Der große Bruder des R5 bietet mehr Platz für Menschen und Material, aber die gleiche Technik
Auf den elektrischen Renault 5 folgt der elektrische R4. Die Technik ist ähnlich. Aber wegen der größeren Karosserie verspricht der Neuling mehr Platz für Menschen und Material. Er ist bereits seit März bestellbar und wird ab Ende Juni ausgeliefert. Ich habe das kleine Elektro-SUV bereits in Portugal getestet.
Während es den kleineren Renault 5 mit 70, 90 und 110 kW gibt, wird der Renault 4 E-Tech Electric nur in den beiden stärkeren Versionen angeboten. Der Aufpreis für die getestete 110-kW-Variante beträgt 3.000 Euro; dafür spart man sich eine Sekunde beim Normsprint, bekommt 100 km mehr Reichweite sowie mehr Ladeleistung. Hier die wichtigsten Daten:
Exterieur/Maße | Interieur/Bedienung | Fahreindrücke | Preise/Rivalen
Der R4 misst 4,14 Meter in der Länge und ist mit der Dachreling 1,57 m hoch. Für mich gehört er damit in die Schublade Kleinwagen-SUVs, obwohl die Grenzen da fließend sind. Für die Kategorie SUV sprechen jedenfalls die hohe Bodenfreiheit von 18,1 cm (fast vier Zentimeter mehr als beim R5), und die robuste Optik mit den eckigen, schwarzen Karosserieschutzleisten. Im Vergleich mit dem historischen R4, der in Portugal durchaus noch ab und zu zu sehen ist, wirkt der Neuling überdimensional:
Ich habe auch Schwierigkeiten, das historische Vorbild zu erkennen. Die Optik finde ich bei weitem nicht so gelungen wie beim R5, aber das ist Geschmackssache. Die Front mit der schwarzen Blende, die bei Nacht einen leuchtenden Rand zeigt, und die runden Lichter sind schon sehr schick. Auch die Farbauswahl überzeugt: Neben Weiß, Schwarz und Grau werden auch etliche freundliche Farben angeboten, darunter das schöne Hellblau und das helle Türkis, die auf unseren Bildern zu sehen sind.
Für den R4 ist auch ein großes Rolldach angekündigt; es öffnet sich ziemlich weit und soll mit rund 1.500 Euro erschwinglich bleiben. Es soll noch dieses Jahr verfügbar sein, aber wann genau, konnte Renault noch nicht sagen.
Die Türen haben konventionelle Bügelgriffe, Keycard Handsfree ist Serie. Letzteres bedeutet aber nicht, dass der Wagen bei Annäherung automatisch entriegelt wird - man muss immer das Knöpfchen an der Fernbedienung drücken. Auch zum Start des Antriebssystems muss unnötigerweise immer noch ein Startknopf betätigt werden. Dagegen hat Renault den Parkmodus P weggelassen: An Steigungen bremst sich der Wagen ohnehin automatisch fest, und das gleiche passiert, wenn man den Wagen verlässt. Wer dennoch sicher gehen will, kann die Taste für die Parkbremse in der Mittelkonsole nutzen.
Innen guckt man auf zwei Displays im Querformat, die direkt nebeneinander liegen. Das Instrumentendisplay misst in der Basisversion Evolution nur sieben Zoll; ab der nächsthöheren Ausstattung Techno haben beide Monitore eine Diagonale von 10 Zoll. Die Animationen und Grafiken auf dem konfigurierbare Instrumentendisplay sind sehr überzeugend; sie wirken frisch, modern und reaktionsschnell. Man kann dort sogar die Navi-Karte anzeigen lassen. Auch die Anzeigen auf dem Touchscreen sind gut. Das Betriebssystem basiert auf Android Auto, so dass man das wohl den meisten vertraute Google Maps und die Sprachbedienung Google Assistant nutzen kann.
Auch eine Ladeplanung von Lissabon nach Barcelona erstellte das System problemlos und schnell; die passenden Ladestationen wurden automatisch eingeplant, ohne dass man das eigens befehlen muss. Laut Renault soll man auch nach Ladeanbieter filtern und die Mindestladung einstellen können, die man am Lader noch in Reserve haben möchte. Die Batterie wird automatisch auf das Schnellladen vorbereitet. Aufgeladen wird mit bis zu 100 kW; die Ladegeschwindigkeit von 1,1 kWh/min ist nicht berauschend, aber typisch für das Segment.
