Jahrelang diskutierte BMW den Antrieb für den dritten M5 - Turbolader und sogar ein V6 waren in der Verlosung
Manchmal kommen nach Jahrzehnten Geschichten ans Licht, die glaubt man gar nicht. Wie diese zum Beispiel: BMW wollte für den E39 M5 (1998 bis 2003) unbedingt einen Sechszylindermotor. Das allein war an sich nichts Ungewöhnliches; sowohl der E28 als auch der E34 M5 hatten Reihen-Sechszylinder. Letztlich erhielt der E39 M5 einen 5,0-Liter-V8. Es dauerte jedoch eine Weile, bis BMW dort ankam. Dabei zog man zeitweise etwas Undenkbares in Betracht - einen V6.
BMW Blog machte uns auf diese Geschichte von BMW Nordamerika über die Entwicklung des E39 M5 aufmerksam. Darin enthüllt Alex Hildebrandt, der Chefingenieur des E39 M5, dass man vor der Festlegung auf den Achtzylinder einen V6, einen Reihensechszylinder und sogar Turboaufladung für die dritte Generation der Performance-Limousine in Betracht zog.
"Wir waren am Ende der Energiekrise in Europa, und es gab Zweifel, ob ein solches Auto weiterhin auf dem Markt nachgefragt würde", sagte Hildebrandt über den M5. "[Karlheinz Kalbfell, der damalige Leiter von BMW M] wollte die Karte der Kraftstoffeffizienz ausspielen, was nicht bedeutete, dass wir keine starken Motoren haben würden, eher dass die Effizienz der Motoren im Vergleich zur Leistung herausragend sein sollte.
Es war nicht möglich, das mit einem V8 zu erreichen, denn am Ende müssen acht Zylinder versorgt werden. Wir hatten viele Diskussionen über Turboaufladung, aber damals erhöhte Turboaufladung hauptsächlich den Kraftstoffverbrauch und die Leistung im oberen Drehzahlbereich, anstatt das Drehmoment in der Mitte."
BMW begann 1993 mit der Arbeit am E39 M5. Hildebrandt erzählt, dass das Unternehmen zwei Jahre damit verbrachte, den richtigen Motor für das Auto zu evaluieren. BMW enthüllte keine Details zum aufgeladenen Reihensechszylinder oder gar dem V6, daher wissen wir nicht, wie weit die Idee letztlich gedieh. Andere Automobilhersteller gaben in den 1990er Jahren ihre Reihensechszylinder zugunsten von V6-Motoren auf, aber BMW blieb standhaft bei seinen sechs Zylindern in einer Reihe.
Kalbfell mochte die Idee eines V8 offenbar nicht. Er glaubte, dass der Reihensechser das Herz und die Seele von BMW ist. Zudem war er der Meinung, dass M-Modelle hochdrehende Motoren haben sollten. Ein M5 sollte nicht zum Muscle-Car mit trägem V8 mutieren.
Doch die Idee mit dem Sechszylinders funktionierte einfach nicht. BMW war mit der Turboaufladung nicht zufrieden und das Management wollte nicht viel Geld in die Entwicklung eines maßgeschneiderten und komplexen Motors für ein Auto mit relativ geringem Volumen investieren.
Die ersten M-Modelle von BMW waren sündhaft teure Verkaufskatastrophen. Ihre vom Rennsport abgeleiteten Motoren machten sie erheblich teurer als die Baureihen-Geschwister ohne M auf dem Heckdeckel. Im Gegensatz dazu verkaufte sich der US-spezifische E36 M3 mit seinem eher bodenständigen, serienbasierten Reihensechszylinder und einem vernünftigen Grundpreis in großer Zahl und setzte damit eine Erfolgsformel für zukünftige M-Modelle.
Nach Jahren des Zögerns entschied sich BMW M schließlich. Man nahm den 4,4-Liter-M62-V8 aus dem 540i, vergrößerte den Hubraum auf 5,0 Liter, rüstete ihn mit einer Trockensumpfschmierung und Einzeldrosselklappen aus. Das Aggregat dreht lediglich 6.600 U/min, erreichte jedoch das Ziel von 400 PS.
Niemand störte sich wirklich an der niedrigen Drehzahlgrenze und in der Praxis war der S62 alles andere als träge. Mit dieser Art von Leistung, einer stark verbesserten Version des bereits hervorragenden 5er-Chassis und einem Sechsgang-Schaltgetriebe, schuf BMW M mit dem E39 M5 ein perfektes Rezept.
BMW verkaufte letztendlich 20.482 Exemplare des E39 M5. Klingt zuerst nicht überwältigend, war aber weitaus mehr als bei jedem seiner Vorgänger. Vor allem in den USA war das Auto ein Erfolg. Wohl auch wegen des Grundpreises von unter 70.000 US-Dollar. Etwa die Hälfte der gesamten Produktion ging in die Staaten. BMW verkaufte dort etwa dreimal so viele E39 M5s wie E28s und E34s zusammen.
"Ohne den V8 hätten wir keine Chance gehabt, die USA an Bord zu bekommen", sagte Hildebrandt, "und ohne die Verkaufszahlen in den USA wäre das Projekt überhaupt nicht profitabel gewesen."
In den 2000er Jahren konnte BMW M mit dem phänomenalen V10 im E60 M5 und E63/E64 M6 sowie dem 4,0-Liter-V8 im E90/E92/E93 M3 zu seinen Hochdrehzahl-Wurzeln zurückkehren, aber auch diese Zeiten sind vorbei. Die Anforderungen nach immer mehr Leistung bei besserer Wirtschaftlichkeit und geringeren Emissionen zwangen die M GmbH, zuerst die Aufladung und nun sogar die Elektrifizierung im aktuellen M5 zu akzeptieren.
Alles vielleicht noch vor ein paar Jahren unvorstellbar. Aber nicht so unvorstellbar wie ein BMW V6.