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Wie viel Energie braucht man für 2.000 km in einem Elektroauto?

Wir fuhren den Polestar 2 bei der 1000 Miglia 2025. Nicht als Rennauto, sondern als rollendes Labor. Unsere große Energieanalyse.

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Die 1000 Miglia 2025 - das schönste Rennen der Welt - bin ich dieses Jahr nicht in einem klassischen Oldtimer, sondern in einer vollelektrischen Polestar 2 RWD mit 82-kWh-Batterie gefahren. Und ja, das geht. Die berühmte Rallye quer durch Italien ist zwar eine Hommage an automobile Historie, bietet aber auch Raum für Zukunftstechnologien. Die 1000 Miglia Green ist längst mehr als Symbolik - sie ist ein fahrendes Labor für die Elektromobilität.

Fünf Tage, über 2.000 Kilometer, von Brescia nach Rom und zurück - durch Städte, über Pässe, durch Flachland und Hügellandschaften. Und eine Frage: Wie viel Energie benötigt man, um die 1000 Miglia - und darüber hinaus - zu absolvieren?

Das große Ganze

Um zu verstehen, was wir vom 17. bis 21. Juni 2025 erlebt haben - und bevor wir die einzelnen Etappen im Detail analysieren - hier die Zahlen, die dieses Herausforderung greifbar machen.

Fakten zur Testfahrt:

  • Gesamtdistanz: 2.072,5 km (inkl. Transfers)
  • Durchschnittsverbrauch: 15,8 kWh/100 km
  • Gesamtfahrzeit: 49 Stunden
  • Durchschnittsgeschwindigkeit: 42,3 km/h
  • Ladeinfrastruktur: ausschließlich HPC (High Power Charging)

Interessante Zahlen, denn im Vergleich zum WLTP-Verbrauch der Polestar 2 RWD (17,5 kWh/100 km laut WLTP) ist unser Schnitt von 15,8 kWh/100 km beachtlich - vor allem, wenn man die Mischung aus innerstädtischem Stop-and-Go, zügigen Überlandetappen (teilweise mit Polizeieskorte) und Präzisionsprüfungen mit Durchschnittsgeschwindigkeiten zwischen 26 und 33 km/h bedenkt.

Denn die 1000 Miglia ist ein Gleichmäßigkeitsrennen. Gewonnen wird nicht durch Tempo, sondern durch Präzision. Die Zeit ist hier kein Gegner, sondern ein Verbündeter. Und trotzdem: Wenn es darauf ankam, den Polestar zügig voranzutreiben - etwa auf Strecken wie dem Futa- oder Cisa-Pass - dann tritt das Fahrvergnügen eben doch mal in den Vordergrund gegenüber einer "effizienteren" Fahrweise. Genau deshalb sind die Verbrauchswerte so spannend: Sie spiegeln die Realität, nicht das Labor.

Etappenweise Analyse

Etappe 1: Brescia-Ferrara-Bologna

Parameter Wert Abfahrt Brescia 99 -> 93% Verona 76% Bovolone 72%

Ferrara

52% Ankunft San Lazzaro 47% -> 89% (Aufladen nach der Etappe) Durchschnittsverbrauch 14,1 kWh/100 km

Die erste Etappe führt uns durch die Po-Ebene - ein ideales Terrain für Elektrofahrzeuge. Mit einem Verbrauch von 14,1 kWh/100 km verzeichnen wir hier den niedrigsten Wert der gesamten Tour. Das zeigt deutlich: Die flache Topografie hat die Energieeffizienz spürbar begünstigt. Ohne nennenswerte Steigungen konnte der Elektromotor dauerhaft im optimalen Wirkungsbereich arbeiten.

Etappe 2: Bologna-Siena-Rom über den Apennin

Parameter Wert Abfahrt San Lazzaro 88% Ende Passo della Futa 74% Verbrauch beim Anstieg 16 kWh/100 km

Verbrauch nach der Abfahrt

14,9 kWh/100 km Ankunft Siena 45% --> 87% (Aufladen nach der Etappe) Durchschnittsverbrauch 14,9 kWh/100 km

Die Überquerung des toskanisch-emilianischen Apennins markiert die erste echte Bewährungsprobe. Der Passo della Futa, mit seinen 903 Metern Höhe, forderte dem Antriebssystem spürbar mehr Leistung ab - der Verbrauch stieg beim Anstieg auf bis zu 16 kWh/100 km.

