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Neuer Nissan X-Trail (2022) im Test: Freund der Familie

Ein sogenannter e-Power-Antrieb soll Diesel-Wünsche überflüssig machen

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Der Diesel ist inzwischen die Zigarette (oder das Bier, je nach Vorliebe) unter den Antrieben. In Verruf geraten, altmodisch, nicht so nachhaltig wie die neue tolle Elektro-Welt. Immer mehr Hersteller verabschieden den Selbstzünder aus ihrem Pkw-Programm und lassen ihn höchstens bei Nutzfahrzeugen weiterleben.

So auch der Renault-Nissan-Konzern. Dort hat man durchaus Gründe für die Abkehr vom Diesel: Ein Modell wie der Nissan X-Trail ist global erfolgreich (rund sieben Millionen Stück seit 2001), aber nur die Europäer respektive die Deutschen wollen ihrer Diesel-Sucht weiter frönen. Dabei stehen hier die Zeichen auf Abschied vom Verbrenner, Nissan will ab 2030 nur noch elektrifizierte Autos verkaufen.

Was ist das?

Und so bekommt der große Bruder des Nissan Qashqai keinen Diesel mehr verpflanzt. Ein spezieller Hybridantrieb namens "e-Power" soll ihn überflüssig machen. Dazu später mehr. Sehen wir uns den neuen X-Trail genauer an: Gewisse optische Parallelen zum Qashqai, mit dem er sich die Plattform teilt, sind sichtbar. Aber der X-Trail verfolgt eine eigene Linie, die im seitlichen Profil und in Richtung Heck durchaus gelungen ist. Hingegen bleibt die Frontpartie mit den geteilten Leuchten und dem großen Grill eine Frage des persönlichen Geschmacks.

Mit einer Länge von nun 4,68 Meter ist der neue Nissan X-Trail minimal kürzer als sein Vorgänger, ein Plus gibt es hingegen bei Breite (1,84 Meter) und Höhe (1,72 Meter). Das ist die Liga von BMW X3 und Skoda Kodiaq. Auf Wunsch faltet sich eine dritte Sitzreihe aus dem Boden, mein Selbstversuch bestätigt aber die Aussage von Nissan, dass hier nur Menschen bis 1,60 Meter Länge Platz nehmen sollten. Spontanes Klassen-Taxi oder optionaler Enkel-Transport am Sonntag also.

2,70 Meter Radstand sorgt für gute Platzverhältnisse in den "normalen" Sitzreihen, im Fond überzeugt die Beinfreiheit, auch dank einer um bis zu 22 Zentimeter längs verschiebbaren Rückbank. Bis zu 575 Liter Gepäck passen dahinter in den Kofferraum. Die hinteren Türen öffnen fast im rechten Winkel, allerdings sitze ich als großgewachsener Mensch hinten etwas zu hoch.  

Das Cockpit des neuen X-Trail gefällt mit hochwertigen Materialien und ansprechender Verarbeitung. Hier muss sich Nissan nicht vor deutschen Premium-Marken verstecken. Auch die Bedienung überzeugt, große Rätsel sind hier nicht zu lösen. Netterweise verzichtet die Marke auf übertriebene Touchfeld-Orgien.

Wie fährt er sich?

Was gibt es unter der Haube? Keinen Diesel, wie ich bereits erwähnte, obwohl so ein X-Trail je nach Antrieb bis zu zwei Tonnen wiegen kann. Basismotor ist ein 1,5-Liter-Turbobenziner mit Frontantrieb, Mildhybrid und stufenlosem Xtronic-Automatikgetriebe. Er kommt auf 163 PS Leistung und 300 Newtonmeter Drehmoment. Anhängelast: 2.000 kg beim Fünfsitzer.

Ab hier wird es technisch interessant: Wie schon der Qashqai bekommt auch der X-Trail das e-Power-System. Um was handelt es sich dabei? Eine Hochleistungsbatterie und ein integrierter Antriebsstrang in Verbindung mit einem 116 kW (158 PS) starken 1,5-Liter-Turbobenziner und einem 150-kW-Elektromotor. Dieser ergänzt die 250 Nm des Benziners um weitere 330 Nm. Anhängelast hier aber nur 670 kg.

Wer mehr möchte, muss zum X-Trail mit sogenanntem e-4orce-Allradantrieb greifen. Bis zu 1.800 Kilogramm sind dann möglich. Im Prinzip handelt es sich um das gleiche e-Power-System, aber mit einem zusätzlichen E-Motor an der Hinterachse. Er liefert 100 kW (136 PS) und 195 Nm zu. Als Systemleistung nennt Nissan 157 kW (214 PS).

