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Alles auf (Signal)Grün: Unterwegs im Audi 80 GTE von 1976

Vor 50 Jahren wagte die Marke einen ersten sportlichen Ausflug. Wir sind die 110 PS starke Limousine gefahren.

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Le Mans, Rallye, Röhrl, Tourenwagen, bald Formel 1: Heutzutage ist die Marke Audi aus dem Motorsport nicht mehr wegzudenken. Und auch die Silberpfeile der Auto Union aus den 1930er-Jahren sind wichtiger Teil der schnellen Vergangenheit. Doch nach der Wiedergeburt von Audi im Jahr 1965 lässt man es erst einmal ruhig angehen. Zwar gibt es im großen 100er durchaus schon 100 PS und mehr. 

Die Werbung spricht beim Audi 100 Coupé S ab 1970 gar von einer neuen "Sportfahrer-Klasse". Aber wer wirklich flott ums Eck will, besucht bevorzugt den BMW-Händler. 1972 kommt der brandneue Audi 80 auf den Markt, dessen erste Generation sich in sechs Jahren über eine Million mal verkauft und zur Grundlage für den ersten VW Passat wird. Schon bald merken die Audi-Ingenieure: Aus dem EA-827-Vierzylinder und dem Fahrwerk ist noch einiges herauszuholen.

Audi 80 GTE (1976) bei der Donau Classic 2025

Mehr Sport ab 1973

Ende 1973 debütiert der Audi 80 GT mit 100 PS, zwei Türen und sportlicher Aufmachung. Aber auch er trägt den Nerz noch nach innen. Vermutlich ist man aufgrund der kurz zuvor entstandenen Ölkrise vorsichtig. Erst 1975 wagen sich die Vier Ringe aus der Deckung und setzen beim GT-Motor eine Schippe drauf. Respektive einen entscheidenden Buchstaben: E wie Einspritzung.

Genauer gesagt: die K-Jetronic von Bosch. Hinzu kommen größere Einlassventile, Muldenkolben und Änderungen an der Zündung. Das Resultat sind 110 PS und 140 Newtonmeter Drehmoment bei 4.000 U/min. Klingt heute nicht nach viel, doch der 4,20 Meter lange Audi 80 GTE wiegt leer lediglich 855 Kilogramm. 9,2 Sekunden auf Tempo 100 und 181 km/h Spitze können sich vor 50 Jahren sehen lassen. 

Exakt 15.180 DM kostet der zweitürige 80 GTE im August 1976, für den es auch ein wildes Rallye-Paket mit schwarzer Motorhaube gibt. Der im gleichen Jahr nachgereichte Viertürer ist 525 Mark teurer. Inklusive sind unter anderem eine Mittelkonsole mit Voltmeter und Ölthermometer, ein Dreispeichen-Sportlenkrad und "Sitzbezüge in luxuriöser Qualität und mit speziellem Schweißbild". (Nun gut, das Schweißbild haben die Insassen auch, dazu später mehr ...)

BMW im Blick

Mit dabei sind zudem Stahlgürtelreifen im Format 175/70 HR 13 samt besonderen Radkappen. Und bei unserem Testfahrzeug noch das Stahlkurbeldach für 599 Mark. Im Blick hat Audi damals unter anderem den BMW 320i, der aus 2,0 Liter Hubraum 125 PS holt, aber rund 4.000 Mark teurer ist. Jedoch bietet der BMW den für flotte Fahrer attraktiveren Heckantrieb, weshalb der frontgetriebene Audi eher selten bleibt. Exakt 11.878 Fahrzeuge entstehen inklusive der Facelift-Version bis 1979.

Trotzdem sollte man den 80 GTE nicht vergessen. Denn sein 1,6-Liter-Motor kommt auch im ersten VW Golf GTI zum Einsatz und macht diesen zur Legende. Legendär bleibt auch unser Einsatz bei der Oldtimer-Rallye "Donau Classic" 2025. Und das nicht nur, weil der Wagen im grellen "Signalgrün" (L 62 Y) lackiert ist. Wobei: Grün ist die Farbe der Hoffnung. Und die Farbe des Punktsiegers bei der Tour de France. Da kann ja nichts mehr schiefgehen. Oder, Kollege Wagner?

Gleiche Rallye, aber doppelte Pferdestärken

Nun, eigentlich überhaupt gar nichts kann da schiefgehen, werter Kollege Hildebrandt. Denn endlich sind wir auf der wunderbaren Rallye kreuz und quer durchs Altmühltal, Niederbayern und Teile der Oberpfalz mit etwas Ähnlichem wie Leistung gesegnet. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an unser letztes gemeinsames Stelldichein vor drei Jahren. Damals begingen wir erwähnten 50. Geburtstag des Audi 80 in größtmöglicher Demut und Spärlichkeit mit 1,3 Liter Hubraum und 55 PS. Eine flotte Sause war das wahrlich nicht. Immerhin weiß ich nun, wie es sich anfühlt, wenn man zwei Tage lang ausschließlich Vollgas fährt. 