Auf der anschließenden Abfahrt in Richtung Siena konnte jedoch durch die Rekuperation beim Bremsen ein Teil der Energie zurückgewonnen werden, was den Verbrauch auf 14,9 kWh/100 km senkte. Von Siena bis nach Rom - genauer gesagt zur Via Veneto - folgte eine längere Transferetappe. Unterwegs haben wir vorbeugend an einer Free to X Schnellladesäule an der Autobahn für 20 Minuten geladen. In der Hauptstadt angekommen, stellte das Hotel kostenlose Supercharger bereit, mit denen wir die Polestar 2 von 45 auf 87 Prozent aufladen konnten.

Etappe 3: Rom-Arezzo-Cervia

Parameter Wert Abfahrt Rom 87% Sonderprüfung Amelia 54% Fortschreitender Durchschnittsverbrauch 17,1 kWh/100 km

Zweite Sonderprüfung

32% (120 km Restreichweite) Endverbrauch Etappe Arezzo 15,9 kWh/100 km Transfer Arezzo - Cervia 15% - 80% (Aufladung)

Die dritte Etappe führte uns ins Herz des zentralen Apennins, wo die abwechslungsreiche Landschaft die Energieeffizienz besonders auf die Probe stellte. Mit einem fortwährenden Verbrauch von 17,1 kWh/100 km erreichten wir den Höchstwert der gesamten Tour - ein klares Zeichen für den Einfluss der ständigen Auf- und Abfahrten, die für das umbrisch-toskanische Gebiet typisch sind. Die Sonderprüfung in Amelia zeigte allerdings, wie sich durch vorausschauendes Fahren und die Nutzung von Gefällestrecken Energie zurückgewinnen lässt.

Etappe 4: Cervia-Pontedera-Parma

Parameter Wert Abfahrt Cervia 83% Nach 20 km Anstieg + 14 km Abfahrt 52% Pontedera 30%

Aufladen nach Pontedera

27% -> 80% Aufladen nach Parma 45% -> 90% Durchschnittsverbrauch 14,7 kWh/100 km

Diese Etappe veranschaulichte perfekt den Einfluss des Geländes auf den Verbrauch. Die ersten 20 Kilometer im Anstieg verbrauchten schnell 31 % der Batterie, doch die anschließenden 14 Kilometer bergab ermöglichten eine deutliche Energierückgewinnung. Der finale Verbrauch von 14,7 kWh/100 km beweist eindrucksvoll, wie effektiv das regenerative Bremssystem arbeitet. In diesem Fall konnten wir die Energierückgewinnung auf einem maximalen Niveau halten.

Etappe 5: Parma-Brescia

Parameter Wert Abfahrt Parma 89% Ankunft Brescia 49%

Die letzte Etappe, überwiegend flach durch die Lombardei, bestätigte das Muster der ersten Tagesetappe: ein niedriger Verbrauch, begünstigt durch die günstige Topografie.

Die Energie in Zahlen: Wie viel wird benötigt?

Die Analyse der Gesamtdaten liefert spannende Erkenntnisse zum Energieverbrauch:

  • Gesamtenergieverbrauch: rund 327 kWh (15,8 kWh/100 km × 20,725 = 327,5 kWh)

Aufteilung nach Streckentyp:

  • Flache Strecken (60% der Strecke): 14,1-14,7 kWh/100 km
  • Hügel-/Bergstrecken (40% der Strecke): 15,9-17,1 kWh/100 km

Es ist also offensichtlich, dass die Topografie eine der Schlüsselfaktoren war - wenn auch nicht der einzige. Die Physik hilft uns dabei: Jeder positive Höhenmeter erfordert potenzielle Energie gemäß der Formel mgh (Masse × Erdbeschleunigung × Höhe). Für ein etwa 2 Tonnen schweres Fahrzeug wie die Polestar 2 bedeutet das: Für je 100 Meter Anstieg werden theoretisch 0,61 kWh zusätzliche Energie benötigt - ein Teil davon wird bergab durch regenerative Bremsung zurückgewonnen.

Bei Passagen wie dem Futa- oder Cisa-Pass ermöglichte die Rekuperation eine Energierückgewinnung von etwa 2-3 %.

Natürlich war die Topografie nicht der einzige Einflussfaktor: Auch der Fahrstil spielt, wie immer, eine große Rolle - ebenso wie die Autobahnabschnitte mit höheren Geschwindigkeiten. Dabei ist zu betonen, dass die 1000 Miglia Green seit Jahren der traditionellen Route folgt, mit Ausnahme des letzten Transfers. Dieser dauert üblicherweise rund zwei Stunden von den insgesamt neun bis zehn Fahrstunden. Durch ihn kann man die Autobahn nutzen und schafft somit rechtzeitig die Abendparade und das Aufladen für den Start am nächsten Morgen.

Jenseits des Rennens: Wie viel Energie steckt drin?

