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BMW 230i Coupé im Test: Es geht auch ohne M

2er und 6 Zylinder gehören unweigerlich zusammen? Nicht unbedingt, wie der 230er im Test beweist

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Was ist das?

Irgendwann im Herbst 2021 stand ich in einer der großen Hallen bei BMW in Garching. Dort, das müssen Sie wissen, werden in der Regel die Fahrpräsentationen abgehalten, wenn es ausnahmsweise mal nicht nach Portugal, Kalifornien oder Südafrika (ja, auch das kommt vor) geht.

Ich stehe da also im tristen Münchner Norden und lasse mich gerade von einer Präsentation zum damals brandneuen 2er Coupé berieseln als mir tabellarisch bestätigt wird, was ich eh schon wusste: Einen 2er kauft man mit Sechszylinder. Was auch sonst? Wenn sie so ein relativ kleines Coupé mit so einem relativ großen Motor tatsächlich nochmal anbieten, dann wäre man ja dumm ... 

Dass die Leute das am Ende wirklich tun, hat mich trotzdem überrascht. Mit relativ überwältigender Mehrheit würde also, so die BMW-Prognose, zum M240i gegriffen werden. Und da war an den überpotent-stämmigen Drift-Bulldozer M2 noch gar nicht zu denken. Der kommt übrigens nächsten Monat in den Handel, nur mal so als Tipp.

Was das mit dem Test des 230i zu tun hat, den Sie jetzt, so hoffe ich zumindest, gerne lesen würden. Nun, laut BMW-Vertriebs-Chart hat er unter Ihnen, der werten Kundschaft, einen relativ schweren Stand. Nicht ganz so aussichtslos wie 220i und 220d, aber überwältigend ist es auch nicht. 

Nachdem ich mit dem lieben 230er (der gemäß guter alter Schule immer noch 220i heißen sollte) und seinem Zweiliter-Vierzylinder nun zwei Wochen in eine etwas intensivere Beziehung eintauchen durfte, kann ich nur sagen: Verstehe jemand die Leut'. Der 230i ist nämlich größtenteils großartig und ich erkläre Ihnen auch gleich warum. 

Ja fährt er denn so gut?

Das tut er mit wenigen Abstrichen. Zunächst aber ein wenig Theorie: Die jüngste Ausbaustufe des B48-Turbo-Vierzylinders hat 245 PS und 400 Nm Drehmoment. Zum M240i mit seinen 374 PS und 500 Nm fehlt da auf dem Papier eine Welt. Mindestens. Aber wen juckt schon, was auf dem Papier steht, wenn dieser B48, der Hund, so unglaublich gut ist?

Ich würde ihn ja in Sachen Ansprechverhalten, Durchzug (die Mittellage ist ein Geschenk) und Drehwilligkeit direkt in die Hall of Fame der Turbo-Vierzylinder einführen. Die Leistung selbst spielt dabei gar keine so große Rolle. Was sind heutzutage schon 245 PS? Die hat inzwischen jeder dahergelaufene 1,4-Liter-Hybrid. 

Aber es kommt halt drauf an, wie man sich verkauft und das tut in dieser Leistungsklasse keiner so gut wie der "große" Vierzylinder der Münchner. Er hat gefühlt immer Bock, hebt aber schön aus den Beinen und nicht aus dem Rücken und wirkt daher nicht so luftpumpig wie viele andere seiner Art.

Außerdem klingt er überraschend gut. Sogar hinten aus dem Auspuff raus so halbwegs. Innen helfen BMWs Klang-Designer natürlich sauber nach, aber sie tun es mit Würde. Das kann man sich schon anhören. 

Mir egal, ich will trotzdem den viel stärkeren Sechszylinder!

Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Klar ist der 240er gefühlt noch drei Mal schneller, aber im Prinzip reicht der 230er völlig aus. Außerdem ist er 10.000 Euro günstiger und dann darf man ja eigentlich auch nicht vergessen, dass er eklatante 110 Kilo weniger wiegt. Gegenüber dem M240i mit Allrad sind es sogar 145 Kilo. Das sind schon recht gewichtige Argumente, im wahrsten Sinne. 

Auf der Straße macht sich das tatsächlich gar nicht so sehr bemerkbar, wie man vielleicht meinen mag, denn 1.600 Kilo bringt auch dieser 2er auf die Waage und die lassen sich nie so ganz wegdiskutieren, obwohl es die Münchner schon mit allem, was erlaubt ist, probieren.

