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BMW iX3 im Test: Macht es das "normale" Elektro-SUV besser?

Ein sehr guter, sehr durchdachter X3, der bei der Reichweite nicht ganz Wort hält

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Was ist das?

Natürlich musste es ein SUV sein. Alles ist ja heutzutage irgendwie SUV. Und wenn man schon sein erstes "Massen"-Elektroauto auf den Markt bringt, dann ist es durchaus plausibel, dass man es im risikoärmsten Segment platziert. Ein X3 mit E-Antrieb also, kein komplett neues Modell, wie es etwa VW mit seinem ID.3 gemacht hat.

BMWs Bestseller gibt es jetzt als Benziner, Diesel, Plug-in-Hybrid und reinen Stromer. Der iX3 ist also sowas wie das "gewöhnliche" E-Auto. Das Packaging wird von den anderen X3-Derivaten übernommen. Das bietet nicht nur Vorteile. 

Keine Änderungen an Karosserie und Innenraum bedeuten auch: Keine zusätzlichen Kofferräume oder massiv gesteigerte Platzverhältnisse.

Sieben Jahre nach BMWs erstem E-Auto i3, gibt es nun die "eDrive Technology der fünften Generation". Die Antriebs- und Batterieentwicklung erfolgt inhouse. Der Motor, eine sogenannte stromerregte Synchronmaschine, hat 30 Prozent mehr Energiedichte als der des i3 und weist laut BMW einen Wirkungsgrad von 93 Prozent auf (ein Verbrenner liegt bei etwa 40 Prozent).

Der E-Motor arbeitet ohne Magneten und kann ohne den Einsatz seltener Erden produziert werden. Er leistet 210 kW (286 PS) und 400 Nm Drehmoment. Die Kraftübertragung erfolgt per Eingang-Automatik auf die Hinterräder. Von 0-100 km/h geht es in 6,8 Sekunden, maximal sind 180 km/h drin. 

Der Akku mag nicht der größte sein, aber die WLTP-Reichweite von 460 Kilometer ist eine echte Ansage. Der Speicher hat 20 Prozent mehr Energiedichte und kommt mit 66 Prozent weniger Kobalt aus als zuletzt. Außerdem kann er super schnell geladen werden, weil an Gleichstrom-Stationen bis zu 150 kW gehen. 0-80 Prozent dauern so nur 34 Minuten. 100 Kilometer Reichweite sollen in 10 Minuten eingespeist sein. 

BMW will auch die Skeptiker beruhigen, die die CO2-Bilanz von E-Autos über den gesamten Lebenszyklus als ein großes Problem ansehen. Betrachte man Rohstoffbeschaffung, Lieferkette, Produktion, Nutzungsphase und Recycling, sei sie hier deutlich geringer als etwa bei einem X3 xDrive20d: um mehr als 30 Prozent bei Nutzung von Strom aus dem europäischen Strommix während der Nutzungsphase. Und um rund 60 Prozent bei ausschließlicher Verwendung von Ökostrom.

"Der iX3 ist natürlich nicht das E-Powerhaus á la Tesla, aber der ansatzlose Punch beim kleinsten Druck aufs Gaspedal wirkt trotzdem relativ imposant."

Optisch erkennen Sie den iX3 an neuen Schürzen sowie dem Mangel an Frontgrill und Auspuff. Die elektrische blauen Farbakzente kommen optional. Immer dabei sind jedoch die trickreichen Aero-Räder. Sie sparen 15 Prozent Gewicht, sind 5 Prozent aerodynamischer und sollen alleine für 10 km mehr Reichweite sorgen.

Die Auslieferungen starten Ende Januar 2021 und das zu Preisen ab 66.300 Euro. Maximal können Sie davon eine kombinierte Förderung von 7.500 Euro abziehen. Zum Vergleich: Der 360 PS-Benziner X3 M40i kostet ab 69.210 Euro.

Wie fährt er?

Normaler als so ziemlich alle anderen Elektroautos, die ich bisher gefahren habe. Je nachdem, wie groß der Strom-Nerd in Ihnen ist, werden Sie das gut oder schlecht finden. Ich empfand es als ziemlich angenehm.

Der iX3 ist natürlich nicht das E-Powerhaus á la Tesla, aber der ansatzlose Punch beim kleinsten Druck aufs Gaspedal wirkt trotzdem relativ imposant. Oben raus schwächt sich das Gefühl ein wenig ab. Ein Blick auf den Tacho verrät dann aber recht schnell, dass hier zügig sehr seriöse Zahlen am Start sind. 

Ein ziemlich schlaues Tool ist die adaptive Rekuperation, die mit Signalen vom Navi (für nahende Kreuzungen, engere Kurven und Geschwindigkeitsbegrenzungen) und den Radarsensoren (für den Verkehr vor Ihnen) arbeitet. Wenn Sie den Fuß vom Gas nehmen, wird das Level an Rekuperation automatisch so gewählt, dass Sie möglichst sanft in Richtung der neuen Zielgeschwindigkeit abgebremst werden. Wenn Sie besonders früh vom Gas gehen, erlaubt das System effizientes Segeln.

Sprich: Situationsabhängig hat das Lupfen des Gaspedals völlig verschiedene Auswirkungen und daran muss man sich wirklich gewöhnen. Ich gehe aber davon aus, dass man sich nach einiger Zeit ziemlich gut damit arrangieren kann, denn das System macht insgesamt durchaus einen schlauen und Vertrauen erweckenden Eindruck. Daneben gibt es noch die Möglichkeit, eine sanfte und eine starke Rekuperation auszuwählen.

