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VW T3 Caravelle Carat (1990) im Fahrbericht: Edle Wohnecke

Hier wurde der nutzwertige Bulli zum teuren Luxus-Bus

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Kurze Rückblende ins Jahr 1981: Zwei Jahre nach dem Start des T3 erweitert Volkswagen das Programm um einen komfortabler ausgestatteten Bus, den Caravelle. Neben einer Innenausstattung aus feinem Velours hebt vor allem die abgesetzte Zweifarblackierung den neuen Edel-Bulli von den normalen Transportern mit neun Sitzen ab. Vom Charakter her ähnelt der Caravelle erstmals eher einem gut ausgestatteten Pkw als einem Nutzfahrzeug.

1983 ergänzt Volkswagen das Programm um ein noch besser ausgestattetes Modell: den Caravelle Carat. Dieser fällt äußerlich durch wuchtigere Stoßfänger und einen Kühlergrill mit zwei eckigen Doppelscheinwerfern auf. Im Fond gibt es vier Einzelsitze, von denen sich die vorderen drehen lassen, ergänzt durch einen Klapptisch auf der linken Fahrzeugseite. Auf Wunsch ist auch eine Klimaanlage mit Ausströmern im Dach für den Fond erhältlich.

VW T3 Caravelle Carat

Bereits 1984 stattet Volkswagen den Caravelle auf Wunsch feiner aus. Die Aufpreisliste wächst um zahlreiche Extras wie zum Beispiel elektrisch verstellbare Außenspiegel, elektrische Fensterheber, Servolenkung, Sitzheizung und ein Glas-Aufstelldach. Selbst ein beleuchteter Make-up-Spiegel ist nun zu bekommen. Zentralverriegelung, Tempomat und ein Antiblockiersystem sind weitere Übernahmen aus der Pkw-Entwicklung.

Mehr Leistung, mehr Luxus

Mehr Leistung bietet 1985 die Firma Oettinger: Auf Basis einer Volkswagen-Entwicklung baut sie einen 121 kW / 165 PS starken Sechszylinder-Wasserboxer mit 3,2 Litern Hubraum in das Heck des Caravelle Carat ein. 1987 folgt eine 3,7-Liter-Version mit 132 kW / 180 PS.

1985 präsentiert Volkswagen auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt erstmals die Studie des Multivan auf T3-Basis. Ein Jahr später geht der Multivan in Serie. Als dritte Variante neben Caravelle und Kombi übernimmt er die Rolle des Allrounders und schlägt zugleich als privat genutzter Pkw die Brücke zum leichten Camper. 

Das Potenzial des Multivan-Konzepts zeigt sich ab 1988 auch durch die Sondermodelle "Blue Star" und "White Star". Die vollständig ausgestatteten Freizeitfahrzeuge definieren den Begriff Großraumlimousine neu. Eine Plakette vorne am Fahrzeug bezeichnet sie als "Hannover Edition", in den Verkaufsunterlagen heißen sie "die Stars unter den Großraumlimousinen".

T3-Ende erst 2002 in Südafrika

Die Beliebtheit dieser Varianten hält auch nach dem offiziellen Ende des T3 an: Im Frühjahr 1992, anderthalb Jahre nach Vorstellung des T4, bringt Volkswagen mit der Limited Last Edition 2.500 Fahrzeuge im Trim des "Blue Star" auf den Markt, die schnell ausverkauft sind. Damit endet die Produktion des T3 in Europa.

In Südafrika, in Uitenhage, baut Volkswagen den T3 allerdings bis 2002 weiter; das letzte Modell dort ist der edle "Microbus Activ". Insgesamt entstehen 1,17 Millionen T3 in Europa und 0,13 Millionen in Südafrika. Auch nach 40 Jahren sind noch viele T3 als Van- und Camper-Klassiker weltweit unterwegs.

Unterwegs im Nobel-Bulli

Oft genug auch eher lahm auf der Autobahn, was mich persönlich eher vom T3 abschreckt. Doch heute habe ich im Rahmen des CDE Classic Events an der Loh Collection in Dietzhölztal-Ewersbach die Gelegenheit, selbst einmal T3 zu fahren. Und sogar ein ziemlich edles Fahrzeug aus der Sammlung von Volkswagen Nutzfahrzeuge. 

