Performance-Cabrio mit Diesel klingt lächerlich? Zumindest in diesem Fall funktioniert es deutlich besser, als Sie jemals denken würden
Performance-Cabrio mit Diesel - das klingt so richtig, wie eine Handvoll Eiswürfel, die gerade in ein Glas hochwertigen Rotwein plumpsen. Aktuell plumpsen sie ausschließlich bei BMW. Mercedes bietet sein CLE Cabrio lediglich als 220 d an, Audi hat sich tragischerweise komplett aus dem Oben-ohne-Game verabschiedet, bleibt noch der offene BMW 4er. Dort kriegen Sie gleich drei Selbstzünder, unter anderem den M440d xDrive.
Besonders viele Käufer konnten die Münchner von Ihrer recht exklusiven Formel (M x d = Spaß²) bisher nicht überzeugen. Viel mehr als ein paar Prozent macht der M440d-Anteil unter allen 4er Cabrios nicht aus. Dabei gibt es durchaus gute Gründe für den potenten Al-Fresco-Ölbrenner. Mehr als Sie vielleicht denken würden, wie unser Test zeigt.
Springen Sie direkt zu:
Abmessungen | Innenraum | Fahrbericht | Infotainment | Fazit
Die zweite Generation des 4er Cabriolet (interner Code: G23) wurde ab März 2021 auf die Menschheit losgelassen. Im Frühjahr 2024 gab es ein Facelift, das aber auf den sechszylindrigen Chef-Diesel im 3er-/4er-Programm der Bayern keinerlei Auswirkungen hatte.
Wie eh und je bringt es der 3,0-Liter-Biturbo-Reihensechser mit 48-Volt-Mildhybrid-System auf 340 PS und ein maximales Drehmoment von 700 Nm, das - zur besseren Veranschaulichung der Kräfteverhältnisse - selbst einen M4 CS (650 Nm) oder den stärksten Lamborghini Huracán (600 Nm) ordentlich in die Weichteile tritt. Umso mehr, da es bereits ab 1.750 U/min zur vollen Verfügung steht.
Das Ganze bei einem Verbrauch, der selbst strengste Frugalisten in Ekstase versetzen dürfte. 6,4 bis 6,8 Liter laut WLTP geben die Münchner an. Ein Wert, der in der Praxis relativ einfach unterboten werden kann. Das hatten wir tatsächlich auch schon länger nicht mehr. Dazu gleich mehr.
Wie wir das bereits kennen, verteilt der große Diesel seinen Kraftschwall über eine geschmeidige und für den Hausgebrauch allemal ausreichend schnelle 8-Gang-Automatik auf alle vier Räder. Der xDrive-Allradantrieb ist auch in den M Performance-Varianten schon spürbar hecklastig ausgelegt.
Weitere M-Features, die den Top-Diesel von einem 420d oder 430d unterscheiden, sind ein Sportfahrwerk mit variabler Sportlenkung, größere Bremsen und ein elektronisches Hinterachs-Differenzial.
Konkurrenz gibt es wie erwähnt nicht, weshalb ein Preisvergleich obsolet ist. Dass so ein M440d Cabrio nicht günstig ist, sieht man trotzdem auf den ersten Blick. Mehr Kohle lassen Sie innerhalb der Baureihe lediglich für einen offenen M4. Mit einem Startpreis von aktuell 85.200 Euro ist der Diesel einen Tausender teurer als sein Benziner-Pendant M440i xDrive mit 374 PS-R6. Unser weitgehend vollausgestatteter Testwagen lag letztlich bei 102.346 Euro.
Über Design lässt sich nicht streiten? Aber sicher doch! Der 4er bekommt seit der Präsentation im Juni 2020 in einer Tour sein Fett weg. Die Diskussionen über das riesige Nieren-Tier an der Front mögen sich zuletzt merklich gelegt haben, schön ist das Ganze bis heute dennoch nicht.
Abgesehen von der ästhetisch ausbaufähigen Frontpartie (kleiner Tipp: den Grill in Schwarz zu ordern, hilf zumindest ein bisschen), ist das 4er Cabrio jedoch schon ein reichlich elegantes Geschöpf. Woran seine inzwischen stattliche Länge von 4,77 Meter sicher nicht ganz unschuldig ist.
Deutlich interessanter ist in diesem Fall aber das Stoffverdeck, welches nach zwei Generationen Klappdach-Wahn wieder zurück zu alter und besserer Form gefunden hat. Das sogenannte Flächenspriegelverdeck (ein derartiges Wort kann es nur in Deutschland geben) soll besser dämmen als herkömmliche Stoffverdecke, ist zudem 40 Prozent leichter als das Stahldach im Vorgänger.
