Günstig, geräumig und Gas: Geht diese Rechnung auf?
Der Preis ist heiß: Das ist nicht nur seit kurzem wieder das Motto von Harry Wijnvoord auf RTL, sondern auch von Dacia. Dort gibt es ein "nigelnagelneues Auto" (um im Duktus der Show zu bleiben) zum fairen Kurs. Mit dem Jogger hat die Marke kürzlich ein Modell auf den Markt gebracht, das mit viel Raum und bis zu sieben Sitzen punkten soll. Ob dem so ist, klärt unser ausführlicher Test.
Bereits durch seine Positionierung ist der Dacia Jogger etwas Besonderes: Günstige Kombis unterhalb der Klasse eines VW Golf Variant gibt es abgesehen vom kleineren Skoda Fabia Combi praktisch nicht mehr, tendenziell noch eher von Nutzfahrzeugen abgeleitete Hochdachkombis. Beide Segmente versucht der Jogger zu kombinieren, hinzu kommt eine Prise Van. Im Dacia-Modellprogramm ersetzt er sowohl den Logan MCV als auch den Lodgy.
Sehen wir uns den Neuling genauer an: 4,55 Meter ist er lang, das sind etwa zehn Zentimeter weniger als ein VW Golf 8 Variant. Dafür bietet der Dacia mit knapp 2,90 Meter deutlich mehr Radstand. Optisch muss sich der Jogger nicht verstecken, ich empfand ihn als "Volvo des kleinen Mannes" mit seinen Heckleuchten, in denen sich die Blinker weit oben befinden. Vorne strahlt LED-Abblendlicht samt Lichtsensor.
Interessant ist auch die Höhe von 1,67 Meter mit Dachreling. im seitlichen Profil erkennt man den höheren Dachverlauf ab der B-Säule und die größeren Fenster im Fond. Das hat seinen guten Grund, denn den Jogger gibt es für 900 Euro mehr auch als Siebensitzer mit dritter Reihe im Heck.
Bei unserem Testwagen handelte es sich aber um den Fünfsitzer in der Comfort-Ausstattung und Metallic-Außenfarbe "Moonstone-Grau". Wenn Sie nicht gerade sehr viel Kindergeld bekommen und als Elterntaxi nur durchschnittlich besetzt sind, reicht der Fünfsitzer vollkommen. Zumal er ein wirklich üppiges Ladevolumen bietet: 607 bis 1.819 Liter reichen locker für zwei Wochen Familienurlaub und den Schwimmflamingo oder zwei große Hunde. Nicht ganz so opulent ist die Beinfreiheit in Reihe Zwei, aber völlig ausreichend. Praktisch: Taschen an den Lehnen der Vordersitze.
Die Erweiterung des Kofferraums geht wie folgt: Erst die Rückenlehnen umklappen, wenn man nur Bretter oder Ähnliches einladen will. Soll die Stufe weg, wickelt man die Rückbank hinter die Vordersitze. Abzüge gibt es für die 426 kg Zuladung zusätzlich zum Fahrer, bei voller Besetzung sollten Sie also nicht die Kumpels vom Sumo-Club mitgenommen haben.
Beim Blick auf das weitgehend blanke Blech im Innenteil der Heckklappe und den schlichten Teppich im Gepäckraum wird klar, wie der Dacia Jogger schon bei 15.600 Euro (Stand Mai 2022) beginnen kann. An den Türen regiert Hartplastik, doch im Cockpit fühle ich mich nicht im Armenhaus. Stoffeinsätze, Chrom am Schalthebel und der metallische Türöffner bringen Pfiff ins Ambiente.
Pfiffig sind auch diverse Lösungen zur Bedienung. Generell geht alles einfach von der Hand, einziges Touch-Element ist der 8-Zoll-Bildschirm auf der Mittelkonsole. Oben links daneben befindet sich ein USB-Anschluss zur Datenübertragung, zum Laden gibt es einen weiteren in der Mittelkonsole. Unser Testwagen hatte die manuelle Klimaanlage an Bord, sie lässt sich gut regulieren. Indes ist die optionale Klimaautomatik mit 300 Euro wie praktisch alle Extras bei Dacia fair eingepreist.
Wie fairt ... Verzeihung ... fährt sich der Jogger mit 100-PS-Turbobenziner und LPG? Zunächst zum Antrieb: Zum normalen 50-Liter-Benzintank gesellt sich ein Reservoir für 40 Liter Flüssiggas. Pluspunkte von Flüssiggas alias LPG: Weniger CO2-Emissionen und ein Preis von derzeit um 1,15 Euro. Minuspunkt: Im LPG-Betrieb steigt der Verbrauch um 1,5 bis 2 Liter. Der Tankvorgang ist etwas friemelig und braucht Eingewöhnung. Und das Werks-Navi weist leider keine LPG-Tankstellen aus.