Erster Eindruck: Ohne die ganzen M-igen Zusatzverstrebungen und -steifungen des 240ers ist der Brot-und-Butter-2er nicht gar so starr, bockelig und unter Dauerzug. Das ist ganz angenehm, weil fließender und mit mehr Bewegungsfreiheit.

Und vorne drin merkt man durchaus, dass zwei Zehnter fehlen, weil er noch schneller einlenkt und noch nervöser die Richtung wechselt. Das hat schon gewisse Züge des lieben Hammy von Ab durch die Hecke. Ist hintenraus aber im Endeffekt Wurscht, weil der 230er eben gerade hintenraus wahnsinnig viel Spaß bereitet. 

Knapp 250 PS, Heckantrieb und eine gescheite Sperre an der Hinterachse (1.400 Euro, die man investieren sollte) machen dieses Auto zu einer unmoralischen Dauerversuchung. In jeder Autobahnausfahrt, vor jedem Kreisverkehr und jeglicher Serpentine zuckt der Gasfuß quasi automatisch.  

Ein bisschen quer ist irgendwie immer drin. Dabei halfen in diesem Fall auch die 225er-Winterreifen, die ein fast schon frivoler, gern genommener Gegenentwurf zu den immer dickeren Walzen sind, welche die meisten Hersteller heutzutage im Namen der Performance auf ihre Sportwagen schnallen. 

Kurz gesagt: Der 230i reicht völlig, um sich den Schalk in den eigenen Nacken zu setzen. Es macht einfach Spaß dieses Auto zu fahren. Und dabei könnte alles noch so viel besser sein. Wenn es die Herrschaften bei BMW zum Beispiel endlich schaffen würden, halbwegs schlanke, athletische Lenkungen zu bauen. Hier fühlt es sich einmal mehr an, als würde man versuchen einen Fleischwurst-Ring in einer Umzugskiste voller Radiergummis umzudrehen. Weniger Wulst und Gallert wären angenehm.

Ja und bei aller beschriebenen Spielfreude gibt es letztlich doch immer genug Hinweise, dass es sich hier prinzipiell um einen gekürzten 4er handelt. Thema Gewicht und Sattheit, wir hatten es. Ein wenig mehr jugendlicher Leichtsinn und Rebellentum würde dem Junior unter den BMW-Coupés schon ganz gut tun. 

Ein Vorteil der 4er-Innereien ist wiederum, dass die Federung (hier mit M-Sportfahrwerk) sehr satt und hochwertig arbeitet. Straff, jedoch nicht nervig hart.  

Wie ist er innen?

Auch hier natürlich sehr 4er-esk. Und in diesem Fall schadet das gar nix. Neu ist das große Curved Display mit den 12,9-Zoll-Digitalinstrumenten und dem 14,3-Zoll-Infotainmentscreen unter einem Glas. 

Die Instrumente sind viel besser als vorher. Besser ablesbar und mit mehr Konfigurationsmöglichkeiten. Das Infotainment passt auch im Großen und Ganzen. Der Dreh-Drück-Steller ist ja noch da. Dass die Klimasteuerung jetzt integriert ist, hätte nicht sein müssen, aber BMW hat noch das beste draus gemacht. Egal in welchem Menü man gerade herumsteuert, man ist immer nur einen zentralen Klick von den Einstellungen für Temperatur, Gebläse und Sitzheizung entfernt. 

Ein Kapitaldelikt ist allerdings, dass der wundervolle Knopf unter dem Infotainmentbildschirm, mit dem man bisher auf einen Klick alle Fahrhilfen ausschalten konnte, verschwunden ist. Jetzt muss man jedes Mal umständlich ins Untermenü, wenn man nur den Spurhalter ausstellen will. Ein Rückschritt. 

Sitze und Sitzposition sind auf den Punkt. Hinten wird vermutlich eh nie jemand sitzen und der Kofferraum geht mit 390 Liter in Ordnung. 

Fazit: 8,5/10

Das 2er Coupé ist schon recht nah am 4er und das raubt ihm ein wenig Ungehobeltheit, das Frechdachsige. Auf der anderen Seite würde es dieses Auto ohne die Synergieeffekte, welche die 4er-Plattform bringt, wohl gar nicht geben, also jammern wir leise. 

Und in der Tat ist der 2er ein sehr feines Spaßgerät, auch und vor allem, das will ich hier klar betonen, mit dem 245-PS-Vierzylinder. Ein großartiges Aggregat, das dynamisch und emotional überzeugt. Eine klar Empfehlung. Hier muss es tatsächlich nicht zwangsläufig der Sechszylinder sein.

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