Der BMW iX3 ist seit September bestellbar, und der Ordereingang sprengt die Erwartungen von BMW offenbar. Auch mich hat das erste 800-Volt-Modell von BMW von den Daten her überzeugt. Nun habe ich bei ausgiebigen Tests in Andalusien erfahren, wie sich der Wagen in der Praxis fährt.
Wichtig sind natürlich die Kerndaten des Antriebs. Und da liegt der BMW iX3 mit bis zu 805 km WLTP-Reichweite und einer Ladegeschwindigkeit von 3,6 kWh/min doch deutlich besser als der Konkurrent Mercedes GLC EQ. Hier aber erstmal ein kleiner Daten-Überblick zur Startversion 50 xDrive:
| BMW iX3 50 xDrive | |
| Antrieb | AWD 345 kW, 645 Nm |
| 0-100 km/h / Höchstgeschw. | 4,9 Sek. / 210 km/h |
| WLTP-Verbrauch | 15,1-17,9 kWh |
| Akku netto | 108,7 kWh |
| WLTP-Reichweite | 679-805 km |
| Max. Ladeleistung AC/DC | 11 (optional 22) kW) / 400 kW |
| DC-Ladedauer (10-80 %) | 21 min |
| Basispreis | 68.900 Euro |
Exterieur | Interieur | Antrieb | Bedienung | Assistenten | Fazit
Exterieur
Der BMW iX3 ist mit 4,78 Meter Länge ein typisches Mittelklasse-SUV; die Form ist die eines klassischen SUVs ohne Coupé-Anwandlungen, die Höhe ist mit 1,64 m recht stattlich. Und die Optik gefällt mir persönlich viel besser als bei dem etwas altbacken wirkenden Mercedes GLC EQ. Vorne finde ich den Wagen gefällig und relativ konventionell. Mir gefällt, dass BMW komplett auf protzige Chrom-Leisten verzichtet und stattdessen filigrane Lichtlinien verwendet, um die Doppelniere zu akzentuieren.
Das Heck finde ich ziemlich futuristisch und etwas gewagt. Mich erinnert es ein wenig daran, wie Aliens in Comics aussehen. Die exotisch wirkenden "Augen" stechen besonders bei hellen Karosseriefarben heraus. Die Designer sagen, die beiden länglichen Elemente sollen ein Echo der Doppelniere vorne sein.
Interieur und Bedienung
Innen fällt der Blick zuerst auf das neue "Panoramic Vision"-Display: Der gesamte untere Rand der Windschutzscheibe, von ganz links bis ganz rechts, wird für die Anzeigen genutzt. Technisch handelt es sich um eine Art Head-up-Display. Die Daten werden von unten auf die Scheibe projiziert. Als Projektionsfläche dient der so genannte "Schwarzdruck", das heißt die schwarze Einfassung der Scheibe. Dadurch sind die Anzeigen nicht nur vom Fahrersitz aus sichtbar wie beim Head-up-Display, sondern von allen Plätzen aus.
Ein normales Head-up-Display gibt es in meinem Testwagen ebenfalls; es ist Teil des Innovationspakets für 1.900 Euro. Oft zeigt es jedoch nicht viel mehr Infos an als das Panoramic-Vision-System, deshalb kann man meiner Ansicht nach auch darauf verzichten.
Natürlich hat der iX3 auch einen Touchscreen, der mit 17,9 Zoll auch besonders groß ausfällt. Die Besonderheit ist, dass er nicht rechteckig, sondern parallelogrammförmig ist. Auf Bildern sieht das immer etwas windschief aus, aber vom Fahrerplatz aus fällt es nicht auf und ich hatte seine Form beim Fahren rasch wieder vergessen. Das Kartenbild des Navis wirkt allerdings fast monochrom und im Vergleich zu Google-Earth-Darstellungen ziemlich trist.
Irritierend fand ich das Lenkrad. Zur seltsamen Form kommen unschöne und etwas billig wirkende Plastik-Tasten links und rechts vom Pralltopf. Auch für die Blende mit den Luftausströmern in der Mitte des Cockpits fühlt sich beim Betasten etwas windig an. Ansonsten ist das Armaturenbrett bei meinem Wagen mit einer Art Kunststoffgewebe bezogen. Durch dessen Poren leuchtet bei Dunkelheit das Ambientelicht, tags erahnt man es höchstens.