In unserem diesjährigen Begleiter ist eine derartige Malträtierung des Gaspedals freilich nicht von Nöten. Zumindest nicht die ganze Zeit. Denn nicht nur wenn man sich selbst im Geiste 50 Jahre zurück beamt, fühlt sich das hier brauchbar flott an. Wobei das Sauger-typisch gute Ansprechverhalten und der sehr ordentliche Biss im mittleren Drehzahlbereich zu den Stärken des Aggregats gehören. Eine ausgeprägte oder gar lustvolle Drehfreude eher wenig bis gar nicht. Zumindest in dieser Applikation. 

Ab 5.000 Touren quält er sich schon ordentlich, der Einssechser-8V mit seinen 137 Nm (oder 140, die Gelehrten sind sich uneins). Bis er sich dann, begleitet von fast schon schmerzhaften Vibrationen und ungefilterten Hilfeschreien, bei 6.500 U/min mit letzter Kraft in den Begrenzer rettet. Wobei das mit den Hilfeschreien womöglich etwas unfair ist. Denn anders als im Stand oder bei moderatem Gaseinsatz, wo der GTE weitgehend fad intoniert, steigert er sich unter Volllast zu einem durchaus rennigen, schön mechanischen und recht eindringlichen Crescendo. 

Fronttriebler mit feiner Schaltung

Ein ausdrückliches Lob verdient zudem das überraschend kurz, sauber und bar jeglicher Widerspenstigkeit durch die Gassen flutschende 4-Gang-Schaltgetriebe. Na gut, der Dritte muss hin und wieder ein wenig zu seinem Glück gezwungen werden, aber diese Schaltung würde auch heute noch in einem sportlichen Fahrzeug eine mehr als gute Figur machen. Toll! 

So ein bisschen das Problem an lediglich vier Vorwärtsgängen ist zwangsläufig eine recht lange Übersetzung. Und während bis 100 km/h schön Zug drin ist im System, wird es spätestens ab 120 Sachen doch ein wenig zäh mit dem Vorwärtsdrang. Für die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 181 km/h sollte das freie Autobahnstück also von der längeren Sorte sein. 

Zudem sollte man sich in fahrdynamischer Hinsicht vom GTE trotz seiner Potenz und des selbstbewussten Auftritts mit Vier-Augen-Gesicht, Nebelscheinwerfern und schwarzer Heckverkleidung nicht blenden lassen. In seinem Wesen bleibt er ein kreuzbraver Fronttriebler.

Dass er recht viel Spiel in der Lenkung hat und sich in Kurven ordentlich neigt, ist natürlich seinem Alter geschuldet. Zudem könnten Sie wohl auch einen 40-Tonner auf dem Bremspedal abstellen und die Bremswirkung wäre eher lässig. Aber das war zu der Zeit nun mal so und zaubert einem heute beim Fahren eher ein Lächeln ins Gesicht.

Um sich als echter Adrenalin-Junkie zu qualifizieren, gibt er sich letztlich auch in schneller gefahrenen Kurven nicht aufregend genug, schiebt schon früh über die Vorderachse nach außen und hat auch unter Zwang (Gas lupfen in der Kurve) wenig Lust, die Linie per eindrehendem Heck zu schärfen. 

Attraktiv, aber inzwischen selten

So nährt sich die Faszination für dieses heute etwas unter dem Radar laufende Sport-Modell vor allem aus der optischen Attraktivität (nicht nur aufgrund der grandiosen Farbe waren wir das gesamte Wochenende lang unter den zahlreichen Schaulustigen am Straßenrand der absolute Hit), dem kernig-motivierten Antriebsstrang und nicht zuletzt auch aus dem topfitten Innenraum.

Dazu zählen die coolen Ausstellfenster vorne, welche die angesprochenen Schweißbilder (was man bei 32 Grad nicht alles für eine Klimaanlage tun würde) bei Team Motor1 zumindest nicht komplett ausufern ließen. Aber auch das kultige, wenn auch etwas arg große Sportlenkrad, die herrlichen Instrumente, der sportlich-kurze Schaltknauf und die schicken Pepita-Sitze. Zudem bietet die Audi 80 Limousine im Fond erstaunlich viel Platz, wenn man darauf auch einsinkt, als setzte man sich gerade in einen Trog Schlagsahne.

Na, haben Sie jetzt Lust auf einen alten Audi 80 GTE bekommen? Teuer ist er nicht: Ein Vor-Facelift-Modell notiert im guten Zustand bei knapp 15.000 Euro. Aber erstmal solch ein Fahrzeug finden ...

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