Sehr cool ist die mit Hollywood-Sound-Legende Hans Zimmer entwickelte Klangstrategie für den iX3. Im Comfort-Modus wird das Beschleunigen akustisch eher hintergründig und recht normal begleitet. Im Sport-Modus jedoch erzeugt das Auto einen ziemlich überdrehten Sci-Fi-Sound, der sich verstärkt, je härter man aufs Pedal drückt. 

Wenn Sie sich nicht fühlen wollen, als würden Sie in einem Tie Fighter durch den neuesten Star Wars-Streifen jagen, dann können Sie den filmreifen Geräuschteppich auch deaktivieren. Ein echtes Gefühl für Geschwindigkeit vermittelt das Ganze ohnehin nicht wirklich.

Macht der iX3 denn Spaß?

Nun, auch in puncto Fahrdynamik ist der iX3 gefühlt auf seinem ganz eigenen Planeten unterwegs. Das ist durchaus positiv zu verstehen. Größtenteils zumindest. Sie werden nie darüber im Unklaren gelassen, dass Sie hier in einem BMW sitzen. Und doch fühlt sich so viel so anders an. 

Es mag paradox klingen, aber der Elektro-X3 ist das dynamischste "unsportliche" Auto, dass ich vermutlich je gefahren bin. Stellen Sie sich einfach vor, Sie haben bis zur Gürtellinie ein Fahrzeug, das sich bewegt wie ein SUV. Darunter aber sorgt das tief liegende Gewicht der Batterien für eine Straßenlage, die schwer zu fassen ist. Dieses Auto erreicht ohne mit der Wimper zu zucken Kurvengeschwindigkeiten, die völlig absurd wirken für diese Fahrzeuggattung. 

Und sogar die Lenkung - mit ihrem für BMW-Verhältnisse erfreulich dünnen Lenkradkranz - bringt ziemlich viel Feedback und wirkt insgesamt überraschend rund. 

Besonders verspielt ist das Ganze allerdings nicht. Vom Hecktriebler-Layout bekommt man wirklich nichts mit. Der iX3 ist ultrastabil und extrem traktionsstark. Das serienmäßige Adaptiv-Fahrwerk wirkt nicht wirklich straff, einfach nur sehr gut ausbalanciert. 

Wie sieht es mit der Reichweite aus?

Im Grunde genommen stimmt es schon, was BMW sagt. Der iX3 gehört, gerade für seine Größe, sicher zu den effizientesten E-Autos da draußen. Nach einer 130 Kilometer langen, nicht wirklich zügig gefahrenen Teststrecke, die hauptsächlich Landstraßen und ein wenig Autobahn beinhaltete, zeigte der Bordcomputer einen Stromverbrauch von 18,1 kWh pro 100 Kilometer an. Für ein immerhin fast 2,3 Tonnen schweres SUV ist das eine ziemliche Sensation.

Die Restreichweite lag bei 240 Kilometer, sprich etwa 370 Kilometer hätte ich insgesamt geschafft. Das ist dann doch ein Stück weit entfernt, von den 460 Kilometern, die nach WLTP drin sein sollen. Wird die Strecke aber durch mehr Stadtverkehr und eine entsprechend intensivere Rekuperation ergänzt, sieht die Sache vermutlich etwas anders aus. 

Wie ist er innen?

Hier merkt man natürlich, dass der iX3 keine extra für ihn erschaffene Elektro-Plattform nutzt. Einer der großen Vorteile davon - ein ungewöhnlich großes Platzangebot - fehlt hier. Wie der Mercedes EQC ist auch der iX3 im Fond nicht besonders üppig. Es ist eben wie bei einem normalen X3 und nicht wie etwa bei einem Jaguar I-Pace. Auf der anderen Seite kann sich der Kofferraum mit 510 bis 1.560 Liter absolut sehen lassen. 

Das Cockpit selbst bietet keinerlei Überraschungen und ist genau so hervorragend bedienbar wie bei jedem anderen X3 auch. Das Instrumentendisplay wurde eben um die ein oder andere Elektro-spezifische Anzeige erweitert. Außerdem kann man auch auf dem Infotainment-Screen diverse Daten zu seiner Fahrt und der eigenen Effizienz abrufen. 

Sitze, Sitzposition und Materialqualität überzeugen. 

Fazit: 8/10

Mit dem neuen iX3 hat BMW einen relativ pragmatischen Ansatz für sein erstes E-Auto seit 2013 gewählt. Mit dem Mittelklasse-SUV setzt man auf größtmögliche Normalität und Effizienz. Keine wilden Beschleunigungsorgien, keine monströsen Batterien, kein großes Umgewöhnen. Und die Rechnung geht weitgehend auf. 

Verglichen mit dem Mercedes EQC wirkt der iX3 wie das durchdachtere Gesamtpaket. Er ist absolut schnell genug, fährt unterhaltsam und scheint für seine Größe erstaunlich wenig Strom zu brauchen. Preislich geht das Ganze in Anbetracht der guten Serienausstattung ebenfalls in Ordnung. 

Nichtsdestotrotz sind fast 70.000 Euro natürlich ein Haufen Geld. Im nächsten Jahr kommt nicht nur der iX3 auf den Markt, sondern auch weitere, deutlich günstigere Elektro-Crossover wie der VW ID.4, der Nissan Aryia oder der Ford Mustang Mach-E. Es wird spannend sein, zu beobachten, welche Attribute Elektroauto-Käufern wirklich wichtig sind.

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