Dafür öffnet/schließt es zwei Sekunden schneller (in 18 Sekunden) und das bis zu Geschwindigkeiten von 50 km/h. Nichtsdestotrotz bleibt Gewicht ein Thema bei diesem Auto. Der M440d kommt auf 2.055 Kilogramm, ist damit 90 Kilo schwerer als sein Benziner-Bruder M440i.
Grundsätzlich geht die Qualität im Innenraum dieses Autos klar. Wir sehen viel Leder, auch auf dem Armaturenbrett, wir sehen Carbon und metallisch glänzende Teile, die tatsächlich auch aus Metall sind. Die Verarbeitung wirkt sorgfältig. Das sind eigentlich Grundvoraussetzungen, die man aktuell aber tatsächlich nicht bei jedem deutschen Premiumhersteller antrifft.
Nichtsdestotrotz hat auch BMW bei der Materialgüte durchaus noch Luft nach oben. Wir reden hier von einem 100.000-Euro-Auto, Freunde. Und da schwillt mir ehrlich gesagt schon wieder der Kamm, wenn ich im unteren Bereich der Türen dünnes Hartplastik ertaste, das auch innen nicht mehr ausgefüttert ist. Zudem wirken seit dem Facelift die Versteller der Lüftungsdüsen arg rotstiftig. Das war vorher deutlich besser.
Das Gestühl sitzt um die Hüfte rum sportlich fest, könnte jedoch im Schulterbereich bei ambitionierter Gangart etwas mehr Halt bieten. Auch für längere Lulatsche passt die Oberschenkelauflage dank Auszieh-Funktion. Die Sitzposition ist auf den Punkt, sprich: dynamisch tief, wenn man das will. Ich saß aber schon auf bequemeren Stühlen.
Was sonst noch auffällt: Der Nackenföhn arbeitet schnell und effizient, das Lenkrad ist wie immer zu dick und im Fond ist es von Vorteil, wenn man sehr klein ist - sowohl, was den Raum für die Beine als auch für den Kopf betrifft. Letzteren kann man glücklicherweise per Knopfdruck ins Unendliche erhöhen.
Sehr ordentlich für ein Cabrio: Der Kofferraum, der spürbar von der weniger komplexen Klappmechanik profitiert. Mit geöffnetem Dach stehen 300 Liter Ladevolumen zur Verfügung - 80 Liter mehr als beim Vorgänger. Der Bereich, in den das Dach reingefaltet wird, lässt sich zudem bei geschlossenem Dach per Hand in eine senkrechte Position bringen. So ergibt sich ein Gesamtvolumen von 385 Litern - 15 mehr als bisher.
Anfängliche Zweifel bezüglich der Fahrdynamik- und Cabrio-Tauglichkeit eines Diesels werden in etwa so schnell zerstreut, wie der 440er von Dannen schießt. BMW hat hier in der Tat ein äußerst rundes Paket geschnürt.
Man möchte es ja kaum für möglich halten, aber der Star des M440d-Ensembles ist tatsächlich der Selbstzünder. Unterhalb eines V12-, V10- oder V8-Diesels, die es ja alle neu nicht mehr zu kaufen gibt, dürfte es sehr schwer werden, etwas besseres zu finden als den aktuell stärksten B57-Diesel von BMW.
Druck ist schon weit unter 2.000 Touren vorhanden, die Leistungsentfaltung ist sämig, äußerst wuchtig und wahnsinnig feinfühlig mit dem Gaspedal modellierbar. Man kann also wirklich verblüffend genau steuern, wie viel der massenhaft verfügbaren Power man wann abrufen möchte.
Eine weitere große Stärke: Keinerlei, also wirklich gar keine dieser Diesel-typischen Vibrationen arbeiten sich über Pedale, Lenkrad, Sitze und Co. bis zu den Insassen durch. Diese Kultiviertheit ist unerreicht.
Übrigens auch, was den Klang betrifft. Ist ja nicht so ganz unwichtig in einem Cabriolet. Bei der Akustik darf man also unbesorgt sein. Bis auf ein etwas tieferes Grummeln, das - ich wiederhole mich - nicht ansatzweise nach Selbstzünder klingt, dringt nichts ans Ohr. Landmaschinen-Vibes? Absolute Fehlanzeige.
Wüsste man nicht, dass man in einem Auto ohne Zündkerzen sitzt, man würde es nicht merken. Und dann irgendwann verblüfft feststellen, dass der Drehzahlmesser schon bei 5.000 U/min rot wird. Das 3,0-Liter große Aggregat als Sportmotor zu bezeichnen, wäre vielleicht etwas zu viel des Guten, aber wäre ein Sportmotor ein Tier und man würde es mit einer Wildsau kreuzen, käme vermutlich das dabei heraus. Viel mehr Fahrspaß wird man mit einem Diesel kaum haben können.
