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Test Audi RS 7 (2019): Besser als M5 und AMG GT 63?

Audi Sport gelingt mit dem neuen RS 7 eine überraschend feine Power-Limousine.

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Was ist das?

Die zweite Auflage vom uncooleren Bruder des RS 6 Avant. Glücklicherweise durften die Audi Sport-Designer nun auch ihrem viertürigen Coupé Kotflügel der Größe Bayerns aufstecken, weshalb sich das mit der Uncoolness erledigt hat. Für dieses Paar Augen ist der neue RS 6 zwar noch immer das begehrenswertere Gefährt, aber das liegt in diesem Fall wirklich nicht am neuen RS 7 sondern schlicht an der völlig hemmungslosen Maskulinität und den noch breiteren Radhäusern seines Kombi-Counterparts.

Das hier sieht auch ziemlich gut aus ...

Für sich genommen ist der RS 7 ein absolutes Bild von einer Performance-Limousine. Aufregender, biestiger und mehr "auf die Fresse" als die eher nüchternen BMW M5 und Porsche Panamera Turbo. Gleichzeitig aber weniger "Goldkettchen und Solarium" als der Mercedes-AMG GT 63 S. Er ist 40 mm breiter als ein normaler A7, hat Endrohre wie ein Autobahntunnel und ein Antlitz bei dem selbst der Höllenhund Cerberus den Schwanz einziehen würde. Dabei gelingt ihm das Kunststück, extrem präsent, aber nie prollig zu wirken. Top Job, Audi. 

Vermutlich lässt er auch leistungsmäßig nichts anbrennen? 

Eher nicht. Sein laut Audi nahezu komplett neuer 4,0-Liter-Biturbo-V8 leistet 600 PS und 800 Nm Drehmoment. 40 PS und 100 Nm mehr als im Vorgänger. Klingt schwindelerregend, ist im Jahr 2019 unter den feuerspeienden Business-Limos aber tatsächlich nur Durchschnitt. Ein AMG E 63 S leistet 612 PS, ein M5 Competition 625 und der AMG GT 63 S sogar 639 PS. Reichen sollte es für die meisten Gelegenheiten dennoch.

Das Aggregat kennen wir im Prinzip vom Panamera Turbo, Audi Sport erweitert es aber um ein 48-Volt-Mildhybrid-System, das beim vom Gas gehen zwischen 55 und 160 km/h Rekuperation und Segeln mit ausgeschaltetem Motor erlaubt. Auch eine Zylinderabschaltung ist nun an Bord. Das grüne Gewissen muss schließlich irgendwie beruhigt werden in einem 2,1-Tonnen-Tanker mit der 6,3-fachen Leistung eines Basis-A1. 

Über eine leistungsfähigere Variante der Achtgang-Automatik geht natürlich auch in diesem Fall die Kraft über einen permanenten Allradantrieb mit selbstsperrendem Mittendifferenzial an alle vier Räder. Das Grundverhältnis ist 40:60, im Extremfall kann die Elektronik bis zu 70 Prozent nach vorne und bis zu 85 Prozent nach hinten schicken. Das alles funktioniert Audi-typisch ziemlich effizient. Ist die Launch Control aktiviert, knallt der RS 7 laut Werksangabe in 3,6 Sekunden von 0-100 km/h. Die Erfahrung lehrt, dass es in der Realität etwas kürzer dauert. Je nachdem, wie viel Geld Sie für Zusatzpakete ausgeben wollen, gewähren Ihnen die Ingolstädter eine Höchstgeschwindigkeit von 250, 280 oder 305 km/h.  

Und, fühlt es sich so erbarmungslos an wie es klingt?

Im Großen und Ganzen kriegt man vom neuen RS 7 so auf die Mütze, wie es zu erwarten war. Wer einen Audi RS mit einer großen Zahl dahinter kauft, verlangt einfach, dass es ihm beim Beschleunigen die Mundwinkel Richtung Genick zentriert und das ist auch hier wieder der Fall. Ist der V8 erstmal in Schwung, fällt es schwer, seiner Macht zu widerstehen. Das Wörtchen "erstmal" ist hier aber nicht ganz unwichtig, denn in seiner Leistungsentfaltung ist er fast ein bisschen Oldschool-Turbo. Unter 3.000 Touren holt er ganz schön tief Luft, eher er einem anschließend förmlich den Kopf durch die Kopfstütze hämmert. Sein Ansprechverhalten - gerade im Comfort-Modus - ist nicht ganz auf dem Niveau eines AMG- oder BMW-Achtzylinders. In "Dynamic" hat man das Aggregat jedoch spürbar aggressiver und lebendiger abgestimmt. Wenn Sie es also richtig eilig haben, drücken Sie den Drive-Select-Taster besser 2x nach unten. Nichtsdestotrotz hat man es hier natürlich mit einem absoluten Urviech zu tun, das die Autobahn mit seiner monumentalen Elastizität einmal mehr in Schutt und Asche legen wird und auch gierig bis ins Drehzahllimit pusht.