Öfter dürfte der Wagen an der Wallbox geladen werden. Wenn diese in einer engen Garage hängt, ist die Position des Ladeports links vorne praktisch; unpraktisch ist sie, wenn man einen AC-Lader am Straßenrand nutzen will.
Einen Malus gibt es für die arg unscharfe Darstellung der Rückfahrkamera. Die reicht für ihren praktischen Zweck - das Erkennen von Hindernissen -, aber zeitgemäß ist die Bildqualität nicht mehr.
Die Modi R, N und D werden wie beim Renault 5 mit einem Hebel rechts am Lenkrad aktiviert. Hier gibt es gleich drei Hebel untereinander. Anders als die sorgfältig testenden, britischen Kollegen von Autocar und Autoexpress verwechselte ich die Hebel nie; meiner Ansicht nach sind weit voneinander entfernt. Die Spiegel werden konventionell per Wippe in den Türen eingestellt, außerdem gibt es vier Knöpfe für die vier Fensterheber - beides ist praktisch, aber nicht mehr selbstverständlich. Auch sonst hat Renault nicht mit physischen Bedienelementen gespart.
Wirklich Mühe gegeben hat sich Renault auch beim Innenraumdesign. Die gefahrene Techno-Version hat einen schicken Jeansstoff mit Nähten auf dem Armaturenbrett und an den Sitzen, alternativ gibt es für die Iconic-Variante ein neoprenartiges Material. All das sowie den netten Baguette-Halter kennen wir schon vom Renault 5 her. Der Dachhimmel ist weich gepolstert, was zum Geräuschkomfort beitragen dürfte. Der ist lobenswert. Dass die Seitenscheiben lediglich einlagig sind, merkt man nur selten.
Auch die Sitze machen einen ordentlichen Eindruck, sie haben hohe Seitenwangen, die einen in Kurven gut festhalten. Das rechte Knie meines 1,86 großen Kollegen kam allerdings der eckigen Mittelkonsole bedrohlich nahe. Im Fond hatten wir beide genug Kopf- und Kniefreiheit. Auf der Fahrerseite allerdings kann man die Füße nur eingeschränkt unter den Vordersitz schieben, weil dort ein elektrisches Teil installiert ist (möglicherweise die Hydraulik für die Lordosenverstellung). Insgesamt sind die Platzverhältnisse im Fond aber für ein nur 4,14 m langes Auto in Ordnung. Man fühlt sich im Fond deutlich wohler als im kleinen Renault 5.
Öffnet man die Heckklappe (bei Iconic serienmäßig per Fußgeste möglich), guckt man in einen wirklich groß wirkenden Kofferraum. Die Ladekante liegt wie beim historischen Vorbild sehr niedrig, was beim Einladen helfen kann, weil man den schweren Bierkasten nicht so weit vom Boden anheben muss - weniger praktisch ist es, wenn der Bierkasten schon an den Armen hängt, denn dann muss man sich bücken.
Die Tiefe des Raums überzeugt, und wegen der hohen Fensterlinie ist der Kofferraum auch sehr hoch. Und wer ein Billy-Regal bei Ikea kauft, kann es dank umklappbarem Beifahrersitz transportieren - die maximale Ladelänge liegt bei 2,20 Meter. Beim Umklappen der Sitze ergibt sich jedoch kein ebener Ladeboden.
Was die Kofferraumvolumen angeht, erlebten wir einen kleinen Schockmoment: Die von Renault angegebenen Werte (bei allen Modellen, nicht nur beim R4) beziehen sich nicht auf die normalerweise verwendete VDA-Norm, bei der Unterboden-Fächer nicht dazu zählen. Nach Norm sind es nur 339 bis 1.149 Liter. Das sollten Sie beim Vergleich mit Konkurrenzmodellen berücksichtigen.
Der Frontantrieb mit 110 kW bringt die rund 1,5 Tonnen schwere Fuhre sehr gut in Schwung. Vor allem, wenn man über den Knopf rechts unten am Lenkrad den Sport-Modus aktiviert, reagiert der Wagen schnell. Dann fühlt man sich regelrecht in den Sitz gedrückt, was wohl am recht hohen Drehmoment von 245 Nm liegt. Und der Vorwärtsdrang lässt auch bei Geschwindigkeiten über 100 km/h kaum nach wie bei anderen kleinen Stromern.
