Mittelklasse-SUV kommt mit 800 km Reichweite, 400 kW Ladeleistung und einem fahrfreudigen Herz
Ein bisschen ist es im Autobau wie in der Popkultur: Wer sein Werk der Presse bis zuletzt vorenthält, hat oftmals guten Grund dazu - beziehungsweise will unerwünschte Kommentare vorab vermeiden. Wer jedoch früh die Öffentlichkeit mit einbezieht, scheint überzeugt von seinem Schaffen, teilt das Ergebnis gern und freut sich über Austausch.
Letzteren Weg geht BMW mit dem neuen iX3, dem ersten Vertreter der Neuen Klasse. Noch vor der Weltpremiere auf der IAA und der Markteinführung zu 2026 konnten wir das neue Mittelklasse-SUV der Bayern erleben: auf der Straße, auf dem Testgelände in Frankreich und automatisiert beifahrend. Die Neue Klasse ist BMWs Neujustierung für die kommenden Jahre. Die Bayern haben einmal alles auf links gekrempelt und für jede Sparte der Entwicklung Überarbeitungen am Start - inklusive neuem Familiengesicht.
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Exterieur und Interieur | Panoramic iDrive | Automatisiertes Fahren | Batterie und Laden | Fahreindruck | Fazit
Gefeilt wurde vor allem an der Batterietechnik, der Fahrdynamik, dem Infotainment-System und an der neuen Datenautobahn inklusive zentralem Superhirn. So soll ein entscheidungsfreudiges und vor allem fixes Miteinander zwischen fahrender Person und Auto entstehen.
Dazu ein neues Familiengesicht mit (endlich wieder) zurückhaltender Niere. Eine Inspiration aus den 1980er-Jahren, als E30, E32 und E34 für elegante Sportlichkeit auf den Straßen sorgten. Erster im Bunde der Neuen Klasse: der BMW iX3. Und der kommt mindestens mit 300 kW Leistung, 600 Nm Drehmoment und einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in unter 5 Sekunden.
Ein früher Eindruck heißt jedoch nicht, dass wir in den Genuss eines völlig ungetarnten Exemplars kommen konnten. Im Erstkontakt zeigt sich der wuchtige Bayer im typischen Prototypen-Look, den wir auch schon von etlichen Erlkönigfotos kennen. Die grobe Linienführung lässt sich zwar erkennen, ebenso wie die reguläre Silhouette des iX3, Markantes bleibt jedoch unter einer verwirbelnden Tarnfolie und etlichen Anbauplatten verborgen.
Ebenso wie Leuchten und eben die neue Front mit der neugestalteten Niere. Insgesamt steht der neue iX3 etwas dynamischer und flacher auf seinen Rädern als sein direkter Vorgänger- die Front wirkt weniger bullig, dafür aber eleganter. Macht vorerst einen netten Eindruck, ein endgültiges Urteil lässt sich jedoch erst nach der Enttarnung bilden.
Also warten wir auf die Enthüllung auf der diesjährigen IAA im September. Wie wir alle wissen, ist der Sommer sowieso leider immer schneller vorbei, als wir es gerne hätten. Denn auch zum Innenraumdesign gibt es derzeit noch nicht allzu viel zu sagen. Das war in den Prototypen ebenfalls versteckt unter Matten und verborgen hinter Messinstrumenten.
Mehr zu erzählen gibt es hingegen zum neuen Panoramic iDrive, das bereits Anfang des Jahres auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas vorgestellt wurde. Zum neuen Infotainment-System gehören ein zentraler Bildschirm in Parallelogramm-Form, ein Head-up-Display und ein langes Projektionsband unter der Windschutzscheibe, das das klassische Kombiinstrument ersetzt.
Über dem Armaturenbrett soll das mit den wichtigsten und zudem individualisierbaren Informationen mehr in den Blickwinkel des Fahrers rücken. Und das funktioniert meiner Meinung nach richtig gut. Das Auge hat wichtige Informationen immer am Rande des Blickfelds auf der Straße oder verfolgt das restliche rechte Band beim Abbiegevorgang. Auf unserer ersten Fahrt wirkte die Projektion gestochen scharf und intuitiv nutzbar, sodass ein herkömmliches Kombiinstrument von mir nicht vermisst wurde. Ein Head-up-Display rückt zudem essentielle Informationen direkt in die Blickmitte.