Auf einen Start-Stopp-Knopf verzichtet BMW dankenswerterweise. Man stellt den Fuß auf die Bremse, aktiviert mit dem Schalter auf der Mittelkonsole den D-Modus und es kann losgehen. Die Außenspiegel werden ganz konventionell über Tasten in der Armauflage in der Tür eingestellt, der Sitz elektrisch über entsprechende Elemente an der Türinnenseite, und die Lenksäule wird manuell adjustiert.
Die "Sport-Komfort-Sitze" der getesteten Version bieten ordentlichen Seitenhalt am Rücken, an den Oberschenkeln hätte ich mir auf kurvigen Bergstraßen etwas mehr Unterstützung gewünscht. Im Fond ist für mich als 1,76 m großen Testpassagier genug Platz; das gilt für den Platz über dem Kopf wie für die Kniefreiheit.
Der Kofferraum hat keine Schwelle am Eingang und scheint gut nutzbar zu sein. Die Fondlehnen sind im Verhältnis 40:20:40 geteilt umklappbar; dabei rasten sie auch ein und für die Gurte gibt es eine nette Lösung mit Druckknöpfen. Ganz eben wird der Ladeboden beim Umklappen nicht. Der Stauraum ist jedoch mit 520-1.750 Litern sogar ein wenig größer als beim BMW iX. Dazu kommt noch ein 58 Liter großer Frunk − das reicht zumindest fürs Ladekabel und anderen Krimskram. Wenn nicht alles, was man transportieren möchte, ins Auto passt, nutzt man die Dachreling oder hängt bis zu zwei Tonnen schwere Anhänger an.
Antrieb und Fahreindrücke
Der 345 kW starke Allradantrieb wirkte zunächst ausreichend, aber nicht übermäßig sportlich. Das änderte sich deutlich, als ich den Sport-Modus aktivierte - dann bietet der Wagen viel mehr Punch. Hier ist die Einstellung also wichtig.
Das gilt auch für die Rekuperation. Um ihre Stärke zu wählen, gibt es leider keine Lenkradwippen. Für echtes One-Pedal-Driving wählt man den B-Modus am Getriebeschalter, denn nur so kommt man zum völligen Stillstand. Am Touchscreen wählt man dazu noch den Modus High. Empfehlenswerter ist der Adaptive-Modus. Hierbei wird automatisch stärker rekuperiert, wenn man auf ein langsameres Fahrzeug vor einem aufläuft, aber auch vor Kreisverkehren, scharfen Kurven und dergleichen.
Der Verbrauch auf meinen insgesamt fast 340 km langen Testfahrten betrug laut Bordcomputer nur 17,8 kWh/100 km. Zum Vergleich: Nach WLTP sind es 15,1-17,9 kWh. Und ich hatte sicher nicht das leichteste Modell, es rollte auf 21-Zöllern und es waren nicht die Aerodynamikfelgen. Etwa ein Drittel der Strecke war Autobahn (maximal 120 km/h), aber auch eine lange Bergstrecke war dabei, auf der abwechselnd nur 40, 50 oder 60 erlaubt waren. Sind die 805 km Maximalreichweite also realistisch? Es kommt entscheidend aufs Tempo an. Wenn Sie viel Stadt dabei haben, dann locker; wenn Sie ausschließlich Autobahn fahren, dürften wohl nur 550 km drin sein.
Zum Antrieb erfuhr ich, dass die an der Vorderachse eingesetzte 123-kW-Asynchronmaschine von ZF zugeliefert wird, auch der Inverter wird zugekauft. Dagegen wurde der 240 kW starke Heckantrieb inklusive Siliciumcarbid-Inverter von BMW selbst entwickelt. Letzterer ist, wie von BMW gewohnt, eine stromerregte Synchronmaschine. Vorteile gegenüber einer Permanentmagnet-Synchronmaschine (PSM): Man braucht keine Seltenen Erden für die Magnete im Rotor, und die Effizienz ist besonders bei hohem Tempo größer.
Die Batterie basiert erstmals bei BMW auf Rundzellen. Mich hat überrascht, dass nicht das Format 46120, sondern die kürzeren 4695er verwendet werden. Das heißt, die Zellzylinder haben 46 mm Durchmesser und sind 95 mm lang. Umso bemerkenswerter, dass auch damit 108,7 kWh Nettokapazität drin waren, sagte mir Batterieexperte Philip Guerrero. Wenn ich recht verstanden habe, werden die größeren 120er erst bei größeren Fahrzeugen verwendet - vermutlich beim iX5.
