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BMW M2 (2023) im Test: Seriös zur Bestform

Der einstige Filou mutiert zum ernstzunehmenden Sportwagen. Und das macht er fantastisch

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Was ist das?

Die Frage muss wohl eher lauten: Ist er das noch? BMWs ultimativer Pitbull. Die Ein-Mann-Party-Fraktion. Das "Un" in Unvernunft. Jeder liebte den letzten BMW M2, oder? War aber auch nicht schwer: Mehr als 400 PS, Heckantrieb, drei Pedale und gefühlt kein Instagram-Foto, wo der Eimer nicht im 90-Grad-Winkel aus einer Rauchwolke um die Ecke geflogen kommt. Das Ganze für knapp über 60 Riesen.

Eine herrlich simple Formel, die aufging. Kein einzelnes M-Auto verkaufte sich bisher besser. Kleiner Fußabdruck, riesige Fußstapfen also. Da willst du nicht unbedingt in der Haut des Neuen stecken. Vor allem, weil die Haut des G87 bei der Premiere schon wieder für ordentlich Wirbel sorgte. Trotz Normalo-Niere. Einen sauberen Kanten haben sie da hingestellt. Eckig wie der Quadratschädel eines gestandenen Ur-Bayern. Das war dann scheinbar auch wieder nicht recht. Verstehen muss man das nicht. 

"Freunde", will man unweigerlich rufen, "seid doch froh, dass es im Jahr 2023 überhaupt noch ein kleines Coupé mit viel zu starkem (letztmals unelektrifiziertem) Sechszylinder, Hinterradantrieb und der Option auf Schaltgetriebe gibt!" Wer baut sowas denn noch? Genau gar keiner. Außer Porsche. Doch die benzingurgelnden Tage des 718 Cayman sind auch gezählt. Da wird's bald elektrisch.

Es ist halt wie es ist. Der besserwissernde Enthusiast echauffiert sich eben gerne. Und natürlich findet er Gründe. Größer ist er nämlich geworden, der M2. Deutlich. 11,1 Zentimeter länger und 3,3 Zentimeter breiter. Bei 5,4 Zentimeter mehr Radstand. Gegenüber einem normalen 2er Coupé schwellen die Backen um 6 Zentimeter an. Richtig gut. Weniger gut: was er jetzt wiegt!!! 1.700 Kilo als Handschalter. Mit 8-Gang-Autobox sind es sogar 1.725 Kilo. Leer!!! Ja Herrschaftszeiten, wie kann das sein?  

All das kann sein, weil unter dem M2 im Prinzip ein M4 steckt. Motor, Achsen, Fahrwerk, Lenkung, Bremsen, wesentlich breitere Räder, Elektronik, das ganze Arsenal an Versteifungen - alles vom großen Bruder. Deswegen ist er so breit und deswegen ist er so schwer. 

Fahrdynamisch bringt das natürlich auch irgendwie Vorteile. Zumindest, wenn man einen Vorteil darin sieht, dass er künftig souveräner liegen, besser grippen und nicht mehr gar so larifari durch die Kurven rutschen soll.

Der erste M2, das gehört auch zur Wahrheit, war bei aller Gaudi ja schon teils eine rechte Eierfeile. Da passte "kann vor Kraft kaum laufen" eher zur Job-Beschreibung als "seriöser Sportwagen". Das soll sich nun ein Stück weit ändern.

Aber was bringt ein M2, der sich verhält wie ein M4? Da brauch ich ja keinen M2 mehr. Nun, ein bisschen spitzer und giftiger und ungezogener soll er dann schon sein. Da hilft zum einen der kürzere Radstand, aber auch ein paar Abstimmungskniffe.

An der Vorderachse etwa sind die Federn etwas härter, an der Hinterachse dafür etwas weicher. Für eine schnellere Eindreh-Tendenz beim Einlenken. Zur Kompensierung, damit das nicht zu lose wird, kommen hinten die Dämpfer des noch schwereren M3 Touring zum Einsatz. Die entwickeln höhere Dämpfkräfte und machen die Hinterachse wiederum etwas fester. Außerdem hat man an der C-Säule Richtung Hinterwagen zusätzlich versteift.

Weitere Indizien der Professionalisierung sind unter anderem die erstmalige Verfügbarkeit eines Carbondachs sowie der bekannten Carbon-Schalensitze. Und der Preis ist auch nicht mehr das, was er mal war: 72.800 Euro muss man nun mindestens berappen, wenn man den tasmünchnerischen Teufel besitzen will. 