Dabei haben es die Ingolstädter (oder besser die Neckarsulmer) geschafft, dem RS 7 trotz immer strengerer EU-Klang-Regelwut einen überaus herzerwärmenden Bass in die Aussprache zu zaubern. Schon beim Anlassen wirft er einen bemerkenswerten Donnerhall auf den Boden. Der Rest ist - wenn auch durch einen Modulator in der Frontscheibe verstärkt - astreines V8-Gezeter, das innen angenehm präsent, aber nie aufdringlich erscheint. Im Dynamic-Modus wird das Ganze noch durch das unvermeidliche Schubgebrabbel beim Gaslupfen ergänzt.  

Ein Extra-Lob gebührt dem Getriebe. In A6/A7 und S6/S7 wirkte die Achtgang-Box zuletzt immer ein wenig lethargisch. Hier kommt aufgrund des monströsen Drehmoments eine leistungsfähigere Ausbaustufe der ZF-Box zum Einsatz. Sie schaltet blitzschnell und absolut unbeirrt. Ein echter Gewinn. Umso mehr, da Audi eeendlich vernünftige Alu-Schaltpaddles statt der billigen Plastik-Plättchen verbaut. Es scheint doch zu helfen, wenn man nur lange genug meckert. 

Es ist ein Audi, sicher ist das Handling total plump?

Ha, auf diesen Punkt habe ich gewartet. Denn in Sachen Fahrdynamik hat mich der neue RS 7 zugegebenermaßen ganz schön überrascht. Dabei sprechen die Voraussetzungen grundsätzlich gegen ihn. Erstens ist er gute 100 Kilo schwerer als die gesammelte Konkurrenz (20 Kilo schwerer als ein AMG GT 63 S) und zweitens war das letzte Audi-RS-Coupé  - ich schaue nur auf dich, lieber RS 5! - in dieser Hinsicht eine mittelschwere Katastrophe. Allen Unkenrufen zum Trotz bierbäuchelt sich der RS 7 aber nicht plump untersteuernd durch die Kurve. Und eine Lenkung als hätte man einen halbtoten Aal um ein rundes Stück Plastik gelegt, hat er auch nicht. 

"Große Sport-Audis waren immer präzise und akkurat, hatten aber in der Regel eine bleierne Schwere an sich. Davon ist hier nichts zu merken."

Ganz im Gegenteil wirkt das Auto - gerade in Anbetracht seiner Ausmaße - beeindruckend kompakt und agil. Große Sport-Audis waren immer präzise und akkurat, hatten aber in der Regel eine bleierne Schwere an sich. Davon ist hier nichts zu merken. Wir wissen inzwischen um die magischen Fähigkeiten einer vernünftigen Hinterachslenkung und das gute (aufpreispflichtige) Stück dürfte auch hier seine Wunder wirken. Der RS 7 lenkt deutlich schneller und drahtiger ein als bisher, wirkt kleiner als er ist. Mit der - und da lehne ich mich jetzt gerne weit aus dem Fenster - besten Lenkung seit dem seligen B7 RS 4. Sie ist leichtgängig, endlich nicht mehr mit dieser künstlichen Schwere aufgeladen, die manche Entscheider irrsinnigerweise mit Sportlichkeit gleichsetzen. Sie wirkt verblüffend natürlich und harmonisch, verhärtet nicht bei starkem Einlenken. Und sie meldet vergleichsweise viel vom Straßenzustand. Meiner Meinung nach um Längen besser als im M5 und mindestens gleich auf mit den AMGs.

Die Opulenz des Autos merkt man fast nur auf der Bremse. Im Testwagen war übrigens die optionale Carbon-Keramik-Anlage mit ihren irrwitzig großen 440-mm-Scheiben vorne an Bord. Sie spart 34 Kilo (!) Gewicht, reagiert aggressiv und beißt mit heroischer Gewalt zu. In diesem Fall sicher eine Überlegung wert.

Das leidige Untersteuer-Thema legt der RS 7 ebenfalls zu den Akten. Man muss sich schon selten dämlich anstellen, um ihn dazu zu bringen. Aber bevor ich jetzt falsche Hoffnungen von geschredderten Hinterreifen und rauchig-flamboyanten Drifts bei Ihnen wecke: Nein, das kann der RS 7 nach wie vor nicht. Er will es gar nicht. Die Audi Sport-Kundschaft will es nicht. Sein Gustostück ist und bleibt die absolut unbeugsame Traktion. Wie sich dieses Auto völlig verlustfrei aus der Kurve katapultiert, dieser brachiale Vorwärtsdrang, selbst wenn Sie gefühlt viel zu früh aufs Gas gegangen sind - das kreiert schon Momente, wo das Kitzeln im Bauch ohne Umwege zu herzhaften Lach-Attacken führt.