Die Zellen kommen von CATL und EVE; sie haben eine NMC-Chemie an der Kathode und eine Graphitanode mit erhöhtem Silicium-Gehalt. Zudem werden die Zellen im Cell-to-Pack-System verwendet, also ohne Module. Noch nicht bekannt war bisher, dass ein Kühlband verwendet wird, das sich S-förmig in jeder zweiten Reihe um die Zellen schlingt.
Das Fahrwerk kommt ohne Spezialitäten wie adaptive Dämpfer oder gar Luftfederung aus und bietet dennoch einen guten Kompromiss zwischen Wankresistenz und Komfort. Das habe ich aber erst herausgefunden, nachdem ich die Lenkung auf "Sport" eingestellt hatte. Davor hatte ich ein eher weiches, indirektes Gefühl.
Bedienung
Beim BMW iX3 sind die richtigen Einstellungen wichtig. Die entsprechenden Menüpunkte im ziemlich umfangreichen und reichlich komplizierten Touchscreen-System zu finden, ist aber nicht ganz einfach. Der Basis-Screen zeigt rechts die Karte, links einen diagonalen Streifen, den man herauf- und herunterwischen kann. Außerdem gibt es noch einen Swipe-Down-Screen mit wichtigen Einstellungen und unten eine immer gleiche Leiste für die Klimaeinstellungen und fürs Audiosystem.
Wichtig ist die "My-Modes"-Schaltfläche am unteren Rand des Touchscreens, bestehend aus drei Strichlein nebeneinander. Damit kann man zwischen den Modi Personal, Sport, Comfort und Silent wählen, wobei Silent nicht etwa den künstlichen Motorsound abstellt, sondern für eine reduzierte Darstellung steht. Die helfende Fachfrau Claudia Maier stellte mir Personal ein und zeigte, wie ich den Modus konfigurieren kann: Es gibt die Kategorien Antrieb, Lenkung und Rekuperation:
Was man im oben gezeigten Screen einstellt, ist eminent wichtig, denn wie erwähnt sind die Unterschiede groß. Um diesen Bildschirm zu erreichen, sind aber vier oder fünf Klicks am Touchscreen nötig, was stark vom Fahren ablenkt. Wie geht man damit im Alltag um? Ich würde Antrieb und Lenkung auf "Sport" stellen und die Rekuperation auf "Adaptive". Die Rekuperationseinstellung bleibt auch nach einem Neustart aktiv, nicht aber der Sportmodus. Deshalb sollte man wohl eine der vier konfigurierbaren Tasten auf dem Hauptscreen entsprechend belegen.
Bilder von: InsideEVs
Puh, schon dieses System finde ich reichlich kompliziert. Das ist aber noch längst nicht alles an Einstellungen. So kann man die einzelnen Anzeigen des Panoramic-Vision-Leiste konfigurieren, man kann den Motorsound an- und ausstellen, die Batterievorkonditionierung manuell aktivieren und sogar deren Heizleistung verändern und wahrscheinlich noch vieles mehr. Die Funktionen sind so vielfältig, dass ein Großteil der Kundschaft nicht mehr durchblicken dürfte.
Helfen könnte eine gute Sprachbedienung. Die im iX3 ist durchaus hilfreich. Mit dem Kommando "Show My Modes" kann man sich zumindest einen Klick sparen, aber "Show Drive Settings" funktioniert nicht mehr. Ansonsten kann man per Sprache das Navigationsziel eingeben, sich einen Witz erzählen oder die Hauptstadt von Spanien ansagen lassen. Auch die Befehle "Open my window" sowie "Open the window on the passenger side" funktionierten. Aber als ich "Close both windows" sagte, wurde nur das Fahrerfenster geschlossen. Als ich das Kommando wiederholte, hieß es, das Fenster sei schon geschlossen.
Wie immer habe ich auch die Ladeplanung erprobt. Ich sagte: "Hey BMW, navigate to Munich" und nach etwas Rechnerei hatte der Wagen eine Route bis in die rund 2.400 km entfernte Heimat ausbaldowert. Automatisch wurden passende Ladestationen hinzugefügt. Bei einem Tipp auf eine der Ladestationen erfahre ich, von welchem Ladestand bis zu welchem Wert ich laden soll, die Ladeleistung, und sogar, ob die Station gerade frei ist. Auf den Befehl "Navigate to the next charging station" bietet mir das System auch mehrere DC-Lader an.