Aber was bedeuten die 327,5 kWh, die während der 1000 Miglia verbraucht wurden, wirklich? Um das energetische Ausmaß dieses "Langzeit"-Tests vollständig zu verstehen, lohnt es sich die Energiemenge in Bezug auf den Alltag einzuordnen.

Eine durchschnittliche italienische Familie verbraucht etwa 2.700 kWh pro Jahr für Haushaltsbedarf. Die 327,5 kWh, die wir verbraucht haben, entsprechen also 12% des jährlichen Energiebedarfs eines durchschnittlichen Haushalts. Mit anderen Worten, die Energie, die benötigt wird, um die 1000 Miglia zu absolvieren, entspricht:

Energie in der Perspektive

  • 3,99 volle Ladungen eines 82-kWh-Akkus

  • Ca. 328 kompletten Heizzyklen eines 1-kWh-Wasserboilers

  • Einer A+++ Waschmaschine mit etwa 1.000 Waschzyklen mit rund 300 kWh Verbrauch

  • Geschätzte Kosten (bei einem Durchschnittspreis von 0,13 €/kWh): etwa 42 €

  • Äquivalente Emissionen (EU-Durchschnittsmix): ca. 55-70 g CO₂ pro Kilometer

Die Energieproduktion: Woher kommt die Energie?

Im italienischen Energiemix des Jahres 2025 werden die für unser Vorhaben benötigten 327,5 kWh folgendermaßen erzeugt:

Quelle Anteil Erneuerbare Energien (Wasserkraft, Photovoltaik, Wind) 45% Erdgas 42% Kohle 8%

Andere Quellen

5%

Das bedeutet, dass rund 147 kWh (45 %) unserer Energie theoretisch aus sauberen Quellen stammen, während die restlichen 180 kWh noch aus fossilen Brennstoffen erzeugt werden.

Eine typische 6-kW-Photovoltaikanlage auf einem Einfamilienhaus in Italien produziert im Schnitt etwa 8.000 kWh pro Jahr. Die 327,5 kWh entsprechen somit rund 15 Tagen Solarstromproduktion eines solchen Systems.

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass wir während unserer Reise Ewiwa-Ladestationen - genutzt haben - ein Joint Venture zwischen Volkswagen und Enel X, das zu 100% erneuerbare Energie nutzt. Dasselbe gilt für die Nutzung der Free to X-Ladesäulen auf der Autobahn, die Energie mit Herkunftsnachweisen bereitstellen.

Der Vergleich mit Diesel und Benzin

Solche Vergleiche sind immer tricky. Aber um eine grobe Vorstellung zu bekommen, lässt sich der Energieverbrauch in kWh auf die Effizienz von Diesel- und Benzinfahrzeugen herunterbrechen. Hätten wir die gleichen 2.072,5 Kilometer mit einem Verbrenner zurückgelegt, der im Schnitt 6 Liter pro 100 km verbraucht, wären das etwa 124 Liter Kraftstoff. Das entspricht rund 1.194 kWh an Primärenergie (bei 9,6 kWh pro Liter Benzin). Der Benzinmotor, mit einer Effizienz von etwa 35 %, hätte davon nur etwa 418 kWh in Antriebsenergie umgewandelt. Die restlichen 776 kWh wären als Wärme verloren gegangen.

Mit einem Diesel mit einem Verbrauch von 5 Litern/100 km - immer im Rahmen der Schätzungen - hätten wir 104 Liter Diesel verbraucht, was 1.109 kWh Primärenergie entspricht (10,7 kWh pro Liter Diesel). Dank der höheren Effizienz des Dieselzyklus (42% gegenüber 35% beim Benzin) wäre die in Bewegung umgewandelte Energie 466 kWh gewesen, mit 643 kWh, die in Wärme verloren gegangen wären.

Wenn man das mit den 327,5 kWh der Polestar 2 vergleicht, bedeutet das einen 70 bis 73 % niedrigeren primären Energieeinsatz als bei den Verbrennern.

Es ist aber auch wahr, dass die Gesamtkosten für das Laden in Italien aktuell noch höher sind - wenn man die Kosten für Energie und Ladevorgang berücksichtigt. Ohne Abonnements kostet eine Ladung an einer HPC-Säule etwa 0,89 €/kWh, während die aktuellen Preise für fossile Kraftstoffe bei 1,75 €/Liter Benzin und 1,68 €/Liter Diesel liegen.

Dementsprechend ergeben sich - basierend auf den vorher geschätzten Verbräuchen - Kosten von etwa 14,06 € pro 100 km für das Elektroauto, 10,50 € für den Benziner und 8,40 € für den Diesel.

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