Hier fahren Sie besser!
Automobile.at logo

Polestar 2 (2021) als Standard Range Single Motor im Test

Reichen 165 kW an der Vorderachse und der kleine 64 kWh-Akku dem neuen Basismodell für unter 42.000 Euro?

InsideEVs.de: Elektroautos, Plug-in-Hybride: News, Tests
Marke wählen

Wenn Sie bisher mit einem Polestar 2 geliebäugelt haben, hatten Sie nicht wirklich die Wahl. Lediglich ein Modell mit Allradantrieb und großer 78 kWh-Batterie stand bereit - "Long Range Dual Motor" nennt die Marke dieses Derivat. Jetzt ändert sich die Sachlage und Polestar bringt die Nummer 2 auch mit Frontantrieb und zwei Akku-Optionen. Nimmt man nun den "Standard Range Single Motor", sinkt der Einstiegspreis gewaltig. Macht das Sinn? Test!

Die erste von vielen guten Nachrichten: Rein optisch ändert sich eigentlich nichts an dem Fahrzeug, sollten Sie sich für das Basismodell entscheiden. Das skandinavisch-kühle und hochtechnisierte Exterieur-Design bleibt unangetastet. Den Unterschied können Sie nur an den kleinen Aufklebern erkennen, die als genaue Modellbezeichnung an den vorderen Enden der vorderen Türen dienen. Auf unserem Testwagen steht jetzt also nicht mehr 300 kW, Dual Motor und 78 kWh, sondern 165 kW, Single Motor und 64 kWh.

Halbe Motorenanzahl, halbes Drehmoment

Um vom zweimotorigen zum einmotorigen Polestar 2 zu werden, hat der Hersteller den hinteren Antrieb entfernt. Dadurch sinkt auf dem Datenblatt nicht nur die Leistung. Auch das Drehmoment wird von 660 Nm auf 330 Nm halbiert. Die daraus resultierende 0-100-km/h-Zeit verschlechtert sich von 4,7 s auf 7,4 s. Das ist aber eigentlich immer noch schnell und vollkommen ausreichend. Es kommt jedoch jetzt öfter vor, dass die exklusiv angetriebenen Vorderräder nach einem ESP-Eingriff verlangen - gerade bei nasser Straße.

Weil Polestar mit den Single Motor-Derivaten aber eher ein wenig weg vom Performance-Anspruch möchte (die Statements, sich für Front- anstatt Heckantrieb zu entscheiden und die Tatsache, dass jetzt bei 160 km/h Höchstgeschwindigkeit abgeregelt wird, sind da ziemlich eindeutig), wird man im nicht allzu ambitionierten Alltagsbetrieb keinen großen Unterschied merken.

Etwas kopflastiger wird es in Kurven, aber die Gewichtsverteilung hat sich nun mal zwangsläufig nach vorne verschieben müssen. Von ziemlich perfekten 51/49 zu immer noch guten 55/45. Ein weiterer Nebeneffekt ist, dass durch den fehlenden Motor an der Hinterachse das Leergewicht verringert werden konnte. Etwas mehr als 100 Kilogramm kann Polestar so einsparen. Wenn dann noch der kleine 64-kWh-Akku an Bord ist, sinkt die Masse noch einmal um 54 kg.

Das kompensiert schon ziemlich viel an verlorener Agilität und trotz der extrem satten Straßenlage kann man dem Single Motor eine gewisse Leichtfüßigkeit abgewinnen. Um übrigens den Gewichtsunterschied zwischen dem 64er und dem 78er auszugleichen, darf der AC Permanentmagnet-Synchronmotor von Valeo-Siemens im Long Range 170 und damit 5 kW mehr leisten. Nett.

Die verschiedenen Batteriehersteller

Während wir also nur bei Beschleunigungsorgien auf rutschigen Untergründen und auf der noch unbegrenzten Autobahn etwas wehmütig an den Dual Motor denken, entschädigt uns der Blick auf die Zahlen zum Durchschnittsverbrauch und den möglichen Reichweiten.

540 km sind theoretisch mit dem 78 kWh fassenden und aus 324 Pouch-Zellen bestehenden Akku von LG möglich. Mit Allradantrieb sind es mit dem identischen Energiespeicher 60 km weniger. Kein Wunder: Es stehen sich schließlich 19,4 kWh/100km und 17,1 kWh/100km laut WLTP gegenüber.

Der kleinere und auch von uns getestete Akku sorgt für 440 km E-Reichweite und ist aus 288 prismatischen Zellen zusammengesetzt, die in 24 Modulen organisiert werden. Hersteller dieses Speichers ist CATL. Durch den unterschiedlichen Aufbau der beiden Akku-Optionen ergeben sich dann die abweichenden Ladegeschwindigkeiten. Während die Long Range-Modelle mit bis zu 155 kW Strom nachtanken können, schafft das Standard Range-Fahrzeug nur maximal 116 kW.

