Hier wurde das geräumige Steilheck auf Sparsamkeit getrimmt








Wir müssen unseren Altblech-Fahrbericht mit einer Bildbetrachtung beginnen. Dieses Pressefoto ist aus dem Jahr 1987 und zeigt das gesamte Pkw-Modellprogramm der Marke VW. Wo heute der Konfigurator fast überquillt, geht es damals noch ziemlich überschaubar zu.
Polo, Derby, Golf, Golf Cabrio, Jetta, Scirocco, Passat. Fertig. Mehr gibt es damals nicht. Warum ich Ihnen das erzähle? Nun, es erklärt, warum bestimmte Baureihen von VW damals omnipräsent waren. Alleine auf den Polo entfallen im Jahr 1986 ungefähr 56.000 Neuzulassungen in Deutschland. Zum Vergleich: 2024 sind es noch knapp 37.000.
In meiner Kindheit und Jugend ist es rückblickend nicht anders: Mein Bruder bekommt einen roten Polo Fox als Gebrauchtwagen, die Kollegin meiner Mutter fährt den Polo Beach mit weißen Radkappen. Noch 1997 fahren meine Kameraden von der Bundeswehr und ich in einem vollbesetzten Polo II zum nächsten Hauptbahnhof. Drei Jahre zuvor rollt der letzte VW Polo II vom Band - nach insgesamt 13 Jahren Produktionszeit und rund 2,7 Millionen Gesamtproduktion weltweit.
Ergo ist es ein vertrauter Anblick für mich, als ich im Rahmen des CDE Classic Events an der Loh Collection auf den dort geparkten Polo II von Volkswagen Classic zugehe. Es handelt sich um das Steilheck mit bis zu 975 Liter Kofferraumvolumen, in das sogar eine Waschmaschine hineinpasst. Fragen Sie meinen Bruder. Selbst Nutzvieh soll in manchem Polo gesichtet worden sein, weshalb intern der Name "Schweinepolo" für die 86C-Baureihe kursiert.
Die Formgebung irritiert so manchen Betrachter, als die zweite Polo-Generation präsentiert wird. Im September 1981 stellt Volkswagen sie vor. Bei vergleichbaren Grundabmessungen erhält der Polo II eine komplett neue Karosserie, die gegenüber dem grazilen Vorgänger deutlich stämmiger wirkt und mit ihrem unkonventionellen Steilheck mehr Kopffreiheit im Fond bietet.
Das Komfortmaß ist mit 180 Zentimetern fast gleichgeblieben, in den Pressetexten wird mit zwölf Millimetern mehr Raumlänge geworben. Das Kofferraumvolumen bleibt fast unverändert. Der cw-Wert ist mit 0,39 besser als bei den Wettbewerbern seiner Klasse. Auch der Polo II ist ein leichtes Auto, er wiegt in der Basisausführung nur 770 Kilogramm (anderen Quellen zufolge sogar nur 700). Ab 1982 bietet Volkswagen den Polo auch als zweitüriges "Coupé" mit Schrägheck an.
Der 900-ccm-Motor wird auf 1.050 ccm aufgebohrt (Zeitgenossen kennen diese Hubraumklasse aus dem Motorsport). Dieser arbeitet nach dem HCS- (High Compression and Squish) Verfahren, mit einer Verdichtung von 9,5 : 1, und bietet so mehr Drehmoment und Wirtschaftlichkeit bei unveränderter Leistung von 40 PS. Getankt wird Normalbenzin. Der Verbrauch wird um vier Prozent gesenkt.
Der VW Polo II ist mit folgenden Motorisierungen erhältlich: 1,05 Liter (40 PS), 1,1 Liter (50 PS), 1,3 Liter (60 PS). Zusätzlich wird der Polo bis Mitte 1985 auch als Formel E angeboten - mit Spoiler am Heck, 3+E-Getriebe und Economy-Anzeige im Cockpit. So soll er noch mehr knausern, das "E" beim Getriebe steht für einen besonders lang übersetzten Autobahn-Gang.
Bilder von: Motor1.com Deutschland
Die dick eingerahmte Heckscheibe fällt mir sofort auf. Sie erinnert ein wenig an den ganz neuen Renault Twingo Electric. Unabhängig von der Karosserieform sind alle Polo II 3,65 Meter lang, mein Formel E (damals waren noch keine Elektrorennwagen gemeint) steht auf Reifen des Formats 145 SR 13. 710 Kilogramm Leergewicht geben zeitgenössische Datensammlungen an.
Ich steige ein. Und bestaune die zeitgeistigen Karo-Sitze. Das ist es auch schon an modischen Dingen, der Polo gibt sich innen ansonsten maximal funktional. Tacho, große Zeituhr, ein paar Lämpchen, Schalthebel, großes Lenkrad. Fertig. Welch eine Wohltat angesichts heutiger Display-Auswüchse in Autos. Ganz zu schweigen von der Übersicht. Man fühlt sich wie der Fisch im Aquarium.
Nur habe ich Arme. Und die brauche ich auch, denn dieser Polo Formel E hat keine Servolenkung an Bord. Beim Einparken ist trotz des niedrigen Fahrzeuggewichts Kurbelei nötig. Unter der Haube steckt ein unauffälliger, aber höher verdichteter 1,1-Liter-Vierzylinder mit 50 PS Leistung und 82 Newtonmeter Drehmoment bei 3.300 U/min. Das ist eine durchaus spaßige Angelegenheit.
15,4 Sekunden auf 100 km/h stehen zwar offiziell auf dem Papier. In der Realität fühlt sich der Polo aber flotter an. Bis es ins Mittelgebirge geht. Bergauf schnürt der E-Gang den Polo ab, also schalte ich lieber zurück. Indes hatte der Formel E durchaus seine Berechtigung: 6,9 Liter Verbrauch laut Werksangabe sind seinerzeit satte 1,4 Liter weniger als beim normalen Polo mit gleichem Hubraum. Während meiner Fahrt denke ich mir: Eigentlich reicht dieses Auto vollkommen. Wobei: So ganz ohne Airbag ...?
Eines hat sich aber in über 40 Jahren nicht geändert: Ein VW ist nicht wirklich preiswert. Exakt 13.876,72 Mark ruft VW zum Modelljahr 1984 für den Polo CL Formel E auf. Der normale CL ist über 700 DM günstiger. Und für 13.490 Mark gibt es damals schon einen Basis-Golf C mit 55 PS.