Die große Frage ist: Hat man da den Bogen am Ende vielleicht ein bisschen überspannt? Dem M2 sein Mojo entwendet? Ihn zwar schneller gemacht, aber gleichzeitig zu einem Auto, das die Fans nicht mehr wollen? Finden wir's heraus!

Na, jetzt bin ich aber gespannt! Ist er fürchterlich?

Nein ist er nicht. Ganz und gar nicht. Er ist absolut großartig. Sehr sehr anders als bisher, aber auf seine neue Art zweifelsfrei sensationell. Was so anders ist? Nun, kurz und knapp ausgedrückt: Im Vergleich zum Vorgänger fühlt sich der neue M2 an wie ein astreiner Tourenwagen.

Nein ernsthaft, das ist jetzt nicht das typische Blabla. Es ist das erste, was mir in den Sinn kam, als ich dieses Auto mit einer Geschwindigkeit, die du keinem erzählen darfst, einen absolut himmlischen Bergpass irgendwo im Nirgendwo von Arizona rauf und runter gedonnert bin. 

Im alten M2 sitzt du etwas hoch, teilweise ist die Front ein wenig undefiniert, es gibt durchaus Bewegung im Aufbau etwas Ungewissheit und wenn dein großer Zeh das Gas nur mit dem Fernglas anschaut, hauen die Hinterreifen schon panisch auf den Alarmknopf drauf. Im neuen G87 denkst du, sie hätten das Auto in ein unfassbar enges Korsett gepresst und damit schießen sie dich jetzt die Straße hoch. 

Eine Verzögerung in der Verarbeitung der eigenen Inputs ist quasi nicht zu spüren. Das Auto reagiert richtig aggressiv und ansatzlos auf alles, was man ihm so durch Lenkrad und Pedale befiehlt. Ein gewaltiger Unterschied zu vorher ist auch, wie wenig Flex und Neigung im Fahrzeug ist. Selbst bei extremen Richtungswechseln saugt sich der gesamte Aufbau förmlich an der Straße fest.

Der neue M2 fühlt sich unglaublich steif an. Sehr flach und sehr konzentriert. Man ist sehr eingebaut ins System. Das dürfte auch an der deutlich niedrigeren Sitzposition liegen. Die knallengen Schalensitze (eine von drei (!) Stuhl-Optionen) verstärken diesen Effekt natürlich. Ich will mich nicht um Kopf und Kragen reden, aber ein derart athletisches und blitzsauberes Fahrverhalten geht schon fast in Richtung Zuffenhausen.

Vorher war der M2 der Draufgänger-Typ, der dich ständig mit dummen Sprüchen vollquatscht, während er dich (zweifelsfrei sauschnell) durchs Kurvengeschlängel bringt. Jetzt hält er den Mund, setzt den Helm auf, kneift die Augen zusammen, spannt jeden Muskel an und ist ne halbe Stunde früher am Ziel.

Interessant ist auch die Vorderachse. Zuletzt hatte ich mal wieder einen M4 als Testwagen und das einzige, was ich wirklich schwach fand, war die absolute Taubheit und Künstlichkeit von Lenkung und Vorderwagen. Beim neuen M2 kommuniziert das alles deutlich besser. So richtig erklären konnte es mir keiner der anwesenden Ingenieure, denn das Setup ist im Prinzip gleich, aber ich bleibe dabei - hier fühlt es sich homogener und informativer an.

Die punktgenaue, extrem vertrauenerweckende Kontrolle über das Fahrzeug ist wirklich eines der herausragenden Features. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, wie viel Gewicht man hier mit sich rumschleppt.

Bleibt natürlich die Frage nach dem Unfug, den man mit dem Neuen so auf den Asphalt legen kann. Nun, Sie haben mit 460 PS mehr Kraft als je zuvor und nach wie vor geht alles davon strikt nach hinten. Obendrein ist jetzt ja auch die 10-stufige Traktionskontrolle mit von der Partie, mit der man den eigenen Klumpfuß Schritt für Schritt zum filigranen Drift-Instrument trainieren kann. Wer den Boden mit schwarzen Strichen ausmalen will, kann dies also nach wie vor tun. Aber mehr Überredungskunst ist jetzt schon gefragt. 

Das Grip-Niveau an der Hinterachse hat sich massiv erhöht. Das liegt unter anderem auch an der wesentlich größeren Aufstandsfläche der Reifen. Vorher waren es 245er vorne und 265er hinten. Jeweils in 19 Zoll. Jetzt kommen vorne 19-Zöller mit 275er-Gummis zum Einsatz, hinten sind es 20-Zöller mit 285er-Walzen. Man kann also früher ans Gas gehen, ohne mit permanenter Widerspenstigkeit des Hecks rechnen zu müssen. 