Ebenfalls positiv ist der offenbar niedrige Praxisverbrauch: Auf unserer zweieinhalbstündigen Testfahrt brauchten mein abwechselnd fahrender Kollege und ich nur 11,8 kWh/100 km, wobei der Autobahnanteil allerdings gering war. Auf der Rückfahrt mit hohem Autobahnanteil (aber nur selten mal 120 km/h) benötigten wir 15,8 kWh/100 km. Nach Norm sind es 15,1 kWh - was deutlich mehr ist als die 13,1 kWh des ähnlich großen und starken Ford Puma Gen-E.
Die Rekuperation lässt sich dreistufig über Lenkradwippen einstellen, wobei die stärkste Stufe das One Pedal Driving ermöglicht. Das soll bald auch bei den anderen Renault-Stromern so sein, wobei sogar eine Nachrüstung per Over-the-Air-Update geplant ist. Der R5 erhält das Update allerdings erst Anfang 2026.
Das Rekuperations-System ist sehr gut und leicht verständlich. Im One-Pedal-Modus lässt sich das Auto wirklich bis auf Notbremsungen nur mit dem Gasfuß fahren und man kommt allein durch Freigeben des Gaspedals bis zum Stand. Neben diesem Modus gibt es noch zwei leichtere Rekuperationsstufen. Die Logik erinnert an Hyundai und Kia, wobei nur die adaptive Rekuperation fehlt.
Auch der Abstandstempomat funktioniert gut; er setzt sogar automatisch das eingestellte Tempo herab, wenn man auf einen Kreisverkehr oder eine scharfe Kurve zufährt - das kenne ich bei keinem anderen Auto des Kleinwagensegments. Eine Möglichkeit zur automatischen Übernahme des Tempolimits habe ich allerdings nicht gefunden.
Ein besonders dickes Lob verdient das Fahrwerk. Auf den teils wirklich schlechten Straßenbelägen mit so manchem Schlagloch schlug sich der Renault 4 sehr gut. Trotz des hohen Komforts wankt er kaum in der Kurve. Und auf der Autobahn fährt er auch ohne Spurhalteassistent verlässlich geradeaus.
Die Preise für den Renault 4 mit 110-kW-Antrieb beginnen bei 32.400 Euro. Dafür erhält man die Ausstattung Evolution, mit der man auskommen kann, sofern man noch die Sitzheizung für 350 Euro dazubestellt. Eine Wärmepumpe ist hier schon an Bord, genauso wie der 11-kW-Bordlader. Verzichten muss man allerdings auf das große Instrumentendisplay sowie die einstellbare Rekuperation. Die nächsthöhere Version namens Techno für 2.000 Euro mehr bietet diese Elemente, aber auch hier muss man für die Sitzheizung extra zahlen (500 Euro inklusive Lenkradheizung).
Zu den Rivalen des elektrischen R4 gehören kleinere Modelle wie Fiat Grande Panda und Hyundai Inster, mit denen wir bereits verglichen haben. Sie sind günstiger und haben teils spezifische Stärken, aber ein Modell mit 400 km Reichweite gibt es dort nicht. Die bietet unsere 110-kW-Version für 32.900 Euro. Diese konkurriert eher mit Modellen wie dem Mini Aceman SE (405 km Reichweite), der mit 160 kW motorisch überlegen ist. Es gibt ihn ab 34.150 Euro. Im Vergleich wirkt das Aceman-Fahrwerk aber deutlich härter.
Eine andere Alternative ist der Ford Puma Gen-E, der mit 124 kW und 378 km Reichweite zu einem rabattierten Preis von 35.055 Euro angeboten wird. Seine Stärke ist der Fahrspaß auf kurvigen Landstraßen. Renault nennt als Rivalen auch den Fiat 600 Elektro und den Jeep Avenger, die ich nicht einschätzen kann, weil ich sie noch nicht getestet habe.
Antrieb, Rekuperationssystem, Bedienung, Ladeplanung, Innenraumdesign und Platzverhältnisse: Der Renault 4 E-Tech Electric mit 110 kW hat uns rundum zufriedengestellt. Die wenigen Kritikpunkte (wie die schlechte Rückfahrkamera, das fehlende Entriegeln bei Annäherung oder der nicht ebene Ladeboden) sind verschmerzbar.