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Ford Fiesta ST Edition (2021) im Test: Ruhiger ist gleich besser

Ja wirklich, das Hardcore-Fahrwerk macht ihn erwachsener

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Was ist das?

Das ist zuallererst mal unfassbar blau. "Nitro-Blau", um genau zu sein. Eine unrepräsentative Umfrage im gaskranken Teil meines Umfelds ergab sehr hohe Zustimmungswerte. Ich schließe mich an. Der Knallton passt hervorragend zur bisher fokussiertesten Variante eines ohnehin schon sehr fokussierten Kompaktsportlers. 

Der Fiesta ST Edition ist quasi die ultimative Ausbaustufe eines unserer absoluten Lieblingsautos. Exakt 597 Stück sind für den deutschen Markt bestimmt, es gibt ihn ausschließlich als 3-Türer und das zu Preisen ab 32.000 Euro. Das klingt nach einer entsetzlich großen Menge Geld für einen Fiesta und tatsächlich ist der Aufpreis von 4.250 Euro gegenüber einem ST 3-Türer mit der bisherigen Topausstattung (Leder-Exklusiv-Paket) recht üppig. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das im Prinzip unverzichtbare Quaife-Sperrdifferenzial auch im Edition extra bezahlt werden muss. 

"Warum zum Henker soll ich das Ding dann kaufen?" könnten Sie jetzt aufgebracht argumentieren, "weil es so blau ist?" Nun, besonderer als ein Standard-ST ist er ja allein schon aufgrund der limitierten Stückzahl und außerdem entkräftet der Edition sein Preisschild mit ein paar wahrlich würdigen Performance-Upgrades. 

Da wäre etwa ein sehr adretter Satz 18 Zoll großer Zehn-Speichen-Felgen. Sie kommen mit bekannt hervorragenden Michelin Pilot Sport 4-Pneus und rasieren acht Kilo Gewicht genau dort, wo es besonders viel bringt. 

Der größte Pluspunkt dürfte aber das neue Fahrwerk sein. Das Standard-Setup weicht hier einem in Höhe sowie Zug- und Druckstufe verstellbaren Gewindefahrwerk. Wer ein bisschen genauer hinschaut, erkennt ein KW Variante 3-Fahrwerk mit spezifischer Ford-Abstimmung. Die Werkseinstellung bringt eine Tieferlegung von 15 Millimeter vorne und 10 Millimeter hinten. Die Dämpfer selbst lassen sich in gleich 12 (Druckstufe) beziehungsweise 16 Klick-Stufen (Zugstufe) einstellen. Weitere Optimierungen des Fahrdynamik-Potenzials verspricht sich Ford durch geänderte Achsschenkel und eine (noch) direktere Servolenkung.

Wie fährt er?

"Um Himmels Willen, Tieferlegung!", mögen Sie jetzt denken. Das normale Auto federt ja schon wie ein Jetski bei stürmischer See. Und es stimmt, der Fiesta ST schüttelt einen trotz seiner progressiven Federn schon bei niedrigen Geschwindigkeiten ordentlich durch. Wenn man ihn vernünftig rannimmt, macht sein irres Talent die Pein des Gehoppels mehr als wett, aber dass er rumpelt und auf schlechteren Straßen auch gerne mal ein bisschen durch die Gegend tanzt, steht außer Frage. Es ist halt Teil des Thrills. 

Erfreulicherweise schafft das vermeintlich extremere Fahrwerk des ST Edition mit seinen linearen (sprich: auch unter stärkerer Belastung gleichbleibend arbeitenden) Federn hier Abhilfe und kippt der hyperaktiven Kölner Flipperkugel ein wenig Beruhigungstee in den Unterbau. Das Durchgeschüttle bei gemächlicherem Tempo reduziert sich spürbar und auch auf schlechteren Landstraßen fühlt er sich beherrschter an.

