng geschnitten. Gar nicht mal so sehr am Rücken (verstellbare Seitenwangen), eher am Oberschenkel. Könnte auf Dauer mehr zwicken als es gut ist. Zudem entsteigt man den stark ausgeformten Dingern mit allem möglichen, aber nicht mit Würde. Die Standardsitze halten obenrum kaum schlechter, sind aber deutlich bequemer. Die Sitzposition ist ein beiden Fällen einhundert Prozent auf den Punkt. Vor dem Kauf also unbedingt probesitzen. 

Qualitativ und optisch macht das Cockpit durch allerlei M-Firlefanz einen hochwertigeren Eindruck als in herkömmlichen 3ern und 4ern. Das Infotainment und dessen Bedienung sind BMW-typisch eine absolute Wucht. Großer Vorteil der M-Modelle: Das digitale Instrumentendisplay ist weitaus besser konfigurierbar und serviert einem in den Sport- und Track-Ansichten tatsächlich alle für Sportfahrer relevanten Infos genau da hin, wo sie auch hingehören. 

Fazit: 8/10

So "Voll auf die Fresse" und grell wie M3 und M4 äußerlich daherkommen, fahren sie auch. Das Niveau an abrufbarer Performance ist atemberaubend, das Fahrverhalten in höchstem Maße unterhaltsam, prickelnd und in Richtung Grenzbereich auch durchaus etwas fordernd. Es ist ein sehr gutes Zeichen, dass ein Performance-Flaggschiff auch genau so fahren darf, wenn der Pilot das möchte. Ohne Weichspüler et Cetera. 

Dazu kommt eine Qualität, im (einstellbaren) Fahrwerkskomfort, in der Bedienung, den Technik-Gimmicks oder in der Auswahl der Materialien, die M3 und M4 zu idealen Alltags-Fahrzeugen macht. Da ist die Spreizung zwischen Attacke und Entspannung schon sehr sehr groß.

Eine bessere und somit nahezu perfekte Bewertung verspielen die beiden lediglich durch ihr etwas zu androgynes, übernervöses Lenkverhalten. Die zu künstlich erzeugte Hyperaktivität kostet mir persönlich ein kleines Eck zu viel Gefühl und Fahrer-Involvierung.  

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