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Unterwegs im 1990er VW Golf II Fire and Ice: Viel Feuer, kein Eis

Die Hitzeschlacht bei der Rallye Sachsen Classic überstand der Veteran klaglos und sorgte für viele Flashbacks

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Gerade hat Volkswagen das legendäre Sondermodell "Fire and Ice" neu aufleben lassen, und zwar auf Basis eines ID.3. Dabei war der Ursprung Anfang der 1990er ein Golf II, der mithilfe des Kult-Modedesigners Willy Bogner junior zu einem der ikonischsten Sondereditionen der Wolfsburger wurde. Und mit genau diesem Modell traten wir im Team Autostadt bei der Rallye Sachsen Classic an.

Der "Fire and Ice" ist gewissermaßen die Krönung der an Sondermodellen gewiss nicht armen Geschichte des VW Golf II. Im Herbst 1990 stellt Volkswagen das Sondermodell Golf II "Fire and Ice" vor - erhältlich nur im Modelljahr 1991, auf Basis des GTI-Modells. Die Namensgebung erfolgt in Anlehnung an den Film "Feuer, Eis & Dynamit" von Willy Bogner junior, mit Roger Moore in der Hauptrolle.

Sachsen Classic 2025

Technisch basiert das Sondermodell auf den bewährten 1,8-Liter-Ottomotoren des Golf II: 90 PS, 107 PS (8-Ventiler), 129 PS (16V) oder 160 PS (G60) stehen zur Auswahl. Alternativ gibt es einen 1,6-Liter-Turbodiesel mit 80 PS. Äußerlich folgt der Fire and Ice der sportlichen GTI-Linie und dem Golf-II-Facelift von 1989: breite Schweller, Radlaufverbreiterungen, schmale Zierleisten, teillackierte Stoßfänger, lackierte Außenspiegel - sowie eine Karosserie im kultigen Dark Violet Perleffekt (Farbcode LC4V).

Auffällig sind großflächige Fire-and-Ice-Aufkleber auf den C-Säulen, runde Embleme statt Seitenblinker an den vorderen Kotflügeln sowie pinkfarbene Schriftzüge und ein Grafiklogo am Heck neben dem Golf-Schriftzug. Die Räder sind Estoril‑Aluminiumfelgen in der Größe 6x15 zoll, bezogen mit 185/55 R 15‑Bereifung.

Beim Interieur geht das Sondermodell bewusst unkonventionell vor: Sportsitz-Rückenlehnen mit gestickten "Fire and Ice"-Emblemen, violett-blaue Bezugsstoffe, schwarzer bzw. anthrazitfarbener Teppich und Dachhimmel sowie ein entsprechendes Logo auf dem Aschenbecher. 

Am 19. Oktober 1990 läuft die Einführung in Deutschland an; insgesamt entstehen etwa 2.500 Fahrzeuge, davon rund 2.000 mit dem 90-PS-Vierzylinder. Und genau diesen dürfen wir 35 Jahre später während der Oldtimerrallye "Sachsen Classic" bewegen. Das Team Autostadt setzt dort neben dem "Fire and Ice" auch noch einen Käfer 1303 Cabrio ein. Eine gute Entscheidung, denn das Wetter zeigt sich mit 35 Grad im Schatten und wolkenlosem Himmel absolut cabriotauglich. Der klimalose Golf mit seinem dunklen Lack gerät dagegen schnell zum Brutkasten.

Die Klimaanlage ist aber auch das einzige moderne Ausstattungsmerkmal, das man im alten Golf wirklich vermisst. Ansonsten wird mir mal wieder klar, wie einfach und stressarm das analoge Autofahren von damals ist. Einsteigen, den Schlüssel (der genauso auch schon im Käfer aussieht) drehen, Gang einlegen und losfahren. Kein Getouche, keine Naviziel eingeben, kein Gebimmel und Gebammel, einfach los.

Und fahren kann der Golf auch nach 35 Jahren noch. Mit seinem durchzugstarken 1,8er, der beruhigend vor sich hin brummt, cruisen wir durch die sächsischen Landschaften. Dabei ist "unser" Golf nicht etwa ein top restauriertes Museumsstück oder ein gut gehütetes Exemplar mit wenigen Kilometern, sondern hat bereits ein im wahrsten Sinne bewegtes Leben hinter sich, in dem er knapp 100.000 Kilometer abgespult hat.

Solide bis ins Mark

Trotzdem fährt der Golf einfach gut, klappert nicht und zeigt keinerlei Ausfallerscheinungen. So geht Qualität! Die Fünfgang-Seilzugschaltung hakelt wie eh und je ein wenig, lässt sich aber gut bedienen, und in den vorzüglichen Sportsesseln sitzt man auch heute noch besser als in den meisten teuren Optionssitzen der Gegenwart. Das Auto ist beim Team der AutoStadt in den besten Händen und wird dort perfekt gepflegt. Und vor allem bei jeder sich bietenden Gelegenheit bewegt. So gehört sich das!

