Die zweitürige Elektro-Studie ist der Beweis dafür, dass Mercedes immer noch weiß, wie man ein richtig gutes Auto entwirft
Das ist der Mercedes-Benz Vision Iconic. Er ist die neueste Studie der Stuttgarter und soll eine Brücke zwischen den ikonischen Autos der 1930er Jahre und der nächsten Generation von Mercedes-Benz-Modellen schlagen.
Seine lange Motorhaube erinnert an die Grand Tourer der Vorkriegszeit. Der gewaltige beleuchtete Kühlergrill ist eine Neuinterpretation der legendären aufrechten Kühlergrills von Fahrzeugen wie dem W108, W111 und dem 600 Pullman. Er dürfte - im positiven Sinne - hohe Wellen schlagen. Auch der Stern auf der Motorhaube erinnert an die gute alte Zeit. Er ist ebenfalls beleuchtet.
Das Heck ist inspiriert vom ersten Supersportwagen der Welt, dem 300 SL. Es zeigt sich simpel, ein wenig bedrohlich und ziemlich atemberaubend. Normalerweise ist eine derart ausufernde Motorhaube bei einem Elektroauto reine Platzverschwendung, aber hier geht es um den Gipfel von Luxus und Design.
Die Schwaben experimentierten bei ihren E-Limousinen EQS und EQE im Namen der Effizienz mit Formen, die eher an Bohnen, Computermäuse oder Seifenstücke erinnern. Besonders gut lief das nicht. Jetzt folgt der radikale Schritt zurück zu den eigenen Wurzeln. In diesem Fall fällt es nicht besonders schwer, das gut zu heißen.
Der viel zitierte Batmobil-Vergleich drängt sich unweigerlich auf, aber man darf davon ausgehen, dass dieses Concept Car eine Menge Begehrlichkeiten wecken wird.
Das Äußere des Vision Iconic ist mit einem schwarzen Solarlack überzogen, der sich laut Mercedes wie eine hauchdünne Paste auf die Karosserie auftragen lässt. Unter idealen Bedingungen könnte ein Mittelklasse-SUV mit einer Fläche von 11 Quadratmetern, das mit der innovativen Solarbeschichtung bedeckt ist, im Jahr Energie für eine Fahrstrecke von bis zu 12.000 Kilometer produzieren, sagt Mercedes. Die integrierten Zellen haben einen Wirkungsgrad von 20 %, was dem Wirkungsgrad der meisten heute auf dem Markt erhältlichen Solarzellen entspricht.
Auch im Innenraum macht der Vision Iconic (zumindest optisch) die Rolle rückwärts. Zuletzt hagelte es vermehrt Kritik für die monumentalen Bildschirm-Landschaften in neueren Mercedes-Modellen wie dem elektrischen GLC. Die luxuriöse Coupé-Studie kommt nun mit einem "hyper-analogen" Armaturenbrett mit einer vom Art-Déco-Stil inspirierten, schwebenden "Zeppelin"-Glasstruktur.
Wenn eine Tür geöffnet wird, startet das Kombiinstrument eine "filmreife" und vollständig analoge Animation, die von High-End-Chronographen inspiriert ist. Der Stern bezeichnet das Bedienkonzept ganz bescheiden als "majestätisch". Es soll die Technologie nahtlos in den sonst analogen Innenraum integrieren. In der Mitte ist eine der vier Uhren wie das Markenlogo geformt und fungiert als KI-Begleiter.
Das Vierspeichen-Lenkrad sieht aus wie aus einer Luxuslimousine der 1930er Jahre, mit einem Marken-Logo, das in einer Glaskugel schwebt. Bemerkenswert zudem: Das Lenkrad ist nicht physisch mit den Vorderrädern verbunden, das Elektrokonzept verfügt über Steer-by-Wire. Der Verzicht auf eine Lenksäule ermöglichte es den Designern, sich bei der Gestaltung des Innenraums auszutoben, und das sieht man.
Der Fahrzeugboden ist mit aufwendiger Strohmarketerie verkleidet. Dabei handelt es sich um eine luxuriöse Dekorationstechnik, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht und in den 1920er Jahren wiederbelebt wurde. Fahrer und Beifahrer sitzen auf einer mit tiefblauem Samt gepolsterten Sitzbank. Die Türverkleidungen sind mit aufwändigen Perlmutleisten verziert, die fein gearbeitete und polierte Messing-Türgriffe in Silber- und Gold-Tönen umschließen.
Der Vision Iconic verfügt über erweiterte Level-2-Funktionen. Mercedes sagt aber, dass die Studie mit Level 4-Autonomie im Hinterkopf entwickelt wurde. Die Hände könnte man also vom Steuer nehmen.
Nach dem Auffahren auf die Autobahn und der Aktivierung des Level-4-Systems könnte der Fahrer die Zeit zum Entspannen nutzen, ohne sich überhaupt mit dem Verkehr auseinandersetzen zu müssen. Es wäre dann auch möglich und erlaubt, zu schlafen oder es sich beim Streamen eines Videos oder Films gemütlich zu machen Nachdem das Auto die Insassen am Zielort abgesetzt hat, könnte es dann auch selbst zu einem Parkplatz fahren. Davon sind wir aber noch ein ganzes Stück entfernt.
Ermöglicht wird all dies durch das, was der Daimler als neuromorphes Computing bezeichnet. Durch den Einsatz künstlicher neuronaler Netze, die die Funktionsweise des menschlichen Gehirns nachahmen, kann das System viele Informationen effizienter verarbeiten als aktuelle Computer. Mercedes-Benz zufolge hat es das Potenzial, den Energiebedarf für die Datenverarbeitung beim automatisierten Fahren im Vergleich zu heutigen Systemen um 90 % zu senken.
Wie bei den meisten Studien ist vieles von dem, was wir hier sehen, reine Fantasie. Dennoch werden wohl einige der Elemente irgendwann ihren Weg in zukünftige Mercedes-Benz-Modelle finden. Der neu gestaltete Kühlergrill ist bereits eines der Hauptgesprächsthemen des kürzlich vorgestellten elektrischen GLC. Es würde uns nicht überraschen, wenn die nächste S-Klasse das radikale Front-Design des Vision Iconic zumindest in Teilen aufnimmt. Schaden würde es ihr garantiert nicht.