Fotos Von: Motor1.com Deutschland

Der (oder die?) Caravelle Carat des Baujahrs 1990 gehört zur exklusivsten Ausstattungslinie des T3. Er ist mit hochwertigen Stoffen und edlen Innenverkleidungen ausgestattet, die den Innenraum deutlich aufwerten. Unter der Heckklappe arbeitet ein wassergekühlter Vierzylinder-Boxermotor mit 2.109 Kubikzentimetern Hubraum.

In Verbindung mit einem Automatikgetriebe leistet der Motor 70 kW beziehungsweise 95 PS und ermöglicht eine Höchstgeschwindigkeit von 136 km/h. Das Leergewicht beträgt 1.730 Kilogramm, die Zuladung liegt bei 610 Kilogramm. Damit ergibt sich ein zulässiges Gesamtgewicht von 2.340 Kilogramm. Der Tank fasst 60 Liter Kraftstoff.

Dieser T3 misst 4.605 Millimeter in der Länge, 1.845 Millimeter in der Breite und 1.906 Millimeter in der Höhe. Er steht auf Rädern der Größe 6Jx14 mit Reifen im Format 205/70 R14. Insgesamt bietet der Caravelle Carat Platz für sechs Personen. Der Neupreis lag im Jahr 1990 bei 62.335 D-Mark. Zum Vergleich: Dafür gab es fast schon einen Mercedes 260 SE. 

Dienstwagen für die Autobahn 

Das hier beschriebene Fahrzeug hat eine besondere Geschichte. Es stammt aus dem Bestand von Volkswagen Nutzfahrzeuge und wurde dem Unternehmen vom letzten Besitzer geschenkt. Der T3 weist einen Kilometerstand von nur 163.000 Kilometern auf und befindet sich derzeit in einer Teilrestaurierung.

Sein letzter Besitzer ist ein Mitarbeiter von Volkswagen, der den Caravelle Carat einst als persönlichen Dienstwagen mit individueller Wunschausstattung bestellt. In seiner Tätigkeit im Außendienst betreut er die Vertriebszentren in Berlin, Dieburg, Ludwigsburg, München und Würzburg. Innerhalb von nur sechs Monaten legt er mit dem Fahrzeug 46.000 Kilometer zurück.

Am 18. Dezember 1990 übernimmt er den Dienstwagen als Privatfahrzeug - eines der letzten produzierten Serienmodelle. In den folgenden Jahren nutzt er den T3 für zahlreiche Reisen quer durch Europa und fuhr dabei rund 15.000 Kilometer jährlich. Dank sorgfältiger Pflege bleibt der Caravelle Carat bis heute in einem bemerkenswert guten Zustand.

Auf dem Thron

Und so steige ich behutsam ein. Das ist auch nötig, denn der Radkasten macht das Klettern auf den hohen Fahrersitz nicht einfacher. Aber erstmal im Cockpit angekommen, staune ich über die sehr guten Sichtverhältnisse. Kein Wunder, existiert doch vor mir kein echter Vorderwagen im klassischen Sinne. Typisch für den T3 ist das große, flachstehende Lenkrad. Anders als beim Nachfolger T4 handelt es sich hier trotz aller Noblesse im Herzen um ein Nutzfahrzeug. 

Los gehts! 95 PS sind für über 1,7 Tonnen schon in einem Pkw nicht der Hit, beim T3 kommt erschwert die Schrankwand-Aerodynamik hinzu. In der Ruhe liegt also die Kraft. Im Heck bruddelt der Wasserboxer, die ganze Fuhre bewegt sich, während die Automatik spürbar ihrer Arbeit nachgeht. So etwas wie Fahrdynamik kommt erst auf, als ich den Carat halbwegs flott ums Eck fahren möchte.

Und bei Seitenwind, der den Luxus-Bus ziemlich schnell aus der Spur bringt. Zumal mit nur einer Person am Steuer alias Käptn Ikonenbrandt auf hoher See. Im Vergleich zum aktuellen Multivan zeigt sich: Früher war nicht alles besser. Aber interessanter.

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