Also ein Hybrid? Jein. Man muss ihn nicht an der Steckdose laden. Der Benzinmotor dient ausschließlich der Stromerzeugung, während das E-Aggregat (bzw. die E-Aggregate) stets die Räder antreibt. Das Generator-Prinzip also, ein wenig wie einst beim Dynamo am Fahrrad.

Tatsächlich lag auf unserer gesamten Fahrtstrecke von fast 200 Kilometer der Batterie-Füllstand immer über Halb, zudem ist der Allrad-Elektro-Hybrid-X-Trail sehr laufruhig. Leise und entspannt gleitet man durch die Landschaft. Pluspunkt: Anders als bei vielen Hybrid-Fahrzeugen jault beim Beschleunigen nicht lautstark der Motor auf, während das Getriebe versucht, den Anschluss zu finden. Unter dem Namen "Linear Tune" hält Nissan Leistung und Klang im Gleichgewicht. 

In exakt sieben Sekunden beschleunigt der e-4orce auf Tempo 100. Unter Volllast wird der Verbrenner zwar präsent, beruhigt sich aber schnell wieder. Und selbst die kurze akustische Präsenz ist für die Ohren verkraftbar. Gut hat mir das aktivierbare "e-Pedal" gefallen. Hier wird mit bis zu 0,2 g abgebremst und rekupiert, "One-Pedal"-Fahren ist so möglich. 

Wer gerne sehr schnell fährt, sollte den Basis-Benziner nehmen, er schafft 200, während die Elektro-Varianten nur für maximal 170 respektive 180 km/h vorgesehen sind. Im Bereich Fahrwerk und Lenkung bleibt der neue X-Trail unauffällig, persönlich würde ich aber von der optionalen 20-Zoll-Bereifung abraten, da sie den Komfort unnötig schmälert. 

Verbrauch und Preis

Bringt das e-Power-System spürbare Verbrauchsvorteile? Auch hier lautet die Antwort: Jein. Wir kamen mit Autobahn und teils bergigen Landstraßen auf exakt 7,0 Liter im Schnitt. Kein Fabelwert, aber angesichts von über 1,9 Tonnen Leergewicht beim e-4orce doch respektabel. Nissan selbst nennt übrigens 6,3 bis 6,7 Liter nach WLTP, im Alltag erscheint das machbar.

Und was kostet der neue Nissan X-Trail, dessen erste Kundenauslieferungen in Deutschland im November 2022 stattfinden sollen? Los geht es bei 35.500 Euro für den Basis-Benziner in der Visia-Ausstattung. Ihre Umfänge sind eher mittelprächtig, weshalb ich mindestens zu N-Connecta ab 42.790 Euro raten würde. Inklusive sind dann das 12,3-Zoll-Navi, beheizbare Sitze (auch hinten), Lenkrad und Scheibe sowie eine 3-Zonen-Klimaautomatik.

Die e-Power-Varianten beginnen ab 37.000 Euro und "Visia", der e-4orce erst bei 44.400 Euro, dann aber schon in "Acenta". Am oberen Ende rangiert der X-Trail e-4orce Tekna Plus für 55.730 Euro in praktisch Vollausstattung. Bevor ich es vergesse: Die dritte Sitzreihe kostet immer 800 Euro extra.

Wo steht die Konkurrenz? Sie verfügt nicht über den besonderen Antrieb des X-Trail, sodass wir uns an dessen Systemleistung orientieren. Ein Skoda Kodiaq 2.0 TSI mit 190 PS, DSG und Allrad kostet mindestens 45.540 Euro, ein BMW X3 xDrive20i mit Automatik und 184 PS ist unter 53.150 Euro laut Liste nicht zu haben. So betrachtet stellt der Nissan ein faires Angebot dar.  

Fazit: 8/10

Auch Nissan hat das Rad nicht neu erfunden. Doch der spezielle e-Power-Antrieb ist eine interessante Alternative zu Plug-in-Hybriden, deren Förderung bald entfällt und die meist nie aufgeladen werden. Ob diese Lösung Diesel-Fans überzeugen kann, muss die Zeit zeigen. Unabhängig von der Antriebsfrage überzeugt der neue X-Trail mit viel Platz, einer hochwertigen Inneneinrichtung und einer fairen Preisgestaltung. 

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