Beim Fahrwerk fällt auf: BMW findet bei seinen M Performance-Autos in aller Regel einen sehr guten Sweetspot zwischen vernünftiger Agilität und ziemlich herausragendem Komfort. So ist es auch hier. Modus-unabhängig (na gut, in Sport Plus wird es etwas hibbelig) ist der 440d komfortabel und sehr satt gefedert, vermittelt auch geräuschtechnisch Stabilität und eine gewisse Unerschütterlichkeit.
Auf der anderen Seite fühlt sich der offene Diesel-4er durch die leichte, direkte Lenkung recht leichtfüßig an, wirkt aber durch sein Zusatzgewicht etwas weniger agil als etwa das M440i Cabrio oder das ganz exzellente M440i Coupé.
Obwohl wir natürlich wissen, dass BMWs Allrad-Abstimmung gerade in den M Performance-Modellen durchaus für Schabernack und rauchende Hinterreifen zu haben ist, fiel mir hier in erster Linie die herausragende Traktionsstärke des Autos auf. Um das Heck ein bisschen spielen zu lassen, muss man den dieselnden M also schon stark provozieren. Grundsätzlich geht es hier aber um Grip und die Fähigkeit mühelos schnell fahren zu können.
Wie so oft bei den Münchnern ist die Lenkung so ein bisschen der Schwachpunkt im fahrdynamischen Gesamtpaket. Das geht bei dem wurstartig dicken Lenkradkranz los und zeigt sich auch bei der mangelnden Vermittlung von Feedback. Es liegt einfach eine sehr große Schicht Watte irgendwo zwischen Reifen und den Händen des Fahrers und der Informationsgehalt von dem, was von vorne gefunkt wird, ist ziemlich dürftig.
In diesem Fall seltsam, weil eigentlich ungewohnt: Der Spurhalte-Assi verhedderte sich ein ums andere Mal und griff teils stark in die Lenkbewegung ein, wo es überhaupt nicht nötig (keine Linien weit und breit) und deshalb sehr unangenehm war.
Das Fahrtenbuch notiert bei einer längeren Autobahnfahrt, wo meine Wenigkeit ...nun ähem ... ein wenig unter Termindruck stand bei 7,5 Liter. Da waren die Zahlen auf dem Tacho aber selten unter 140 und eher häufig bei 180 bis 200. Ein Kollege schaffte bei gemütlicher Autobahnfahrt mit maximal 130 km/h aber auch mal 5,5 Liter. Oder 5,8, wenn er es relativ normal angehen ließ (diese beiden Verbräuche gefahren im Comfort-Modus oder einem Mix aus Eco und Comfort).
Im Schnitt waren es letztlich über alle Straßen- und Fahrsituationen hinweg 6,6 Liter. Ein absolut bemerkenswertes Ergebnis für einen 340 PS starken Sechszylinder mit diesen Fahreigenschaften und Manieren.
Als BMW mit digitalen Instrumentendisplays anfing, war das alles ein ziemlicher Graus. Inzwischen haben sich die Teile zu einer echten Stärke bei BMW entwickelt. Der Screen bietet viele Möglichkeiten zur individuellen Konfiguration, was über die Lenkradtasten auch logisch und einfach durchführbar ist.
Apropos Lenkradtasten: Das bei den Bayern ein einziger Klick auf die "Set"-Taste genügt, um den blödsinnigen EU-Tempopiepser zu deaktivieren, ist ein wahres Geschenk.
Dass auch der Infotainment-Bildschirm in einem neuen BMW sehr ordentlich funktioniert, dürfte keine besondere Überraschung sein. Es gibt im Hauptmenü wahnsinnig viele kleine Icons, aber im Alltag dürfte das bald nicht mehr so sehr verwirren. Ansonsten sind die Reaktionszeiten sehr schnell und die Grafiken sehr scharf.
Die Sprachbedienung funktionierte im Test hervorragend. Trotzdem sind wir sehr dankbar, dass es nach wie vor den Dreh-Drück-Steller gibt.
Performance-Diesel-Cabrio - das klingt einfach nicht richtig. Doch in der Praxis funktioniert der offene M440d um Welten besser, als man erwarten würde. Hauptverantwortlich dafür: sein geschmeidiger, kultivierter, enorm durchzugsstarker und zu allem Überfluss auch noch extrem sparsamer Reihensechszylinder.
Dazu kommen ein blitzsauberes, wahnsinnig traktionsstarkes, durchaus unterhaltsames, wenn auch etwas gefühlloses Fahrverhalten und ein hervorragender Fahrkomfort. Natürlich ist das Auto etwas lauter als das Coupé und aufgrund des Gewichts etwas weniger agil als der Benziner M440i. Zudem könnte der Innenraum etwas liebevoller gestaltet sein.
Dennoch ein hervorragender Allrounder, den man sich selbst als Benziner-Fan durchaus mal ansehen kann. Sie werden überrascht sein.