116 kW sollten im Regelfall aber ausreichend sein. Zumal der Akku sowieso kleiner ist und alle Modelle gemeinsam haben, dass unter optimalen Bedingungen von 10 auf 80 Prozent in 35 Minuten geladen werden kann. Wir hängen uns mit dem Einsteiger-2 deshalb bei Regen, 10 Grad Celsius und einer Ausgangsladung von 14 Prozent an eine 200-kW-Säule von EnBW. Und siehe da: Nach nicht einmal 15 Minuten sind wir schon wieder bei über 50 Prozent (ausreichend für unsere restliche Teststrecke) und maximal wurde kurzzeitig sogar mit 118 kW geladen.

Der neue Basispreis beziffert sich auf genau 41.930 Euro und passt erstaunlich gut zum Tesla Model 3 Standard Range mit Hinterradantrieb, das es ab 40.970 Euro gibt (wobei aber der Herstelleranteil des Umweltbonus von 3.000 Euro netto bei den Kaliforniern schon abgezogen ist). Auch die Reichweite ist vergleichbar: Der Tesla soll 448 WLTP-km schaffen - nur acht Kilometer mehr als der Polestar 2. Wenn es der Polestar 2 Long Range Single Motor sein soll, müssen Sie mit 3.000 Euro Aufpreis für die 14 kWh größere Batterie rechnen.

Kein Performance-Paket für die einmotorige Version

Die Ausstattungsliste bei Polestar ist ansonsten aber genauso aufgeräumt wie der großartig gestaltete und verarbeitete Innenraum. Im Prinzip muss man sich nur für eine Lackierung (1.000 Euro Aufpreis, wenn es nicht das schwarze "Void" sein soll) entscheiden. Und ob es nur das Plus- oder auch noch das Pilot-Paket sein soll. Das 6.000 Euro teure Performance-Paket ist hingegen dem Dual Motor vorbehalten. Sportlichkeit und so. Mit Öhlins-Stoßdämpfern, Brembo-Bremsen und vielen goldfarbenen Details.

Das Plus-Paket enthält ein Panorama-Glasdach, ein fantastisch klingendes 250-Watt-Audiosystem von Harman Kardon, Sitzheizung vorne und hinten für das dann elektrisch verstellbare Gestühl in der ersten Reihe, eine dreistufige Lenkradheizung sowie eine neue Wärmepumpe.

Letztere nutzt die Umgebungswärme sowie die Wärme des Antriebsstrangs zur Klimatisierung. So sollen bei niedrigen Temperaturen bis zu 10 Prozent Reichweite gewonnen werden - am effektivsten im Temperaturbereich zwischen 5 und 15 Grad Celsius. 4.500 Euro möchte Polestar für diese gebündelten Optionen.

Das 3.500 Euro teure Pilot-Paket enthält dann noch die Pixel-LED-Scheinwerfer mit LED-Nebelscheinwerfern, einen Abstandstempomaten, einen Spurhalteassistenten, das halbautonome Fahrsystem (Pilot Assist), eine 360-Grad-Kamera, Parkpiepser, Totwinkel-Warner und einen Querverkehrsassistenten.

Per Over-the-Air-Updates können zudem die Steuerung des Fahrzeugs über die 12,3-Zoll-Fahreranzeige hinter dem Lenkrad sowie das 11,15-Zoll-Mitteldisplay noch nachträglich optimiert werden. Obwohl das einfach strukturierte und derzeit wohl beste Infotainment-System auf dem Fahrzeugmarkt (betrieben mit Google-Software) der Konkurrenz so weit voraus ist, dass es einem fast Angst machen kann. Aber die ersten Kund:innen eines Polestar 2 werden sicher bemerkt haben, dass die Anlage plötzlich Dolby Surround kann und die Vorklimatisierung im System zu finden ist. 

Fazit: 8,5 von 10 Punkten

Der Polestar 2 mit Frontantrieb, 165 kW und kleiner 64 kWh-Batterie lässt einen im Fahrbetrieb nichts vermissen und wäre für uns das gegenüber dem Long Range Dual Motor 5.470 Euro günstigere Alltags-Modell unserer Wahl. Kritik am Gesamtpaket? Schwer! Wenn wir in uns gehen, fallen uns nur zwei Punkte ein. Die Reichweitenanzeige könnte nicht nur in 5- beziehungsweise 10-Kilometerschritten arbeiten und die Einstellung der Rekuperation braucht irgendwo einen Shortcut. Aber wenn wir bei Shortcuts an die Bedienung eines Tesla denken ...

© InsideEVs.de