Zum langweiligen Softie mutiert er deswegen aber natürlich nicht. Er bleibt auf die richtige Weise straff, wach, vorgespannt. Und er fühlt sich grippiger an. Die Kurvengeschwindigkeiten für so ein kleines Gefährt sind Banane. 

Dass ein kleines Stück der berühmten Verspieltheit im Prozess flöten geht, ist mehr als verkraftbar. Gerade auf dem Track kann es nur von Vorteil sein, wenn das Auto etwas weniger durch die Gegend rutscht und hüftwackelt, sich dafür erwachsener und gesettelter anfühlt. 

Der Rest bleibt im Großen und Ganzen, was er vorher auch war - ziemlich großartig, wenn auch die ein oder andere Nehmerqualität gefragt ist. Man sitzt halt schon ganz schön eingezwängt und die Lenkung sorgt mit ihrer comichaften Direktheit und den - meiner Meinung nach - viel zu hohen Rückstellkräften auch gerne mal für seltsame Momente. Es gibt auf jeden Fall Systeme, die besser zu dosieren sind.

Aber das war's dann auch schon, denn das Sechsgang-Schaltgetriebe ist noch immer eine kurz und sauber klackende, hervorragend geführte Sensation und auch der mächtig aufgepumpte Dreizylinder-Turbo überzeugt auf ganzer Linie.

Für manchen muss ein Hot Hatch ja per definitionem einen Motor haben, der viel größer ist, als es für die Ausmaße des Autos vernünftig wäre. Aber der kleine Einsfünfer im Fiesta ST ist so ein fuchsteufelswilder, charismatischer und beängstigend durchzugsstarker Kerl, dass ich nicht wüsste, warum man irgendetwas ändern sollte. Außerdem klingt er richtig gut.

Wie ist er innen?

Die einzige "größere" Änderung im Innenraum ist das neue Lenkrad mit separater Taste für den Sport-Modus (wie in allen anderen Fiesta ST gibt es noch "Normal" und "Rennstrecke"). Ansonsten erblickt man "Carbon"-Dekorelemente und haufenweise blaue Nähte. 

Wie bisher wirkt das Interieur zweckmäßig, aber völlig in Ordnung. Man sollte sich halt damit anfreunden können, dass alles hier drin eher auf Modelmaße geschnitten ist. Das gilt auch für die Recaro-Sitze, die weiterhin Meinungen spalten. Mancher Kollege fühlt sich in ihnen, als würde er von einem längst verloren geglaubten Freund umarmt, andere - zu denen ich definitiv auch mich zählen würde - kommen sich eher vor wie in einem sehr schlecht gelaunten Schraubstock.  

Wie ich bereits im letzte Test des ST schrieb: "Der Fiesta ST ist verglichen mit vielen Konkurrenten einfach nicht sonderlich bequem. Wenn das der Preis für ein herrlich echtes, kantiges und liebenswert zügelloses Fahrverhalten ist, dann ist mir das aber noch immer tausendmal lieber als ein weiteres Auto mit perfekten Manieren aber ohne Charakter." 

 

Fazit: 8,5/10

Und das bringt uns sehr elegant zum Fazit, denn wenig überraschend ist auch der Fiesta ST Edition ein wunderbarer Spaßbringer. Allerdings macht ihn sein neues Fahrwerk ein kleines bisschen weniger tollwütig und damit letztlich auch ein kleines bisschen besser. Aus dem tasmanischen Teufel wird ... naja, zumindest ein tasmanischer Teufel mit etwas besseren Manieren und mehr Schliff auf schlechtem Geläuf. Das ist fahrdynamisch durchaus von Vorteil. 

Die Frage ist halt, ob ein Gewindefahrwerk und leichtere Felgen mehr als 4.000 Euro Aufpreis wert sind. Für Kunden, die gerne Trackdays besuchen vermutlich schon, man weiß ja in etwa, was der Spaß kostet, wenn man hinterher privat optimiert. Apropos: Die Upgrades des ST Edition sind für alle Fiesta ST ab Baujahr 2018 nachrüstbar. 

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