Die Form des Infotainment-Bildschirms sieht dynamisch aus, ist jedoch gewöhnungsbedürftig. BMW sagt, es rücke verschiedene Funktionen wie Schnellzugänge in Richtung Fahrer, damit die Einstellungswege kurz bleiben. Auf meiner Runde in freier Wildbahn wurden die obere linke Ecke des Bildschirms jedoch von meinen Händen und dem Lenkradkranz verdeckt.
Aber, und das ist das Wichtigste, der neue iX3 hat einige Shortcuts und individualisierbare Tasten direkt in Lenkradnähe, sodass kein wildes Suchen in etlichen Untermenüs für Geschwindigkeitswarner, Spurhalteassistent und Co. nötig wird - plus einige physische Taster für die Rückspiegelverstellung und Ähnliches. Gut so! Der schlaue Wagen fragt sogar irgendwann nach, ob einige oft genutzte Funktion vielleicht mit in das eigene Profil aufgenommen und direkt nach Start deaktiviert werden sollen ... top!
Und genau hier beginnt der Punkt, den viele als bevormundend empfinden. Oben angemerkte Funktionen wie eben der Geschwindigkeitswarner, der Spurhalteassistent und Freunde sind von der EU vorgeschrieben und müssen seit 2024 zu jedem Start aktiviert sein. Ein Muster zu erkennen und diese jedes Mal automatisch abzuschalten, ist ein Kompromiss ... aber nicht im Sinn der Sicherheit.
Deshalb arbeitet im iX3 ein KI-gestütztes Superhirn, das genau dieses Abschalten eventuell überflüssig macht. Die KI erkennt über die Kamera im Innenspiegel Bewegungen und Verhalten des Fahrers, analysiert Situationen schnellstmöglich und arbeitet mit dem Lenkenden zusammen. Beim Überfahren eines Streifen zerrt sie also nicht wild zurück, bimmelt und warnt, sondern guckt sich beispielsweise die aktuelle Situation an und sagt:
'Ja guck, der Mensch hat vorm Spurwechsel in den Spiegel geguckt und nur vergessen, zu blinken. Ich lasse ihn also frei lenken und pack einfach den Blinker dazu!' Nein nein, ich sag hier sicher nicht, dass alle BMW-Fahrer nie blinken, doch ein solches System, das Aktionen vom Fahrenden erkennt und Einordnen kann, ohne zu bevormunden, wird im Zweifel aktiv bleiben, wenn es eben nicht als Störfaktor agiert und am Steuer reißt oder erschreckende Töne von sich gibt.
Zwar müsste dieses System, das auch freihändiges Fahren bis zu 130 km/h inklusive Spurwechsel und Bremsvorgängen zulässt, in einem Alltagstest noch einmal richtig gefordert werden - gerade mit der oft anfälligen Geschwindigkeitserkennung - aber der Ansatz ist genau der Richtige, wenn er denn tadellos funktioniert. Schließlich sehen viele Augen mehr als zwei.
Und so hat BMW nicht nur an der Leichtigkeit im Umgang mit automatisierten Fahreigenschaften gearbeitet, sondern auch an der Zugänglichkeit. Wann haben sie beispielsweise die automatische Einparkhilfe eines Fahrzeugs zuletzt benutzt? Keine Ahnung mehr? Gar nicht? Nur kurz dem Nachbarn gezeigt? Ja genau, ich auch! Oder nur davon erzählt.
Der neue iX3 bekommt für diesen Vorgang eine eigene Taste am Lenkrad. Einmal gedrückt, sucht er eine passende Parklücke, fragt ob er einparken soll, Sie bestätigen den Vorgang kurz am Lenkrad und das Ding rollt penibel in den anvisierten Raum. BMW nimmt damit die Hektik aus der oftmals stressigen Situation, die Funktion finden zu müssen während andere hinter einem weiterfahren wollen.
Auch hier, die Idee ist eine gute, die unter klinischen Testbedingungen einwandfrei funktionierte. Doch auch hier warten wir noch mal auf das hektische Treiben zum Feierabendverkehr in unseren Großstädten, um endgültig einzuordnen.