Sie sollten sich dennoch damit anfreunden, dass Sie es hier mit einem deutlich anderen Konzept zu tun haben, als es der BMW M5, der AMG E 63 oder der AMG GT 63 S liefern. Der Audi ist ganz sicher nicht so verspielt und aggressiv abgestimmt, wirkt weniger angespannt, mehr in sich ruhend. Vermutlich liefert die Konkurrenz im Grenzbereich mehr Thrill. Dieses Mal ist das aber kein Beinbruch, weil der RS 7 als sehr harmonische, fahrdynamisch überzeugende Komposition auftritt.

Und er besitzt einen weiteren, nicht zu verachtenden Pluspunkt: Verglichen mit seinen Kontrahenten ist er er wesentlich komfortabler. Sogar mit der optionalen SUV-Bereifung (also den 22-Zöllern). Unabhängig davon, ob das serienmäßig Luftfahrwerk oder das DRC-Stahlfahrwerk an Bord ist. Ersteres ist laut Audi um 50 Prozent straffer als im normalen A7. Merken werden Sie es kaum. Der RS 7 rollt extrem geschmeidig ab, lässt sich selbst von gröberen Fahrbahnunebenheiten nicht aus der Ruhe bringen. Das DRC-Fahrwerk soll mit seinen adaptiven Dämpfern, die über zwei Ölleitungen diagonal miteinander verbunden sind, Wank- und Nickbewegungen zunichte machen. Im Fahrbetrieb arbeitet es nur minimal beherzter als die Luftfederung, gibt sich im Comfort-Modus erfreulich geschmeidig und zieht sich erst im Dynamic-Modus spürbar zusammen. Ohne auf ernsthafte Messdaten zurückgreifen zu können, würde ich das Luftfahrwerk empfehlen, da es sich nicht weniger dynamisch, aber noch komfortabler anfühlte.

Wie ist er innen?

Wie ein A7 mit ein paar RS-spezifischen Spielereien. Das sind sehr gute Nachrichten. Sie können auch Komfortsitze mit richtigen Kopfstützen und Massage-Funktion haben, aber die bestellen nur zwei Prozent der RS 7-Kunden und das muss einen Grund haben. Die RS-Sportsitze mit Wabensteppung (im Bild unten) sind nämlich richtig bequem, halten gut fest und sind jetzt sogar belüftet. Empfehlenswert ist auch das super scharfe und griffige Alcantara-Lenkrad. 

Dass Sie nicht in einem profanen A7 sitzen, merken Sie an den RS-spezifischen Instrumentengrafiken. Sie können alle möglichen Beschleunigungswerte und g-Kräfte messen, wenn Sie das wollen. Und Sie kriegen einen lässigen Drehzahlmesser im Stile des Urquattro sowie einen Schaltblitz, der Ihnen verrät, dass Sie jetzt langsam mal hochschalten sollten. Außerdem werden Sie in der rechten Lenkradspange auf einen RS-Knopf stoßen. Er fungiert quasi als Schnellwahl-Taste für ihre individualisierten Fahrdynamikeinstellungen. Mit RS1 und RS2 können Sie hier zwei Profile abspeichern. In RS2 können Sie dann auch das ESP auf "Sport" stellen. 

In Sachen Qualität und Wohlfühlambiente braucht sich das RS-7-Interieur wenig überraschend nicht vor denen seiner Gegner zu verstecken. Platz ist auch im Fond reichlich vorhanden. Das Kofferraumvolumen ist mit 535 Liter (umgeklappt 1.390 Liter) deutlich größer als beim AMG GT 4-Türer oder dem Porsche Panamera.

Soll ich ihn kaufen?

Vermutlich ist das größte Dilemma des neuen Audi RS 7, dass relativ zeitgleich der technisch identische RS 6 Avant auf den Markt kommt. Die meisten Menschen greifen dann doch lieber zum praktischeren und noch begehrenswerteren Kombi. Ansonsten hat sich dieses Auto relativ wenig vorzuwerfen. Es kombiniert den archaischen Punch des alten RS 7 Performance mit einer Optik zum Niederknien und einem nun leichtfüßigeren und stimmigeren Handling. Auch dieser Sport-Audi ist nicht so aufgekratzt, rennig und wild abgestimmt wie seine Gegner BMW M5 oder die AMGs, aber er ist ihnen fahrdynamisch näher denn je und in Sachen Fahrkomfort deutlich überlegen. Für mich das beste RS-Modell seit längerem und eine klare Empfehlung.

Der neue RS 7 kommt im Dezember 2019 auf den Markt und kostet ab 121.000 Euro. Zum Vergleich: Der M5 ist ab 117.900 Euro zu haben, der Panamera Turbo kostet ab 159.990 Euro und den AMG GT 63 S kriegen Sie ab 167.016 Euro.

Fazit: 8/10

+ extreme Fahrleistungen; überraschend dynamisches Fahrverhalten; hervorragender Fahrkomfort (trotz 22 Zöllern); beste Audi-Lenkung seit Jahren; extreme optische Präsenz

- Motor könnte bissiger ansprechen; immer noch Effektivität vor Verspieltheit

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