Ist die LPG-Taste im Cockpit aktiviert, startet der Wagen mit Benzin, springt aber bald auf Gas um. Spürbar ist das für die Insassen nicht, schon eher dringt der Lauf des Dreizylinders ans Ohr. Durch dessen typischen Klang wirkt der TCe 100 Eco-G auf der Autobahn angestrengter als er ist, obwohl die Dämmung durchaus okay ist.
Generell möchte die etwas knorpelige Sechsgang-Schaltung häufig bedient werden, hier mischen sich lange Wege mit einer langen Getriebeübersetzung. Bedeutet: Allzu untertourig mag der Gas-Jogger nicht bewegt werden. Doch er ist bei weitem keine lahme Krücke, wenngleich Sie sportliche Ambitionen getrost streichen können.
Dacia hätte den Modellnamen nicht besser wählen können: Ein Jogger im entspannten Trab, aber kein Olympiasieger. Die Werte im Datenblatt bestätigen meinen Eindruck von "Das ist absolut okay. Nicht mehr und nicht weniger." 170 Newtonmeter Drehmoment, 12,3 Sekunden auf Tempo 100 und 175 km/h Spitze. Wer etwas flotter joggen möchte, nimmt halt den 110-PS-Benziner mit 200 Nm Drehmoment. Er kostet 500 Euro mehr.
Auch in Sachen Lenkung und Fahrwerk kann ich vermelden: Nichts Außergewöhnliches. Dienst nach Vorschrift. Kein Grund zur Klage. Und beim Verbrauch? Hier gibt Dacia recht ungewöhnlich sogar verschiedene Betriebszustände an. 9,4 Liter Autogas bei sehr langsamer Fahrt. 7,0 bis 7,1 (langsam), 6,6 bis 6,7 (schnell) und 8,2 bis 8,3 (sehr schnell).
Wir kamen im Durchschnitt auf 9,4 Liter, wenn man es aber auf der Autobahn eilig hatte, auch mal 10,6 Liter. Der Hersteller gibt kombiniert 7,6 bis 7,7 Liter an. Unser besonders sparsam fahrender Kollege Fabio Gemelli aus Italien erreichte sogar 6,8 Liter. Die Spanne hängt also vom Eigner ab.
Harry Wijnvoord würde jetzt in Holland-Deutsch fragen: "Was kostet diese Auto? Nicht überbieten!" 20.000 Euro? Möööp. Falsch. Als "Comfort" mit fünf Sitzen plus Sicherheitspaket (Einparkhilfe vorne, Rückfahrkamera und Totwinkelwarner), Navi und Metallic sind wir nach neuester Preisliste vom 3. Mai 2022 bei exakt 18.600 Euro.
Assistenzsysteme über den Totwinkelwarner hinaus sucht man übrigens vergeblich. Eigentlich nicht mal unangenehm, doch EuroNCAP straft den Jogger dafür mit nur einem Stern ab. Front-Airbags, Seitenairbags vorne und Windowbags vorne wie hinten sind aber immer serienmäßig.
Trotzdem noch Jogger-Fan? Dann rate ich zur Topausstattung "Extreme+" mit Sitzheizung, 16-Zoll-Alus und etwas mehr Offroad-Optik. Einziges Extra ist hier der Metallic-Lack. Doch auch damit bleibt der Eco-G mit 19.900 Euro noch unterhalb der 20K-Grenze. Wer seinen Dacia lange behalten möchte, sollte noch die Plus-Garantie bis maximal 72 Monate Laufzeit hinzubuchen. Zum Vergleich: Ein Skoda Octavia Combi mit 110-PS-Benziner, zwei Jahren Garantie inklusive (Dacia bietet drei) und mäßiger Serienausstattung geht bei 24.540 Euro los.
Mehr Raum für weniger Geld als beim Dacia Jogger wird man als Neuwagen kaum bekommen. Gerade in den aktuellen Zeiten mit steigenden Preisen nicht nur beim Kraftstoff dürfte dieses Auto zum gern gesehenen Familienfreund werden. Speziell der Eco-G mit LPG ist eine interessante Alternative.
Optisch kann sich der Jogger auch innen absolut sehen lassen, aber natürlich sind die Materialien recht schlicht und die Sicherheitsassistenten überschaubar. Dennoch: Nutzwert statt Nonsens. Pragmatismus statt Premium. Der wahre Volkswagen fängt mit D an.