Der Strom kommt bei der Neuen Klasse erstmals aus zylindrischen Batteriezellen. Diese werden ohne den Umweg über Module direkt zum Batteriepaket zusammengesetzt (Cell-to-Pack). Bei der Reichweite macht der iX3 daher einen Riesensprung.
Bis zu 800 Kilometer Reichweite seien im iX3 möglich. Bisher kam das Mittelklasse-SUV mit maximalen 471 Kilometern. Dank 800-Volt-System sind bis zu 400 kW maximale Ladeleistung möglich - theoretisch zumindest. Denn allzu viele Ladesäulen mit 400 kW haben wir in Europa bisher nicht. Updates für höhere Ladeleistungen an bestehenden Säulen seien jedoch stetig auf dem Weg.
Beim gezeigten Ladevorgang vor Ort hielt der neue BMW iX3 die maximale Ladekapazität von 400 kW rund drei Minuten. 318 kW hielt der Münchner im Schnitt von zehn auf 56 Prozent. Insgesamt sollen so 350 Kilometer in nur 10 Minuten zustande kommen. Die Ladeklappe öffnet am Ladepunkt AI gesteuert. Per Plug and Charge wird der Fahrende mit aktuellen Infos zu Preis, Ladequalität und Verfügbarkeit über das Display informiert. Auf der Runde außerhalb des Testgeländes kamen wir auf knapp 60 Kilometern auf einen Verbrauch von 16,2 kWh bei fordernder Fahrt.
Verschiedene Tarnungsplatten halten den iX3 derzeit noch von einer besseren aerodynamischen Performance ab. Für weitere Effizienz sorgt das Antriebssystem, das zu 95 Prozent über die E-Motoren bremst und somit wertvolle Energie speichert. Die Motoren sorgen zudem für einen sehr sanften Bremsvorgang, der an Steigungen und schnell angefahrenen Kreuzungen ein einmaliges ruhiges Nicken zulässt und restliche Bewegungen einfängt - ein wahrlich entschleunigendes Gefühl. Im schleichenden Stadtverkehr oder im Stau ist dieser letzte Nicker nach dem Bremsen komplett verschwunden.
Okay, komfortabel rollen kann er schon mal, der BMW iX3. Die Bayern lassen nichts unversucht, das Schwergewicht in seiner DNA irgendwie auszumerzen. Dafür zuständig ist in Verbindung mit dem Superhirn das neue Heart of Joy. Die 2025er-Variante des "Aus-Freude-am-Fahren"-Claims. Ein zentrales Steuergerät für die Fahrdynamik, das die erstmals eingesetzten Asynchronmotoren an der Vorderachse, Dämpfer und Permament-Synchron-Motor an der Hinterachse in fahrdynamischen Einklang bringen soll.
Ganz vergessen lassen kann auch das Freudenherz die schweren Anlagen des Fahrzeugs nicht, aber dennoch ist der BMW iX3 für seine Verhältnisse in extremen fahrdynamischen Situationen fast leichtfüßig unterwegs, unterstützt beim Lastwechsel auf dem Handlingkurs mit Souveränität und kündigt sein kommendes Verhalten vergnügt an.
Zumeist schiebend über die Vorderachse, im Sportmodus auch mal nett mit dem Heck um die Ecke wedelnd. Spaßig, kontrollierbar, direkt und dennoch unspektakulär. Ein stattliches Reisevehikel eben, das gerne auch mal akustisch brummend die gerade erlebte Fahrfreude unterstützt.
Der erste Eindruck zum Neue-Klasse-Erlebnis ist geglückt. BMW wirkt selbstbewusst mit seiner neu eingeschlagenen Richtung und genau das strahlt auch der iX3 aus. Das Mittelklasse-SUV beweist fahrdynamischen BMW-Charakter, macht enorme Schritte bei der Batterietechnik und kommt mit zugänglichen Funktionen zum automatisierten Fahren.
Einige Punkte zum Design, Verarbeitung und vor allem auch zum Preis bleiben derzeit noch offen, weshalb die Frage, ob der Neue Klasse hat, noch einmal vertagt werden muss. Das Gesamtkonzept scheint jedoch vorerst stimmig und durchdacht, wenn es denn auch im Alltag funktioniert.