Und der Antrieb?

Über den S58-Dreiliter-Biturbo-Sechszylinder wurde glaube ich schon so gut wie alles gesagt. Und das auch von jedem. Hier zeigte er einmal mehr ein bissiges Ansprechverhalten und eine Drehlust, die sehr gut zum aggressiven Charakter des Autos passen. In diesem Fall  leistet er 460 PS und 550 Nm. Nochmal 10 PS mehr als im alten M2 CS, 20 PS weniger als im M3/M4 mit Handschalter.

An der grundsätzlichen Abstimmung hat man laut BMW nichts geändert. Umso überraschender war für mich folgende Beobachtung: Während das Aggregat in den großen Brüdern ein stattliches Gedenksekündchen vergehen lässt, bis ab knapp 3.000 Touren der Punk abgeht, war hier seltsamerweise schon merklich früher Alarm. 

Das ist natürlich gut, erklären konnte man's mir einmal mehr nicht. Womöglich lags am fehlenden Partikelfilter. Schließlich fuhr ich ein US-Modell. Der fehlende OPF hatte einen weiteren, sehr attraktiven Nebeneffekt: Der Klang im US-M2 war nämlich allererste Sahne. Schön laut, anstachelnd, rennig, mit ordentlich Geschrei Richtung 7.200er-Drehzahlgrenze. Ich fürchte, bei uns wird es ruhiger zugehen.

In puncto Getriebe werden sich einmal mehr die Geister scheiden. Natürlich ist es löblich, dass BMW nochmal den Handschalter rausholt. Ein wohlig warmes Geschenk an die Fans. Und eines, das auch angenommen wird. Man erwartet eine Quote von gut 25 Prozent. Nur so richtig empfehlen kann ich es einmal mehr nicht. 

Das Kupplungspedal ist recht lang, der Schaltweg zwar relativ kurz, aber knorpelig und mit schwammigem Endanschlag. Es ist einfach nicht so wirklich geil. Dazu kommt die gleiche Übersetzung wie bei M3/M4 und die ist für kurvige, enge Landstraßen oder Serpentinen zu lang. In engen Ecken verhungerst du fast im Zweiten. Bei Porsche kann ich verstehen, warum man den Handschalter wählt. Hier nicht so wirklich. 

Das liegt auch an der fantastischen Abstimmung des 8-Gang-Automaten, der den Charakter des M2 tatsächlich verwandelt. Das sage nicht nur ich, das sagen sogar die BMW-Jungs selbst. Das Auto wirkt umtriebiger, wepsiger und einfach schneller.

Wie ist er innen?

Machen wir's kurz: Wer einen M3, einen M4 oder irgendeinen anderen aktuellen M kennt, findet sich hier sofort zurecht. Die verbesserte, weil deutlich niedrigere Sitzposition sprach ich bereits an. Die Schalensitze bleiben Geschmacksache - sie sind sehr eng und beim Aussteigen sieht man peinlich aus, aber natürlich halten sie wie der viel bemühte Schraubstock. Außerdem sparen sie gut 11 Kilo Gewicht und das kann hier ja definitiv nicht schaden. 

Das große Curved Display haben wir jetzt auch schon das ein oder andere Mal besprochen. Es ist - in Verbindung mit dem Dreh-Drück-Steller, der beim M2 ja Gott sei Dank noch vorhanden ist - insgesamt eine Verbesserung. Alleine schon, weil die Anzeigen im Instrumentendisplay deutlich übersichtlicher gestaltet wurden. Leider fehlt auch hier der praktische Button unter dem Infotainmentscreen, der mit einem Klick alle Fahrassistenten deaktivierte.

Und das Lenkrad ist mir nach wie vor zu dick und schwulstig, aber da ist sicher jeder anders. 

Fazit: 9/10

Der BMW M2 hat einen spürbaren Charakterwechsel vollzogen. Vom sauschnellen aber teils etwas wilden Hallodri hin zu einem ernstzunehmenden Sportwagen, der nicht nur auf der Rundstrecke Kreise um den Vorgänger fahren dürfte. 

Dass er besser liegt, weniger verspielt ist und nicht mehr bei jeder Gelegenheit den Hintern raushängen lässt, könnte den ein oder anderen stören, letztlich muss man aber attestieren, dass dieses Auto fahrdynamisch absolut begeistert und sehr sehr viel Spaß macht. Für mich involvierender und mitreißender als ein M4. Ein würdiges 9-Punkte-Auto.

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