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Verbrenner-Aus 2035: Mercedes-Chef fordert EU-Kurswechsel

Källenius hält den bisherigen Plan für "nicht machbar", Kia widerspricht

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Vor ein paar Wochen hat Mercedes-CEO Ola Källenius schonungslos ehrlich gesagt, wo er Europas Autoindustrie hinrasen sieht.

Im Gespräch mit dem Handelsblatt meinte er, die EU brauche dringend einen "Realitätscheck", sonst steuere man "mit Vollgas gegen die Wand" - und drohe sogar zu "kollabieren". Gemeint ist das geplante Verkaufsverbot für Neuwagen mit Verbrennungsmotor, das 2035 in Kraft treten soll.

Jetzt meldet sich Mercedes-Chef Källenius in seiner zweiten Rolle zu Wort: Als Präsident des europäischen Autoherstellerverbands ACEA fordert er von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, das umstrittene Verbot zu überdenken. In einem offenen Brief schreibt der Schwede, die "Welt habe sich drastisch verändert", seit die Pläne vor ein paar Jahren beschlossen wurden.

 

Für ihn ist es eine "zu enge Annahme", dass Dekarbonisierung nur darüber funktionieren könne, ab Mitte des nächsten Jahrzehnts Benziner und Diesel zu verbieten. Zusammen mit Matthias Zink, Chef des europäischen Zuliefererverbands CLEPA, kritisiert er die "starren CO2-Ziele für Pkw und Transporter". 0 Gramm pro Kilometer in nur neun Jahren seien "einfach nicht mehr machbar".

Ganz dicht macht er die Tür aber nicht: Källenius sieht noch ein "letztes Zeitfenster", um den Kurs zu korrigieren - schon nächsten Monat. Am 12. September 2025 steht das Thema im Strategiedialog auf der Agenda. Dann könnte das Verbot geprüft und eventuell verschoben werden. Dass die Autobauer im ACEA sich weiter klar zu Klimaneutralität bis 2050 bekennen, betont er. Aber: Das Verbrenner-Aus 2035 sei vorschnell (Zur Info: Das Verbot wurde vom EU-Parlament bereits im März 2023 beschlossen).

Doch längst nicht alle sehen das so. Kia etwa vertritt die gegenteilige Meinung. Europas Markenchef Marc Hedrich sagte zu Automotive News: Würde das Verbot gekippt, "würde uns das ein Vermögen kosten". Kia habe eine "Lawine an Elektroautos in der Pipeline", und deren Start zu bremsen, nur um Benziner länger im Programm zu lassen, schade der Profitabilität. Kia gehört zwar nicht zur ACEA, die Mutter Hyundai allerdings schon.

Die EU hat das 2035-Aus zwar erst dieses Jahr bekräftigt, den Herstellern aber etwas Luft verschafft: Die CO2-Ziele ab 2025 müssen nicht mehr strikt jahresweise erfüllt werden. Stattdessen dürfen die Werte für 2025 bis 2027 im Schnitt erreicht werden. Trotzdem: Die Grenzwerte für diesen Zeitraum liegen 15 Prozent unter denen von 2021 bis 2024, Flotten müssen also im Schnitt 93,6 g/km erreichen.

Und das ist nur der Anfang. Von 2030 bis 2034 sinkt das Limit auf 49,5 g/km, ab 2035 dann auf 0 g/km - womit de facto nur noch Elektroautos erlaubt wären. Klar, dass die Branche da ins Schwitzen kommt. Stellantis etwa sagt, allein die Regulierungsarbeit fresse 25 Prozent aller Ingenieursstunden - "ohne dass damit ein Wert geschaffen wird".

Egal wie die Entscheidung ausfällt: Das 2035-Verbot wird globale Folgen haben, weit über die EU hinaus. Würden Hersteller gezwungen, in einem so wichtigen Markt den Verbrenner zu beerdigen, hätte das massiven Einfluss auf weltweite Modellstrategien. Die Skaleneffekte würden wegbrechen - manche Benziner könnten so schlicht unwirtschaftlich werden und komplett aus dem Programm fliegen.

Anmerkung der deutschen Redaktion: Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der weltweite CO2-Ausstoß dringend reduziert werden muss, um eine noch rasantere globale Erwärmung um mehr als 1,5 Grad verhindern zu können. Aktuelle Studien zeigen, dass Neutralität bis 2050 nicht ausreichen wird.

Der Mobilitätssektor kann und muss seinen Anteil dazu beisteuern. Ein Ausbau eines E-Fuel-Netzwerkes ist derzeit kaum mehr realistisch, um Verbrenner auch nach 2035 weiter CO2-Neutral betreiben zu können. Am Ende nützt es auch der Automobilindustrie wenig, wenn sie ihre Grundlage für den Verkauf zerstört. Um es mit Schiller abzuschließen: "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit."

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