Das sonore Brummen des Vierzylinders beruhigt und entschleunigt, sodass man die eigentlichen Werte des Autofahrens wieder deutlicher spürt. So freut man sich, wenn der Golf auch in den Bergen dank seines guten Durchzugs locker mit den alten Porsche und anderen Sportwagen-Ikonen mithält oder wegen seiner gut dosierbaren Kupplung auch beim Stau an einer Steigung das schon fast vergessene Spiel mit Gas, Handbremse und Kupplung zu einer leichten Übung macht.

Die im Stand noch erstaunlich schwergängige Servolenkung entpuppt sich bei höherem Tempo als Genuss. Präzise, rückmeldungsfreudig und relativ direkt zeigt die Steuerung des Golf, dass Volkswagen das Thema Lenkung schon vor 35 Jahren verstanden hat. So lässt sich das Auto - nicht zuletzt aufgrund seiner geringen Breite - spielerisch auch auf engen Landstraßen um die Biegungen zirkeln, auch mit überraschendem (und überraschtem) Gegenverkehr.

Rennstreckentauglich!

Aber der Golf kann auch anders! Eine der unzähligen Sonderprüfungen der Sachsen Classic findet auf dem GP-Kurs des Lausitzrings statt. Dabei geht es zwar nicht um die schnellste Rundenzeit, aber wir lassen den Golf trotzdem ordentlich fliegen. Und er enttäuscht uns nicht, im Gegenteil! Durch das geringe Gewicht, die relativ breiten Reifen und die erwähnte tolle Lenkung fliegt der Zweier nur so um die Strecke und bietet viel Grip. Kein Reifenquietschen, kein Rutschen, kaum Untersteuern - das Fahrwerk kann auch heute noch voll überzeugen.

Diese doch eher unübliche Hatz über die Rennstrecke steckt der Oldie total unbeeindruckt weg. Nur eine Auspuffaufhängung übersteht das Räubern über die Curbs nicht, was aber durch das mitfahrende Serviceteam der Autostadt und VW Classic in Rekordzeit gefixt wird, sodass wir uns nicht mal eine Strafzeit einhandelten. Zur Not stehen auch noch Gelbe Engel vom Rallye-Partner ADAC bereit, von denen der Veranstalter gleich mehrere an der gesamten Rallye teilnehmen lässt. Und die bleiben aufgrund der angesprochenen Hitze auch nicht arbeitslos, Stichwort Luftgekühlte …

Unser wassergekühlter Golf zeigt sich dagegen völlig unbeeindruckt von der Hitze. Auch in den häufigen Warteschlangen vor den Sonderprüfungen kommt die Nadel der Temperaturanzeige nie über die Mitte hinaus. Vorbildlich. Nicht zuletzt deswegen wird schnell klar, warum speziell der Golf II schon damals als unglaublich gutes Auto gilt und der Konkurrenz in allen Tests (und auch Verkaufsstatistiken) meilenweit davonzieht.

Von solchen Erfolgen können wir bei der Sachsen Classic nur träumen. Angesichts der starken Konkurrenz, die zum Teil an fünf bis sechs Klassik-Rallyes pro Jahr teilnimmt und bestens ausgestattet war, dürfen wir mit einem Gesamtplatz im ersten Tabellendrittel durchaus zufrieden sein. Einmal gelingt uns sogar mit Rang drei der Sprung auf das Podest einer Wertungsprüfung.

Begeisterung ist ungebrochen

Aber das ist gar nicht der entscheidende Punkt. Viel wichtiger ist die Freude am Klassiker, die überall zelebriert wurde. In jedem Dorf stehen Unmengen von Zuschauern, die jeden der mehr als 130 Teilnehmer bejubeln. Auch bei den einzelnen Etappenorten und Prüfungen, die zumeist in tollen Schlossanlagen oder malerischen Marktplätzen liegen, sind hunderte Zuschauer vor Ort und feiern jedes Auto. Die Begeisterung für das Thema Auto scheint allen Unkenrufen zum Trotz ungebrochen und es waren mitnichten nur alte Männer, die hier feiern …

In den drei Tagen haben wir so nicht nur die Qualitäten des alten Golf, sondern auch den Freistaat Sachsen von seiner besten Seite kennengelernt. Von Dresden aus über die Lausitz bis ins Erzgebirge führt die anspruchsvolle Strecke, navigiert ausschließlich über das Roadbook. Die Wertungsprüfungen, in denen man bestimmte Strecken in einer genau vorgegebenen Zeit fahren muss, trennen die Spreu vom Weizen, weil hier ausschließlich mit mechanischen Stoppuhren gemessen werden darf. Da braucht es schon viel Gefühl und Erfahrung.

Am Ende steht mal wieder die Erkenntnis, dass früher vielleicht nicht alles besser war, aber die alten Zeiten durchaus auch ihre Reize hatten. Die drei Tage im alten Golf haben sehr viel Spaß gemacht und die Veranstaltung ist an Qualität kaum zu überbieten. Das macht Lust auf mehr!

In der Autostadt schlummern nebenbei bemerkt noch jede Menge interessanter Klassiker, die man sich gern mal anschauen kann. Wir werden dort demnächst mal im Depot wühlen, um noch mehr schlummernde Schätze ans Licht zu zerren. Versprochen.

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