Man kann auch einstellen, bei welchem Mindest-Ladestand man die einzelnen Ladestopps anfahren möchte und den Mindest-Ladestand am Endziel festlegen. Der Akku wird automatisch aufs Schnellladen vorbereitet. Wie erwähnt, kann man diesen Vorgang auch manuell starten. Technik-Nerds können sogar die Batterietemperatur im Blick behalten.
Assistenzsysteme
Ein dickes Lob verdienen die Assistenzsysteme, insbesondere der Abstandstempomat (ACC) und die adaptive Rekuperation. Denn diese beiden Systeme gehören hier zusammen, sie verwenden sogar den gleichen Code, wie mir die Experten erklärten. Während die adaptive Rekuperation nur die Bremse steuert, dosiert der Tempomat zusätzlich das Gas. Das Gute daran: Die Systeme helfen, ohne sich aufzudrängen.
Auf der Autobahn nutze ich das ACC-System, wozu ich einfach den Knopf links am Lenkrad drücke. Dann werde ich automatisch auf das gerade geltende Tempolimit beschleunigt oder abgebremst. Natürlich kann ich das System mit Gasgeben übersteuern. Neu ist jedoch, dass das System auch dann aktiv bleibt, wenn ich zwischendurch mal bremse: Es übernimmt automatisch wieder, sobald mein Eingriff beendet ist.
Da mein Fahrzeug mit dem Autobahn- und City-Assistenten (1.450 Euro) ausgestattet ist, brauche ich auf der Autobahn die Hände nicht am Lenkrad zu lassen. Und zwar zeitlich unbegrenzt, solange ich konzentriert bleibe. Wenn die Bahn frei ist, kann ich mit einem Blick in den Außenspiegel den automatischen Spurwechsel veranlassen. Wie ich schon beim i5 Touring festgestellt habe, ist das aber nur auf leeren Autobahnen nützlich, sonst sind die Lücken zu klein.
Neu ist der City-Teil des Systems: Per Kamera erkennt er rote Ampeln sowie Vorfahrt-achten-Schilder oder das "Stopp"-Zeichen und hält den Wagen automatisch an - ich kenne kein anderes Auto, das sowas kann. Erproben konnten wir das in Spanien noch nicht, weil es zunächst nur in Deutschland aktiviert wird.
Auf kurvigen Bergstrecken nutze ich die adaptive Rekuperation. Damit kann ich beim "freien" Fahren ohne Abstandsassistent (ACC) fast vollständig auf das Bremspedal verzichten. Das System bremst mich automatisch ab, wenn ich im Eifer des Gefechts zu dicht auffahre. Es bremst mich vor Tempolimits oder Kreisverkehren herunter, sobald ich das Gas freigebe. Aber wenn ich eingreifen möchte, kann ich das jederzeit tun.
Beide Systeme finde ich ideal. Ich würde sie fast immer aktiviert lassen. Immer wenn mir etwas an der Steuerung nicht passt, kann ich einfach per Gas oder Bremse eingreifen, und nach der Situation wieder das Auto machen lassen.
Fazit
Der BMW iX3 ist aktuell das Mittelklasse-SUV mit der größten WLTP-Reichweite und auch beim Schnellladen liegt das erste Derivat der Neuen Klasse weit vorne. Beim Test stellte sich heraus, dass auch Fahrwerk und Lenkung sehr gut sind, sofern man die Lenkung auf Sport stellt. Wie dort macht auch beim Antrieb die Einstellung einen deutlichen Unterschied: Im Sportmodus wirkt er durchaus kräftig.
Als äußerst willkommene Fahrhilfen empfand ich den Abstandstempomaten und die adaptive Rekuperation. Das Panoramic-Vision-Display gefällt mir ebenfalls. Auf das optionale Head-up-Display würde ich verzichten, wiel sich die Anzeigen damit oft doppeln. Auch die Platzverhältnisse im iX3 sind lobenswert: Im Fond sitzt man gut, der Kofferraum ist groß und gut nutzbar. Auch die Außenoptik gefällt mir.
Am ehesten etwas zu mäkeln gibt es bei der Bedienung. Das Kartenbild ist etwas trist, die Einstellmöglichkeiten sehr vielfältig, aber dadurch auch ziemlich kompliziert. Und das Lenkrad wirkt durch die Plastik-Tasten wenig wertig. Aber an jedem Auto gibt es was zu kritisieren. Insgesamt ist der neue BMW iX3 50 xDrive für mich derzeit das beste elektrische Mittelklasse-SUV.








